Konzertbericht: Leprous w/ Agent Fresco, AlithiA, Astrosaur

17.11.2017 München, Strom

Im Laufe ihrer aktuellen „Malina“-Tour konnten die Progger von LEPROUS zusammen mit den Support-Acts AGENT FRESCO, ALITHIA und ASTROSAUR bereits ein paar ausverkaufte Abende für sich verbuchen. Auch für den Auftritt im Strom in München wird am Vortag schließlich bekanntgegeben, dass alle Karten verkauft wurden. Kein Wunder, dürfte das Package für Fans von progressivem Rock und Metal doch ein wahres Wunsch-Line-up sein. Da ganze vier Bands genug Zeit für ihre Performance haben müssen, beginnt der Abend schon ungewöhnlich früh und wird ein paar Tage zuvor sogar von 19:00 Uhr noch auf 18:45 vorverlegt.

Aufgrund der ausverkauften Location fällt das allerdings überhaupt nicht auf. Bereits bei ASTROSAUR gestaltet sich ein Positionieren im Raum vor der Bühne bis zum Mischpult als äußerst schwierig. Das Instrumental-Trio demonstriert derweil, dass den ganzen Katalog des Metals beherrschen. Egal ob Prog, Thrash, Black, Doom, Sludge oder Post-Rock, die Norweger tragen all diese Genres gleichermaßen gekonnt vor. Was genau sie darüber hinaus vermitteln wollen, bleibt allerdings etwas unklar. Zusätzlich fehlt der alleinstehend oftmals nicht ausreichend interessanten Musik an vielen Stellen dringend nötiger Gesang. So zeigt sich folglich die beachtliche Menge an Zuschauern zwischen den Songs auch eher mäßig begeistert. Für einen Eröffnungs-Act geht die technisch und musikalisch ansonsten absolut makellose Performance aber mehr als in Ordnung.

Wesentlich fokussierter, aber nicht weniger experimentell gehen im Anschluss die Australier von ALITHIA mit ihrer von ihnen selbst als Astral Space Core bezeichneten Musik vor. Zwischen diversen elektronisch geprägten Parts fällt vor allem der mit allerlei Trommeln und Cowbells ausgestattete Percussionist Jeffrey Ortiz Raul Castro auf, der mit seinen treibenden Grooves das Schlagzeug unterstützt. Statt des erkrankten Lead-Vocalisten John Rousvanis wurde Iamthemorning-Sängerin Marjana Semkina für die Tour verpflichtet. Diese erledigt ihren Aushilfsjob auch wirklich souverän. Dass hier und da mal ein paar ihrer Töne nicht ganz sauber auf den Punkt sind und auch die restlichen Instrumentalisten im Vergleich zur technisch perfekten Vorband ein wenig unsicherer wirken, ist angesichts der äußerst spaßigen, wahnsinnig kreativen Musik mehr als verzeihlich. Die Leistung der insgesamt sieben Musiker belohnt das Publikum mit anerkennendem Applaus.

Spätestens beim Wechsel zu AGENT FRESCO ist ein Durchkommen für Zuschauer, die nicht bereits bei den beiden Vorbands einen Platz vor der Bühne fanden, unmöglich. Die große Stärke der Isländer ist, dass sie es durch ihre gefälligen Arrangements bei gleichzeitigen beeindruckenden Instrumentalkunststücken schaffen, sowohl Fans von leicht zu hörendem Pop als auch Liebhaber verschwurbelten Prog-Rocks für sich zu begeistern. Gerade in ruhigen, klaviergetriebenen Songs wie dem fantastischen Set-Opener „Anemoi“ oder „Bemoan“ vermengt sich die mit Alternative Rock liebäugelnde Musik zu einem emotionalen Konglomerat, das wohl die wenigsten unberührt zurücklassen dürfte. Die bemüht Metal-lastigen Passagen schaffen es da live im direkten Vergleich weniger zu überzeugen, wohingegen die Band auf der anderen Seite des Spektrums ab und an gefährlich nah an der Grenze zu radiotauglichem, seichtem Pop wandelt. Dennoch liefert die Formation – die heute mit Ersatzbassist unterwegs sind, da ihr eigentlicher Bassist Vignir Rafn Hilmarsson gerade Vater wurde – eine durchgehend packende Show mit fantastischen Instrumentalperformances, gelungener Zuschauerinteraktion und brillantem Gesang ab. Spätestens nach dem letzten Song dürfte klar sein, dass es für die Tour wohl kaum eine passendere Vorband gegeben hätte als AGENT FRESCO.

  1. Anemoi
  2. He Is Listening
  3. Howls
  4. Pyre
  5. Wait For Me
  6. Neuer Song
  7. See Hell
  8. Angst
  9. Bemoan
  10. Dark Water
  11. Eyes Of A Cloud Catcher
  12. The Autumn Red

 

Nach der letzten Umbaupause und einem übertrieben langen Cello-Intro ihres Gastcellisten Raphael Weinroth-Browne entert dann schließlich mit LEPROUS der Headliner des Abends die Bühne. Die extra mitgebrachte Videoshow bleibt von den meisten wohl heute ungesehen, da die Projektionsflächen links und rechts an den hinteren Seiten der Bühne äußers unpraktisch positioniert wurden. Mit den beiden ersten Tracks „Bonneville“ und „Stuck“ ihres neuen Opus „Malina“ demonstrieren die Norweger sogleich, dass sie das Zusammenspiel aus hartnäckigen Ohrwürmern, ergreifenden Melodien, tragischer Stimmung und progressiv-vertrackten Meisterleistungen an der Instrumentenfraktion perfektioniert haben. Abgesehen von einem Song (dem leider wenig spannenden „Salt“ vom Album „Coal“) haben sich LEPROUS, die für jedes Konzert auf der Tour eine eigene Setlist entworfen haben, dazu entschieden, am heutigen Abend ausschließlich Stücke der letzten beiden Alben „Malina“ und „The Congregation“ zu präsentieren. So dürfen sich Fans heute über zahlreiche Gänsehautmomente freuen, wenn die Progger mit dem Titeltrack ihres aktuellen Albums, dem doomigen „Slave“ oder dem atmosphärisch-dichten „Lower“ die tiefsten und schmerzhaftesten Bereiche negativer Emotionen ausloten.

Umgekehrt kommen aber auch diejenigen nicht zu kurz, die LEPROUS vor allem für ihr spielerisches Können verehren. Dank „Illuminate“, ihrem Hit „The Price“ oder dem auf seltsame Art und Weise an Queen und Freddie Mercury erinnernde „Mirage“ bieten LEPROUS genug Momente zum begeisterten Staunen. Mit dem nur von Vokalist, Keyboarder und Hauptkomponist Einar Solberg, der heute eine fast durchgehend grandiose Gesangsperformance abliefert, zu etwas arg ausgedehnter Cello-Begleitung vorgetragenen „The Last Milestone“ beendet die Prog-Truppe den Hauptteil ihres Sets. Während die Musik instrumental minutenlang auf der Bühne vor sich hin läuft, werden die ersten Zuschauer merklich ungeduldig.
Nachdem die Band für drei Zugabe-Songs, inklusive der Hitsingle „From The Flame“ erneut auf die Bühne zurückkommt, beenden LEPROUS das Konzert schließlich endgültig – oder auch nicht. Obgleich bereits die Pausenmusik und das Saallicht eingeschaltet wurden, lässt das begeisterte Münchner Publikum einfach nicht locker und verlangt minutenlang nach einer weiteren Zugabe. Schließlich kommen LEPROUS tatsächlich noch einmal für eine zweite, ungeplante Zugabe zurück auf die Bühne, müssen die Anlage wieder hochfahren und belohnen die Hartnäckigkeit der Zuschauer mit „The Flood“, ehe der grandiose Abend dann tatsächlich zu Ende geht.

  1. Bonneville
  2. Stuck
  3. Salt
  4. The Price
  5. Illuminate
  6. Rewind (gekürzt)
  7. Slave
  8. Malina
  9. The Weight of Disaster
  10. The Last Milestone
  11. Lower
  12. Mirage
  13. From the Flame
  14. The Flood

Wer in München Progressive Rock und Metal mag und heute Abend aber nicht anwesend ist, dürfte sich ziemlich ärgern. Das starke Vierer-Package LEPROUS, AGENT FRESCO, ALITHIA und ASTROSAUR zeigt heute im Münchner Strom, wie man eingängigen und dennoch extrem anspruchsvollen Prog spielt, ohne sich in ermüdendem, ausschweifendem Dream-Theater-Geschwurbel zu verlieren. Egal, ob man heute für eine oder alle der Bands gekommen ist: Am Ende dürfte sich bei den herausragenden Auftritten niemand ernsthaft gelangweilt haben.

Publiziert am von Simon Bodesheim

Fotos von: Uta A. (Gastredakteurin)

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