Konzertbericht: Loreena McKennitt

31.03.2019 Wien, Stadthalle

Auf den ersten Blick haben keltische, irische und orientalische Musik nicht allzu viel gemein. Eine gewisse Musikerin aus Kanada, die ursprünglich Tierärztin werden wollte, zeigte jedoch bereits in den 80er Jahren, dass sich diese vermeintlich unzusammenhängenden Musiktraditionen wunderbar miteinander kombinieren lassen. Die Rede ist selbstverständlich von LOREENA MCKENNITT, die zuletzt 2018 auf ihrer aktuellen Platte „Lost Souls“ einige Lieder veröffentlicht hat, die zum Teil bis auf die Anfänge ihrer Karriere zurückgehen. Auf der dazugehörigen Tour, im Zuge derer die Multi-Instrumentalistin und ihre Mitmusiker auch Wien einen Besuch abstatteten, führt LOREENA MCKENNITT ihr Publikum auf eine Reise durch die verschiedenen Phasen ihres kreativen Schaffens.

Als das Konzert um kurz nach 20:00 Uhr beginnt, ist die 2.000 Sitzplätze fassende Halle F der Wiener Stadthalle beinahe gänzlich mit größtenteils schon etwas betagten Zuschauern gefüllt – und doch ist es in der Rängen mucksmäuschenstill, als Caroline Lavelle das eröffnende „Bonny Portmore“ mit ihrem sanften Flötenspiel einleitet. Es dauert nicht lange, bis sich LOREENA MCKENNITT dazugesellt und dem Opener mit ihrem einfühlsamen Gesang und ihrer Harfe seine charakteristische Zärtlichkeit verleiht. Erst im daran anschließenden, feierlichen „All Souls Night“ greifen auch die übrigen Künstler zu ihren Instrumenten und ganz so, als hielten sie selbst das darin besungene Samhein-Ritual ab, erwacht die Bühne mit einem Mal zum Leben. Die Dualität der beiden ersten Nummern ist jedoch kaum mehr als ein kleiner Vorgeschmack auf die vielen verschiedenen Facetten, die die vielseitige Setlist noch bereithält.

Zwar widmet sich LOREENA MCKENNITT am heutigen Abend erwartungsgemäß und ohne große Überraschungen vor allem den feinfühligen Stücken von „Lost Souls“ wie etwa dem schmachtenden „Spanish Guitars And Night Plazas“, doch von unmotiviertem Dienst nach Vorschrift kann man hier beileibe nicht sprechen. So schnappt sich die Kanadierin beispielsweise im leichtherzigen „The Star Of The County Down“ kurzerhand ihr Akkordeon und schunkelt beim Spielen mit einem entwaffnendem Lächeln im Gesicht zur Musik mit. Besonders lebhaft wird die Show während der mysteriös-exotischen Nummern wie „Marco Polo“ oder „Santiago“, die das Bühnenensemble von seiner verspielten Seite zeigen. Dass sich ebenjenes mitunter aus langjährigen Weggefährten zusammensetzt, kommt nicht von ungefähr: Mögen Hugh Marshs atemberaubende Kunststücke an der Violine wie etwa sein Duett mit Gitarrist Brian Hughes auf „The Bonny Swans“ und Caroline Lavelles graziles Spiel mit dem Cello und der Flöte auch oftmals die Aufmerksamkeit auf sich lenken, so erfüllt doch jeder der beteiligten Musiker seinen Zweck auf formidable Weise.

Während Hughes sich keineswegs zu schade ist, die Unannehmlichkeit auf sich zu nehmen, inmitten der Songs zwischen verschiedenen Saiteninstrumenten zu wechseln, verleiht Drummer Robert Brian gerade den peppigeren Tracks mit seiner einfallsreichen Perkussion den nötigen Drive und spätestens als der mächtig grollende Tieftöner auf „The Old Ways“ einsetzt, steht außer Frage, dass auch Bassist Dudley Philips mit seinem sonst eher unauffälligen Spiel einen entscheidenden Beitrag zu der dargebotenen Musik leistet. MCKENNITT selbst besticht in erster Linie mit ihrem mal stimmgewaltigen, mal anschmiegsam gehauchten und doch stets glasklaren Gesang („Ages Past, Ages Hence“) sowie den gelegentlichen Anekdoten zwischen den Stücken, die die Kanadierin nutzt, um den Zuhörern von den Hintergründen ihrer Lieder, ihren inspirierenden Reisen und ihrer Sicht auf die Welt zu erzählen. Nach zweieinhalb Stunden (inklusive einer in etwa halbstündigen Pause) beenden LOREENA MCKENNITT und ihre Kollegen ihr Set auf stimmungsvolle Weise mit dem Titeltrack von „Lost Souls“, gewähren dem Publikum als Belohnung für die enthusiastischen Standing-Ovations allerdings noch eine Zugabe in Form von „Huron ‚Beltane‘ Fire Dance“ und „Dante‘s Prayer“.

  1. Bonny Portmore
  2. All Souls Night
  3. A Hundred Wishes
  4. Ages Past, Ages Hence
  5. The Ballad Of The Foxhunter
  6. Marco Polo
  7. Spanish Guitars And Night Plazas
  8. The Star Of The County Down
  9. The Two Trees
  10. The Bonny Swans
  11. The Mystic’s Dream
  12. Santiago
  13. As I Roved Out
  14. Manx Ayre
  15. The Lady Of Shalott
  16. The Mummer’s Dance
  17. The Old Ways
  18. Lost Souls
  19. Huron ‚Beltan‘ Fire Dance
  20. Dante’s Prayer

„Please remember me“ sind die letzten Worte, die LOREENA MCKENNITT ihren österreichischen Fans heute während ihres Auftritts zuträgt, ehe sich die Musikerin, die Dankbarkeit ins Gesicht geschrieben, von der Bühne verabschiedet. Nach einem solchen Konzert kann man gar nicht anders, als ihr diesen bescheidenen Wunsch zu erfüllen. Geringfügige Unstimmigkeiten wie die etwas zu hastig gesungene erste Strophe von „The Old Ways“ oder den etwas verloren wirkenden Scheinwerfer auf „Lost Souls“ kann man LOREENA MCKENNITT und ihren Begleitern angesichts der unprätentiösen Virtuosität ihrer Show ohne weiteres nachsehen. Als Schnäppchen sind die Tickets, die je nach Sitzkategorie zwischen 70 und 90 Euro kosten, zwar definitiv nicht zu bezeichnen, doch ein solches musikalisches Spektakel sollte man auf jeden Fall zumindest einmal gesehen und gehört haben – und sei es auch nur von einer der hinteren Reihen aus.

Publiziert am von Stephan Rajchl

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