Konzertbericht: Leprous (Livestream: Malina & Pitfalls)

20.02.2021 Notodden Teater, Norwegen (Stream-Show)

Nachdem LEPROUS einen kleinen Shitstorm erlebt haben, weil sie „The Congregation“ als geschnittenen, vorher aufgezeichneten Stream auf Sendung brachten, während viele Fans dachten, es sei live, spielen die Norweger nun alle Streams ausschließlich live. So auch die Shows am „Malina And Pitfalls Live Stream Weekend“, an dem das Album „Malina“ am Samstag und die „Pitfalls“-Platte am Sonntag gespielt werden wird. Wer ein Ticket für beide Streams kauft, wird am Sonntag nach dem Hauptstream noch zwei weitere Songs erleben dürfen. Die Hoffnungen unter den Fans sind natürlich groß, dass einer dieser Tracks bereits der neue Song vom „Let’s Write A Song Together„-Stream sein könnte, aber auch die letzte Single „Castaway Angels“ steht hoch im Kurs.

„Malina“-Stream

Aktuell dürfen bis zu 100 Zuschauer im Theater in Notodden live dabei sein; das geben die Corona-Schutz-Bestimmungen in Norwegen wieder her. Am Ende sind es dennoch weniger, denn offensichtlich mag nicht jeder Einheimische den eher beschwerlichen Weg ins Osloer Umland auf sich nehmen. So sind es am Ende weniger Live-Zuschauer als erlaubt wären, während die Käuferzahl vor den Bildschirmen wieder sehr viel höher war, als beim teuren, aber exklusiven „Let’s Write A Song Together„-Event.

Konzertfoto aus dem Notodden Teater, Foto-Credit: Dana Boghean-Melconian

Kurz nach 20 Uhr betreten LEPROUS am 20. Februar die Bühne und legen mit dem „Malina„-Opener „Bonneville“ los. Die Musik wird direkt über die Tonabnehmer in den Stream eingespeist. Die diversen Geräusche vom Hall und Widerhall in einer größeren Location, wie man sie bei einem echten Live-Gig kennt, sind glücklicherweise nicht wahrnehmbar. Stattdessen hört man in glasklarer Klangqualität jedes einzelne Instrument, jede Haupt- und Background-Stimme sowie die Backing-Tracks. Soundtechnisch hört man keinen Makel und mit einem irren elektronischen Gimmick auf dem Keyboard geht „Bonneville“ direkt in den Nachfolger „Stuck“ über. Die Bildübertragungsqualität ist insgesamt eher pixelig, was später zu einigen Kommentaren mit Bitte um Verbesserung auf der Munin.live-Webseite führt. Die Kameraführung führt ebenfalls zu einigen Enttäuschungen, da sie eher einseitig ist. Manche Musiker, wie Gitarrist Robin, sieht man kaum bis gar nicht, und es gibt auch keine Nahaufnahmen der Gesichter und Emotionen der Musiker während der einzelnen Songs.

„From The Flame“ ist der nächste Track; LEPROUS haben ihn schon so oft gespielt, dass es ihnen heute fast schon zu leicht von der Hand geht. Schlagzeuger Baard hat sogar noch Zeit für Kunststückchen, während die anderen schwungvoll über die Bühne rocken. Auch „Captive“ und „Illuminate“ bereitet der Band keine Schwierigkeiten. LEPROUS sind manchmal fast selbst selbst erschrocken, dass von irgendwo her nach den Songs echter Applaus kommt und werden nicht müde, mit den Anwesenden zu interagieren. Mit „Leashes“ und „Mirage“ geht es dann schon in großen Schritten auf die kniffligen und herausfordernden Songs zu.

Konzertfoto aus dem Notodden Teater, Foto-Credit: Dana Boghean-Melconian

Vor „Coma“ entschuldigt sich die Band schon mal vorab und erklärt, wie trickreich der Track ist, wenn man ihn live spielt. LEPROUS versprechen, sie haben ihn öfters geprobt, und tatsächlich brillieren sie und „Coma“ kommt spritzig und unterhaltsam rüber, gefolgt von zufriedenen Gesichtern der Bandmitglieder und Applaus, sofern das bei den wenigen anwesenden Zuschauern vor Ort möglich ist. Nun überrascht die Band die Fans mit einem Schwank aus ihrer Jugend und spielt amüsante Aufnahmen vom Beginn ihrer Karriere auf der Leinwand ein: Gitarrist Tor bei einem Theaterauftritt als Cola-Flasche verkleidet, Einar mal mit schwarzgefärbten, langen Haaren als Jugendlicher, mal im Cowboy-Outfit, gepaart mit anderen Aufnahmen einschließlich der inzwischen ausgeschiedenen Bandmitglieder.

„The Weight Of Desaster“ ist eine weitere Herausforderung für die Band, bevor die anderen Musiker für den Schlusstitel die Bühne verlassen. Einar bittet die Fans, welche mit Sprechchören das Ende des Gigs beleben wollen, höflich, still zu sein, da als nächstes „The Last Milestone“ gespielt werden wird. Einar singt sich durch die Trauerabgründe des Liedes und sorgt für Gänsehaut, bevor die Scheinwerfer ausgehen. Nun können auch die Fans ihre „We Love You LEPROUS, We Do“-Rufchöre anstimmen und damit die Band zurück auf die Bühne für eine letzte Verabschiedung locken.

„Pitfalls“-Stream

Einen Tag später, am Sonntag, steht der zweite Stream zur aktuellen Platte „Pitfalls“ an. Erneut in tief dunkelblaues Licht getaucht, kommt die Band pünktlich 20 Uhr zu „Below“ auf die Bühne. Man erkennt sogleich, dass man sich die Kommentare der Fans vom Vortag zu Herzen genommen hat, denn einerseits hat sich die pixelige Qualität verbessert und andererseits wurden die Kameraeinstellungen geändert. Cellist Raphael wird von Anfang an wieder eingebunden und gezeigt, während Sänger Einar jedem Ton so viel Intensität wie möglich verleiht. Danach folgt ein „Good Evening“ von der Band, bevor es mit dem groovigen, tanzbaren „I Lose Hope“ weitergeht – leider aber auch mit der zunehmend schlechteren Übertragungsqualität. Da fällt es kaum noch auf, dass Einar kleine Textunsicherheiten hat, die er professionell überspielt. Bassist Simen übernimmt beim nachfolgenden „Observe The Train“ nun die Tasten, während Einars Stimme rauer als sonst wirkt, was paradoxerweise gerade diesem Song eine noch stärkere Aura verleiht.

Konzertfoto aus dem Notodden Teater, Foto-Credit: Dana Boghean-Melconian

Auf den kommenden Song „By My Throne“ haben sich vorab viele Fans besonders gefreut, immerhin wurde er noch nie live gespielt. Einar erzählt, dass die Bandmitglieder ihn oft geprobt haben und eigentlich auf der letzten Tour spielen wollten, doch bei jedem Soundcheck ging der Song so in die Hose, dass sie es nicht gewagt haben. Heute aber „müssen“ sie wohl. Leider kommt es genau bei dieser Premiere für die Stream-Zuschauer zum Desaster: Die Bildschwankungen und Ausfälle sind so stark, dass es von überall her auf der Welt von den Zuschauern enttäuschte Kommentare hagelt. Auch der Ton ist komplett zerhackt, es klingt, als würde man nur noch die Backing-Tracks hören, während diese wild vor- und zurückspringen. Die Band entschuldigt sich nach dem Stream hierfür auch bei den Fans und stellt im Nachhinein eine weitaus bessere Version online, ohne Bildausfälle, welche sich die Fans noch eine Woche lang ansehen können. Die Zuschauer im Notodden Teater bekommen von all dem nichts mit, sie können die Premiere des Songs in vollen Zügen genießen.

Auch bei „Alleviate“ übernehmen Simen und Robin große Teile der Keyboard-Arbeit, während Einar sich auf die zu singenden Melodielinien konzentriert. Nach einer experimentellen Überleitung folgt „At The Bottom“, ein Song, den sie bisher auch selten gespielt haben. Es folgt das hauptsächlich von Bassist Simen komponierte Lied „Distant Bells“, in welchem sich Einar langsam zu einer ergreifenden Klimax hochsingt. Außer Atem, aber stolz verkündet er sogleich die nächste Premiere, denn auch „Foreigner“ hatte es bisher nicht in die Live-Gigs geschafft. Tor und seine weiße Gitarre bilden dabei eine Einheit, und auf der anderen Seite der Bühne wummert der elektronische Synthie-Sound dröhnend durch die Tonabnehmer zum Mischpult und in den Stream. Ein voller Erfolg!

Konzertfoto aus dem Notodden Teater, Foto-Credit: Dana Boghean-Melconian

Kurz darauf sind Einars Qualitäten als Alleinunterhalter gefragt, während Baard wieder das an seinen Drums ersetzen muss, was zuvor kaputt gegangen ist. Einar erzählt von seiner und Tors erster Band „Den“, die ihre Fans mit ihren Auftritten nach und nach vergrault haben. Er weist zudem auf das 20-jährige Band-Jubiläum hin und kündigt Live-Streams für die Alben „Bilateral“ und „Coal“ für Anfang bis Mitte April an. Nach dem Schlusstrack des Albums, „The Sky Is Red“, verlassen LEPROUS die Bühne, um kurz darauf für die beiden Zugaben zurückzukommen. Diese entpuppen sich als „Golden Prayers“ und „Angel“, welche auch auf dem Mediabook von „Pitfalls“ als Zugaben drauf sind.

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Der reale Applaus im Notodden Teater, der eher dünn ist, kann der tatsächlichen Leistung und Anstrengung von LEPROUS nicht annähernd gerecht werden. Immer wieder bleibt festzustellen, dass man bei den Norwegern für sein Geld gute Qualität bekommt. Umso wichtiger ist es an dieser Stelle zu betonen, dass man die kommenden Streams der Alben „Bilateral“ und „Coal“ nicht verpassen sollte und, wenn es die Corona-Lage erlaubt, erst recht nicht die für Ende des Jahres angekündigten Live-Konzerte!

Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin)

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