Festivalbericht: Mair 1 Festival 2013

27.06.2013 - 29.06.2013 Montabaur

Zum inzwischen siebten Mal findet das Mair1, das seinen Namen in dieser Form seit Ende 2011 trägt, im Jahr 2013 auf dem Flugplatz in Montabaur statt. Nachdem letztes Jahr mit Parkway Drive, Unearth, Walls Of Jericho, Evergreen Terrace, Stick To Your Guns und Hatebreed bereits die Creme de la Creme des Hard- und Metalcores anwesend war, wird der Abriss dieses Jahr schon einen Tag vorher fortgesetzt. So geht es diesmal bereits am Donnerstag Abend auf der kleinen KIA Party Stage mit einem Hardcore-Quintett der Extraklasse los.

Im Jahre 2004 sorgte ein Lied der US-Amerikaner von Unearth für Belustigung, als deren Sänger Trevor Phipps einen Breakdown selbst in der Studio-Version eines Liedes mit dem Wort „Breakdown“ ankündigte. Inzwischen ist man anscheinend soweit, dass der Breakdown auch als Bandname salonfähig geworden ist . Dachten sich wohl auch die Schweizer BREAKDOWN OF SANITY, die das Festival am Donnerstag um 17.15 Uhr eröffnen. Zu dieser Zeit stecken sämtliche Pressevertreter in der gerade eröffneten Schlange für die Bändchen, sodass es kurz dauert, bis man die Band auch zu sehen bekommt. Einige Dutzend haben sich vor der Bühne bereits eingefunden, um dem an diesem Tag nur selten überdurchschnittlichen Auftritt beizuwohnen. Nach einer halben Stunde ist auch schon Schluss und es geht weitermit Marathonmann.

IMG_1486Die Münchner, die vor kurzem ihr erstes Album “Holzschwert” veröffentlicht haben, legen verhalten los. Man merkt ihnen durchaus an, dass sie an Auftritte vor einer größeren Menge an Zuschauern noch nicht so gewohnt sind. Das macht sich auch in den schüchteren Ansagen von Sänger Michael, der dem Publikum nach jedem Song „vielen lieben Dank“ ausspricht. Davon einmal abgesehen kommt der emotionale Hardcore-Punk der Band jedoch gut beim Publikum an: Aus gutem Grund, sind Lieder wie „Räume“, das großartige „Wir sind immer noch hier“ und die Bandhymne „Die Stadt gehört den Besten“ doch allesamt trotz oder gerade wegen ihrer ruhigen, verträumten Momente allesamt gut genug, um das Publikum zu begeistern. So ist es auch an diesem Tag.

Mit den aus Los Angeles, Kalifornien mitgereisten ALPHA & OMEGA gibt es dann die erste Portion klassischen, amerikanischen Westküsten-Hardcores zu hören. IMG_1514Keine Überraschungen, wenige Kompromisse, dafür Breakdowns, viel Gemoshe und ein Frontmann, der, neben wiederholten Danksagungen an die Kollegen von Terror, die ALPHA & OMEGA mit nach Europa auf Tour genommen haben, sein Bestes tut, um den Moshpit gut gefüllt und die Menge bei Laune zu halten.
Klappt ganz gut.

Die belgischen NASTY sind in den letzten Jahren zu einer festen Größe in der deutschen Hardcore-Szene geworden. So waren sie schon mit Evergreen Terrace und dieses Jahr sogar als Headliner in ganz Europa, unter anderem mit A Traitor Like Judas unterwegs. Das Quartett um den Frontmann Matthias, der mit bunter Kleidung und seinen volltättowierten Armen, Beinen und Hals aussieht wie ein Paradiesvogel, gibt sich Mühe, alles in Stücke zu bolzen. Die Menge, der man während der ersten drei Bands die Vorfreude schon ansehen konnte, zahlt das mit riesigen Moshpits zurück. Matthias sucht derweil ständig die Nähe zum Publikum, welches nach anfänglicher Zurückhaltung immer mehr waghalsige Sprünge und Stage Dives wagt. IMG_1546-2Die kurzen, ein- bis zweiminütigen Songs, die NASTY’s Setlist bestimmen, sind genau das Richtige für die ersten Reihen, die offenbar nur darauf gewartet haben, so richtig die Sau rauslassen zu können. Dabei zeigt sich auch, dass das Songmaterial der Band alles andere als stumpf und eintönig, sondern durchaus abwechslungsreich und mal eher Thrash-, mal eher Beatdown-lastig ist. Zwar merkt man NASTY ab und zu an, dass sie durchaus keine geringe Meinung von sich selbst haben. Mit seinen bodenständigen, selbstironischen und auch selbstkritischen Ansagen und seinen Appellen an den Zusammenhalt der Szene rückt der Sänger der Band das jedoch stets ins rechte Licht. Wer NASTY an diesem Abend die kalte Schulter zeigt, wird es hinterher bereut haben.

Große Vorfreude, große Erwartungen, große Anspannung, großer Jubel. Das sind alle Emotionen bezüglich TERROR auf einen Blick. Zwar weiß man bei den Kaliforniern ganz genau, was einen erwartet, jedoch ist es immer wieder eine große Freude, so viel kompromisslosem Geballer zuzuschauen. Genau so ergeht es offenbar auch Sänger Scott Vogel, der vor Energie nur so sprüht und seinen inzwischen beachtlichen Bierbauch unermüdlich die Bühne rauf- und runterschwingt. „Small stage, small crowd breakers, that’s what we need.“ Mit “Your Enemies Are Mine” geht es los und fix vor und zurück in der Band-Diskographie. TERROR spielen in nicht mal 30 Minuten zwölf Songs, ohne eine Pause zu machen – der pure Wahnsinn. IMG_1582(Bild)Und nicht zuletzt sind die Kalifornier deshalb eine so gute Live-Band, weil sie hinten raus immer noch eine Schippe drauflegen können. So wartet man bis zum letzten Drittel der Setlist, um die Evergreens „(Always Against The Odds) One With The Underdogs“, „Overcome“, „Spit My Rage“ und den Klassiker „Keep Your Mouth Shut“ auf die Menge loszulassen, die sich angesichts der Moshtauglichkeit all dieser Lieder nicht zweimal bitten lässt und alles dem Erdboden gleichmacht. So muss Hardcore sein. So macht Hardcore Spaß.

Freitag:

hisstatuefallsDie deutschen HIS STATUE FALLS, deren genaue Genrebezeichnung am ehesten mit “Allerwelts-Metalcore mit Synthesizern” getan ist, sind die erste Band, die ich am Freitag zu sehen bekomme. So sieht es auch aus: Power Chords treffen auf Keyboardspuren vom Band, schlechtes Songwriting gibt es gratis dazu. In vielen Liedern hat man das Gefühl, dass zufällig eine Synthesizermelodie ausgewählt und diese über die völlig ideen- und spannungsfreien Riffsalven gelegt wurde. Dementsprechend hält sich die Begeisterung in Grenzen. Trotz der guten Clean-Gesangs-Einlagen des Gitarristen stellen HIS STATUE FALLS unter Beweis, dass sie bestenfalls eine sehr durchschnittliche Band mit sehr nervigen Synthesizern sind, welche sie darüber hinaus nicht mal selber spielen – diese kommen nämlich vom Band. Dass HIS STATUE FALLS sich in ihrer Rolle offenbar sehr ernst nehmen, macht es nicht besser.

Gut, dass jetzt Partytime angesagt ist, denn die australischen DEEZ NUTS betreten die Bühne.Deez Nuts Ihre Mischung aus dem typischen New-York-Hardcore-Stil und einer Prise Crossover kommt bei der großen Fanschar sichtlich gut an – das sorgt bei der Band für richtig gute Laune. Man kann Sänger JJ Peters die Freude ansehen, mit der er die, übrigens äußerst Groove-lastigen, Songs der Band interpretiert. Auch wenn die Australier es sich nicht nehmen lassen, ihr Set mit fragwürdigem Party-Sexismus („Your Mother Should Have Fucking Swallowed“, im Chorus) anzureichern, so ist der Gesamteindruck doch durchweg positiv, auch dank Krachern wie „I Hustle Everyday“, bei denen das Publikum voll miteinbezogen wird.

Den Auftakt für die amerikanische Hardcore-Punk-Fraktion, die außerdem noch mit Sick Of It All und den Bouncing Souls vertreten ist, machen H2O. Die Amerikaner bieten mit ihrer hymnischen, melodischen Musik genau die richtige Musik für die anbrechenden Abendstunden. Sänger Toby Morse hält außerdem eine wahre Geschichtsstunde ab, erzählt lang und breit über die Geschichte des Hardcores, was das ihnen alles bedeutet und so weiter und so weiter. IMG_1791Schließlich wird auch Liederraten mit dem Publikum gespielt – jedoch gelingt es dem Publikum kein Mal, ein Lied zu erraten, was Toby und seine Kollegen anstimmen, was auch daran liegen könnte, dass das durchschnittliche Alter der Lieder viel höher lag als das durchschnittliche Alter der Zuschauer. Ein bisschen leidet der Auftritt darunter, am Ende bringen es H2O auf ganze sieben Songs. Für den Rausschmeißer „What Happened“ gesellt sich schließlich auch Sick-Of-It-All-Frontmann Lou Koller auf die Bühne, der in besagtem Lied einen Gastauftritt hat, und verhilft H2O damit zu einem versöhnlichen Ende eines etwas langatmigen Konzerts. Man sollte sich die Band lieber auf einer Club-Show ansehen.

Genug mit New-York-Hardcore, jetzt ist es erstmal Zeit für BOYSETSFIRE, die vor kurzer Zeit erstmals seit sieben Jahren mit „While A Nation Sleeps“ wieder ein Studio-Album veröffentlicht haben. Wie in den guten alten Zeiten eröffnen die Amerikaner mit „Release The Dogs“, eines der härteren Lieder des 2003-er Albums „Tomorrow Come Today“ und bieten im weiteren Verlauf, ganz wie man es von ihnen kennt, eine Mischung aus knackigem Hardcore und vielen Emotionen.Boysetsfire Zwischendrin erzählt ein glänzend aufgelegter Nathan Gray, es wäre toll, Leute zu sehen „who actually give a shit about what we do“, schwelgte ein bisschen in Erinnerungen an die alten Zeiten, an die zwischenzeitliche Auflösung, die Höhen und Tiefen der letzten 15 Jahre, und legte allen Zuschauern das neue Album ans Herzen, von dem BOYSETSFIRE mehrere Songs spielten, unter anderem „Closure“ und „Altar Of God“, die beide vom Publikum gut aufgenommen wurden. Nicht zuletzt witzelte er ständig mit seinem Sohn Simon herum, der bei BOYSETSFIRE inzwischen die zweite Gitarre spielt. Die ganz großen Momente gibt es derweil mit „Requiem“, „Handful Of Redemption“, dem wunderbaren „My Life In The Knife Trade“ und dem hymnischen „Empire“, bevor mit „Rookie“ nochmal der Moshpit eröffnet und allen Fragen ein Ende gesetzt wird: BOYSETSFIRE sind immer noch die Alten.

Nun ist es Zeit für die vermutlich härteste Band des Abends, BURY YOUR DEAD aus Massachussetts. Hart am Limit spielt das Quartett auf jeden Fall, in jeder Hinsicht: In den nächsten 50 Minuten wird geknüppelt, was das Zeug hält, es werden so viele Breakdowns abgefeuert, dass selbst die jüngsten Zuschauer kaum mit dem Moshen hinterherkommen, Melodien sind weitestgehend Fehlanzeige. Mit dem Hinzuziehen einer Gastsängerin gegen Ende wird der Härtegrad nochmal erhöht, da nun aus zwei Kehlen apokalyptisches Geschrei zu vernehmen ist – der Wirkungsgrad dadurch aber nicht gesteigert. BURY YOUR DEAD sind an diesem Nachmittag eine der entbehrlichsten Bands im Line-Up.

SICK OF IT ALL dagegen bieten an diesem Abend alles, was man von der Band gewohnt ist und was das Herz begehrt: Abgehtauglichen Hardcore-Punk der ersten Klasse. Eine knappe Stunde lang bietet man den kompletten Gegensatz zu H2O, nicht melodische Hymnen, sondern aggressive, temporeiche Gassenhauer, in denen Frontmann Lou Koller voll aufgeht, und sich dabei auch Seitenhiebe nicht verkneifen kann: „This next song is a heavy one. And I am not talking ‘Hatebreed started a new bands using keyboards kind of heavy.’ “ Eine Stunde lang jagen die Amis die Zuschauer durch einen Circle Pit nach dem anderen, um am Ende unter tosendem Applaus zu gehen.

Die Schweden von ADEPT sind mir noch von einem Konzert als Vorband von Caliban von vor zwei Jahren gut in Erinnerung – und zwar als Band, die eigentlich nichts so richtig gut kann. Wie sie den Co-Headliner-Slot an diesem Freitagabend errungen haben, muss man als Zuschauer ja auch nicht wissen, aber es ist durchaus bemerkbar, dass ADEPT vielleicht zu den beliebtesten, aber weiß Gott nicht zu den besten Bands des Festivals gehören: Weinerlicher Gesang, Klischee-beladene Melodien, ein Übermaß an Breakdowns und fehlende Abwechslung sind Attribute, die man ADEPT allesamt gut und gerne zuschreiben kann. Die Schweden bieten absolut nichts, was nicht mindestens drei Bands jeder Stilrichtung auf dem Mair 1 besser können. Vielleicht erschließt sich die wahre Genialität dieser Band aber auch nur, wenn man unter 18 ist.

Mit NOFX stehen um Punkt 22:45 Uhr zum Glück die Headliner des heutigen Tages auf der Bühne. Wer jedoch denkt, es geht mit Punkrock los, der irrt gewaltig, denn stattdessen stellt sich der mexikanische Gitarrist der Band, El Hefe alias Aaron Almeida, hin und schmettert einen astreinen Blues. Schließlich geht es dann mit dem Intro zu „Glass War“, das Kennern der Band bekannt sein dürfte, los – unerwarteterweise folgt darauf ein abrupter Bruch und „Dinosaurs Will Die“ von „Pump Up The Valuum“ ertönt. Spätestens bei der ersten Ansage ist Sänger Fat Mike jedoch anzusehen, wie extrem betrunken er an diesem Abend ist (was ihn jedoch nicht daran hindert, sich noch zwei weitere Campari Wodka bringen zu lassen) und sich schon nach kurzer Zeit am Gitarrenständer festhalten muss, um nicht umzukippen. Die Band macht sich ausgiebig über alle Gruppen lustig, die vorher gespielt haben, insbesondere über H2O und Sick Of It All, indem Fat Mike und Gitarrist El Hefe gekünstelt ein Lied ansagen und die Band danach kreuz und quer auf ihren Instrumenten rumklimpert oder indem die beiden circa zehn Mal extrem böse nach vorne blicken und mit tiefer Stimme grölen: „This next song is a hardcore song, it’s fucking heavy.“ IMG_1850-1Weiterhin werden Zuschauer im Publikum veralbert, einige Witze gerissen, die im Sinne der Political Correctness hier nicht wiederholt werden sollten, und… ja, Musik gibts auch noch. Die Auswahl der Lieder war an diesem Abend bloß etwas bescheiden: Zwar gab es von „Punk In Drublic“ immerhin „Linoleum“, „The Brews“ und das fetzige „Reeko“ zu hören. Auch die Klassiker „Eat The Meek“ und „Stickin‘ In My Eye“ fehlen nicht. Mit „You Will Lose Faith“, „Insulted By Germans“ und „Mattersville“ spielen NOFX jedoch auch einige neuere, durchschnittliche Lieder, was gerade beim „älteren“ Publikum nicht gut ankommt. Insgesamt scheinen NOFX es an diesem Abend nicht so mit der Ernsthaftigkeit zu haben – anders ist es nicht zu erklären, dass die Band sich vor und nach „Murder The Government“ kaum noch einkriegt vor Lachen oder dass man „The Muslim Topic“ mit „72 Hookers“ und „There’s No Fun In Fundamentalism“ thematisiert. Sind die älteren Nummern der Band auf CD vielleicht nicht die Creme de la Creme, sind sie es doch gerade bei Live-Konzerten, bei denen die große Stimmung entsteht. Davon gibt es heute zu wenig. Auch die abschließenden „Seeing Double At The Triple Rock“, „The Separation Of Church And Skate“ und „Franco Un-American“ können nicht darüber hinweg täuschen, dass NOFX schon bessere und nüchternere Tage erlebt haben.

Samstag:
Die Ehre, das Samstagsprogramm auf dem Mair1 zu eröffnen, wird den Italienern THE DOOMSAYER zuteil. IMG_1909Diese geben sich einige Mühe, die Gunst des Publikums zu erlangen: Geboten wird recht konventionell klingender Hardcore mit recht hohem Gesangsanteil, der ohne viele Breakdowns auskommt und generell eigenständig, aber noch nicht ausgereift klingt: Einige Gesangspassagen fliegen ganz schön schräg und einige Längen im Songwriting gibt es ebenfalls zu bemängeln. Der Sound stimmt zu diesem Zeitpunkt (natürlich) noch überhaupt nicht, dennoch füllen sich die Reihen merklich und von einer schlechten Leistung kann keinesfalls die Rede sein.

IMG_1944Schlechte Leistung hin und her, bei VIDJA läuft irgendwas falsch, das wird relativ schnell klar. Die Band tritt mit einer achtsaitigen Gitarre, einem sechsseitigen Bass und einem volltättowierten Schmalhans auf und holzt sich in der Folge eine gute Dreiviertelstunde lang ziellos durch Blastbeats, Breakdowns und technische Spielereien, von denen man sowieso nicht allzu viel hört. Sinnvolle Songstrukturen, Melodien, Wiedererkennungswert, kurz: ein roter Faden, fehlt der Band vollkommen. Dann lieber schnell weiter zu…

IMG_1988…ANTAGONIST A.D., die aus dem fernen Neuseeland stammen und bei denen es zwar deutlich gewöhnlicher zugeht, aber auch deutlich erträglicher. Eine gehörige Portion fetzigen Hardcores mit nur leichtem Metal-Einschlag und unzähligen Two-Steps gibt es hier auf die Ohren. Das bringt die Masse in Bewegung und lässt das Stimmungsbarometer nach oben ausschlagen. Der perfekte Einstieg also für…

… die deutschen Platzhirsche von A TRAITOR LIKE JUDAS, die in den letzten Jahren in der innerdeutschen Hierarchie immer größere Schritte nach oben getan haben. Im April dieses Jahres waren sie, wie schon oben angesprochen,mit Nasty auf Europatour und dass die Nordlichter inzwischen eine große Fangemeinde ihr eigen nennen können, ist am großen Andrang vor der Bühne schnell zu erkennen. IMG_2133Losgelegt wird mit dem Titeltrack ihrer letzten Split-EP, „Lifetimes“. Die positive Message, die die Band verkörpert und die Sänger Jasper, gepaart mit einer Absage an Rechtsradikale („Alle, die Nazis scheiße finden, halten jetzt den Mittelfinger in die Höhe“) aktiv ans Publikum weitergibt, ist erfrischend und tut in Kombination mit dem facettenreichen Hardcore der Band, der viele melodische Momente hat, richtig gut. A TRAITOR LIKE JUDAS sind eine der Gewinner dieses Festivals und weiter auf dem aufsteigenden Ast.

Die große Frage hat die nächste Band bis heute nicht beantwortet: Haben sie eigentlich schonmal mit einem Bären gewrestled oder nicht? Die Rede ist von IWRESTLEDABEARONCE, den spacigen Metalcore-Freaks aus Louisiana. Der Wechsel am Sängerinnenposten (für Krysta Cameron, die sich im „Mutterschaftsurlaub“ befindet, steht Courtney LaPlante am Mikro) hat ihnen offensichtlich nicht geschadet. Leider trüben technische Probleme die Freude erheblich, denn einerseits ist der Sound – der zugegebenermaßen mit den vielen elektronischen Sounds der Band auch schwierig abzumischen ist – zu Beginn richtig schlecht, andererseits hat Bassist Mick Martin circa 20 Minuten lang Probleme damit, seinem Bass Geräusche zu entlocken.
IMG_2079Schließlich leihen sich die Bären einen von den Kollegen The Ghost Inside, mit der Bemerkung: „Danke, es ist ihnen aber vermutlich egal, denn sie haben sicher zwölf davon“, woraufhin ein Bandmitglied antwortet: „Nein, 20.“ Doch es gibt auch positive Seiten des Auftritts: Sängerin Courtney LaPlante zeigt sich sehr kommunikativ und macht auch am Mikro eine super Figur, die neuen Songs der Amerikaner vom bald erscheinenden Album „Late For Nothing“, darunter „Thunder Chunky“, sind humoristischer, verrückter und damit noch besser als zuvor. Die alten Hits, gerade vom Debüt, beispielsweise „You Ain’t No Family“, „Danger In The Manger“, „See You In Shell“ und das geniale „Tastes Like Kevin Bacon“ (welches LaPlante allerdings mit „Smells Like Kevin Spacey“ ankündigt) hauen unheimlich rein. Die tanzbaren Swing- und Country-Einlagen kommen dabei sehr lustig rüber und das komplette Auftreten der Band, die bis auf den Bassisten alle ein bisschen wie verirrte Computer-Nerds aussehen, sorgt für erfrischende Abwechslung. Gerne mehr davon.

IMG_2191THE GHOST INSIDE aus Kalifornien, die sozusagen nur aus Auswechselspieler für The Dillinger Escape Plan eingesprungen sind, deren Ausfall durch den Handbruch ihres Gitarristen bedingt ist, wissen die Gunst der Stunde zu nutzen. Wie die Musik beispielsweise der Deez Nuts ist ihr Metalcore unheimlich Party-tauglich, und die Hit-Dichte beängstigend: Lieder wie „Chrono“, das rasante „Between The Lines“ und die Bandhymne „Unspoken“ schlagen ein wie Granaten. Sänger Aaron Brooks könnte auch stumm bleiben, die Menge würde trotzdem ausrasten. Dass der Sound nicht immer optimal ist, ist an dieser Stelle völlig egal. THE GHOST INSIDE sind die Band der Stunde und stellen das auch auf dem Mair 1 wieder eindrucksvoll unter Beweis.

IMG_2318Weiter geht es mit der Extraportion Hardcore. Wie die Kollegen von Stick To Your Guns sind EVERY TIME I DIE eine Band, die man schnell in der Null-Acht-Fünfzehn-Metalcore-Schublade ablegen möchte – sie können aber viel mehr. Das zeigt sich auch auf dem Mair 1 eindrucksvoll, da die Band wuchtige Rhythmen, harte Riffs und Shouts mit melodischem Hardcore verbindet. Das Resultat: Super Stimmung, Dutzende Hardcore-Kids, die sich gegenseitig freudig mit Fußtritten, Faustschwingern, Ellenbogen und Spinkicks traktieren und eine Band, die alles gab, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, was aufgrund des zu diesem Zeitpunkt hervorragenden Sounds auch sehr gut gelingt.

Zur praktisch selben Zeit stehen mit PATHWAYS fünf junge Deutsche aus München auf der Party Stage und heizen dem Publikum ein. Das Konzept der Veranstalter, solche Bands auf der kleinen KIA Party-Bühne auftreten zu lassen, stellt sich als gelungen heraus, nicht zuletzt, weil man dadurch junge Bands nicht auf riesige Bühnen setzt, auf denen sie gar nicht wissen, wo sie hinlaufen sollen. Die Band spielt emotionalen Midtempo-Hardcore im Stile von Bands wie Carpathian, Hundredth oder auch Confession, der gleichzeitig meist gut durchgeplant wirkt und mit der richtigen Portion Melodie an den richtigen Stellen, überzeugen kann. PATHWAYS sind eine Band, die man im Auge behalten sollte.

IMG_2357Als drittletzte Band des Festivals treten die walisischen FUNERAL FOR A FRIEND auf den Plan. Als Post-Hardcore-Band bei einem kleinen Label gestartet, stehen sie inzwischen bei Roadrunner unter Vertrag. Zurecht, wie sich an diesem Abend feststellt, denn aus dem anfänglichen Nischendasein hat die Band mit einigen Alben im Rücken eine fulminante Bühnenpräsenz kreiert. Einzig Sänger Matthew Davies wirkt mit seinen Shorts und dem hellen Hemd wie ein braver Schuljunge neben den beiden mächtigen Gitarristen, kann dies aber durch eine hervorragende Gesangsleistung wettmachen. Neben sehr viel neuem Material spielen die Waliser am Ende noch ein paar Lieder ihres Debüts „Casually Dressed And Deep In Conversation“, nämlich „Juneau“ und „Escape Artists Never Die“, die vom Publikum gebührend gefeiert werden.

IMG_2417Eine ganze Schippe an Härte legen ALL THAT REMAINS drauf, die direkt mit dem Titeltrack von „This Darkened Heart“, ihrem zweiten und damit einem ihrer härteren Alben starten. Dass die Musik von ALL THAT REMAINS mit den Jahren immer softer geworden ist, wird schnell klar, spielt die Band doch einige Songs ihrer neueren Alben, darunter „Overcome“, „Two Weeks“ sowie einige Tracks aus ihrem neuen Release „A War You Cannot Win“: „Down Through The Ages“ und der Titeltrack können sowieso überzeugen, aber auch die eigentlichen Schmachtfetzen „Asking Too Much“ und „What If I Was Nothing“ gestalten sich erträglich, während „Stand Up“ richtig gut rüberkommt. Generell klingen ALL THAT REMAINS live deutlich intensiver als auf ihren letzten Alben, was daran liegen mag, dass Letztere sehr auf Massentauglichkeit getrimmt sind. Was die Darbietung ALL THAT REMAINS‘ jedoch einzigartig macht, ist die extrem gute Gesangsleistung von Phil Labonte und Bassistin Jeanne Sagan. Die beiden Knaller „Six“ und „This Calling“, die gleichzeitig mit Abstand die härtesten der ganzen Setlist sind, machen den Gig ALL THAT REMAINS‘ zu guter Letzt zu einem der besten des Tages.

Der bisherige Bericht liest sich soweit so positiv wie fast nie bei einem Festival. Normalerweise gibt es bei so einer Veranstaltung ja immer mindestens zehn Prozent Totalausfälle. Bisher war von keinem die Rede, aber zu CHELSEA GRIN kommen wir ja erst jetzt. Ich dachte immer (wegen des Namens), die Band wäre eine weitere überflüssige Brutalo-Band aus Großbritannien – aber ich lag falsch, es handelt sich um eine überflüssige Brutalo-Band aus den USA. Ihre Musik ist wirklich so unsäglich stumpf, dass es schon wehtut. Jedes Lied beinhaltet mindestens drei Breakdowns, die Gitarren sind so tief gestimmt, dass es Bässe sein könnten und die unendlich tiefen Growls des Sängers sind nochmal elektronisch mit Screams verstärkt, sozusagen um den Brutalitätsfaktor noch zu erhöhen. Wiedererkennungswert? Songwriting? Sinn dieser Musik? Alles nicht erkennbar. Lieber doppelt Oropax rein, sonst fliegt noch das Trommelfell weg.

Die BOUNCING SOULS sind die vorletzte Band, die auf dem Mair 1 Festival spielen wird und direkt nach All That Remains stellt dieser Auftritt natürlich eine Zäsur dar, da die Musik der Band vermutlich die seichteste ist, die man an diesem Tag überhaupt zu hören bekommt. Dazu wirkt Sänger Greg Attonito etwas in die Jahre gekommen, zumindest könnte man es bei dem Maß an Bühnen-„Aktivität“ vermuten. Die besteht daraus, dass er seine Texte singt, zwischen den Songs ein bisschen redet und verhaltene Konversation mit dem Publikum macht und ansonsten mit den Füßen auf den Monitorboxen auf und ab wippt. Die restlichen Bandmitglieder tragen ihrerseits nicht viel zur Stimmung bei: Das führt dazu, dass die BOUNCING SOULS zwar überzeugen, aber niemanden begeistern können. Dazu hätten sie selber etwas mehr Begeisterung zeigen müssen.

Zu HEAVEN SHALL BURN muss man vermutlich niemandem mehr etwas erzählen. Die Thüringer zählen inzwischen zu den größten deutschen Bands überhaupt. Mit massivem Pyrotechnikaufgebot ausgestattet, möchte man keinen Zweifel daran lassen, wer Herr im Haus ist. Wie fast immer, wenn HEAVEN SHALL BURN in Deutschland auftreten, ist es vor der Bühne so voll wie sonst nie während des Festivals. IMG_2573Bei HEAVEN SHALL BURN ist es andererseits auch immer so, dass derjenige, der sie schon kennt, nichts Neues zu sehen bekommt, und der, der sie noch nicht kennt, das, was er erwartet. Natürlich überzeugen HEAVEN SHALL BURN trotzdem in jeder Hinsicht, machen Party ohne Ende, die Moshpits sind gewohnt riesig, die äußeren Bedingungen stimmen, die Stimmung ist fantastisch und der Auftritt der Band souverän und präzise wie ein Uhrwerk. Mit der Zugabe in Form von „Awoken“, „Endzeit“, „Forlorn Skies“ und „Black Tears“ endet die Show von HEAVEN SHALL BURN und damit auch das siebte Mair 1 so, wie es muss: Mit einem Highlight.

Publiziert am von Pascal Stieler

2 Kommentare zu “Mair 1 Festival 2013

  1. …liebe leute, lasst euch nicht durch den/die grottenschlechten realitätsfremden konzertbericht/en beeinflussen…was der liebe pascal sich dabei gedacht hat ist mir nicht klar…oder hast du was dafür bekommen ? …eine schande das du dafür noch bezahlt wirst…p.s. : hör dir mal die letzten beiden alben von chelsea grin an!

    1. … und wie immer hat auch hier jeder seine eigene, doofe Meinung ;)
      Nur so viel dazu von meiner Seite:
      a) bezahlt wird hier niemand, und erst recht nicht dafür, dass er irgend etwas anderes als seine ureigene Meinung schreibt.
      b) brauchen wir hier keine Beleidigungen – dadurch wirkt deine Ansicht vielleicht überzeugter, aber nicht eben überzeugender ;) … insofern werden wir dergleichen auch in Zukunft nicht veröffentlichen. Nur, dass ich mir das nächste Mal nicht die Mühe mache, den Kommentar zu editieren.
      In diesem Sinne

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