Vor nicht allzu langer Zeit sorgten die Australier LAGERSTEIN beim Free & Easy für mächtig Furore im Münchner Backstage. Auf ihrer mehr als ausgedehnten „Endless Rum European Tour“ kehrten die sieben Musiker auch zurück in das Herz der bayerischen Metropole. Mit dabei hatten sie ihr neuestes Werk „25/7“ und zahlreiche, bunt gemischte Supports. Am Ende ging die gewagte Rechnung trotz hochsommerlicher Temperaturen und tropischer Luftfeuchtigkeit auf.
Als erste von vier Bands an diesem Abend können LEONIC direkt positiv überraschen: Zwar lässt der Andrang vor der Bühne anfangs zu wünschen übrig, doch die Lokalmatadoren legen davon unbeeindruckt mit einigen Ohrwürmern vor und beweisen Gespür für eingängigen Melodic Metal und Hard Rock, der besonders live erfreulich griffig klingt. Dabei hat Sänger Maurizio ursprünglich mit R’n’B angefangen, was sein Bühnenoutfit noch ein wenig erahnen lässt. Mit LEONIC ist er 2008 allerdings zum Alternative Rock gewechselt und innerhalb der letzten zehn Jahre schließlich beim Metal angekommen – ein Wandel, der sicherlich auch auf diverse Musikerwechsel innerhalb der Band zurückzuführen ist. Dass dabei nicht immer böses Blut geflossen ist, beweist das Comeback von Ex-Gitarrist Helli für einen Abend. Auch dank ihm steht LEONIC der für die Band gewählte Stilmix gut zu Gesicht, gemeinsam können die Münchener trotz anfänglichem Soundmatsch das Publikum schnell für sich begeistern – und auch zunehmend von draußen in den Club locken. Die aktuelle EP “Melanism” gibt dabei die Marschrichtung vor, und so bleiben einem Songs wie “Bestia Nera” oder “Pretender” erfreulich lange im Gedächtnis. (CM)
Ebenfalls aus der unmittelbaren Nachbarschaft, genauer gesagt aus Freising, stammen MORNIR. Die Pagan Metaler haben an gleicher Stelle bereits erste Erfahrungen gesammelt, unter anderem im Vorprogramm von Triddana, und können an diesem Abend wieder überzeugen. Zwar kommt dieses Mal die prägende Geige im Live-Soundgewand etwas zu kurz, doch besonders mit ihrer folkmetallischen Urgewalt sorgt der Fünfer für ordentlich Furore. In den Kompositionen von MORNIR finden sich auch immer wieder Elemente aus dem Death- und Black-Metal, die Growls hört man von etablierteren Combos oft auch nicht besser und gerade die neuesten Stücke wie „Herr in Wind und Tälern“ oder „Hexer“ zeigen, dass die Jungs sich stetig weiterentwickeln und an den richtigen Schrauben drehen. Ihr Gespür für Melodieführungen, die richtige Mischung aus Härte und eingängigen Rhythmen sowie eine mehr als ordentliche Performance könnten dazu führen, dass es gerade nahe ihrer Heimat demnächst auch für größere Bühnen reicht. Zumindest stechen MORNIR besonders instrumental aus der breiten Masse angenehm hervor und füllen ihre Spielzeit erneut sehr kurzweilig. (SM)
Mit DELORAINE haben sich Lagerstein als dritten und letzten Support eine ungewöhnliche Wahl mit an Bord geholt, der vor allem in Kombination mit den härter gelagerten Supports heraussticht. Die noch junge tschechische Band covert einerseits bekannte mittelalterliche Melodien und musikalische Themen aus dem Bereich Fantasy, und schreibt andererseits eigene Songs rund um das beliebte Witcher-Universum – beides zum Großteil in ihrer Muttersprache. Die leidenschaftliche, laute Stimme von Sängerin Lori ist ein spannender Kontrast zu den anderen Acts des Abends, und die gemütliche Clubatmosphäre lässt es zu, dass sie das eine oder andere Mal auch von der Bühne ins Publikum tanzt, um den Zuhörern etwas näher zu sein und sie zum Mittanzen zu animieren. Dass die auf Partymusik eingestellten LAGERSTEIN-Fans nur bedingt Lust auf tschechischen Folk mit Schellenkranz haben, zeigt die deutlich geschrumpfte Publikumsmenge (oder die Fanclubs der lokalen Vorbands sind wieder abgereist, man weiß es nicht). Qualitativ kann man DELORAINE allerdings nichts vorwerfen. Wer noch da ist, nimmt den bekannten “Priscilla’s Song” aus “Witcher 3” begeistert auf, und auch die Eigenkomposition “Yennifer” zum gleichen Thema kann überzeugen. Ein interessanter Anblick ist zudem Geiger David, der gleichzeitig Schlagzeug und Geige spielen kann, was nicht selten von ihm auch in dieser Kombination verlangt wird. Für Genrefans insgesamt ein sehr positiver Auftritt. (CM)
Mit der Idylle ist es bei LAGERSTEIN direkt vorbei, als die Männer aus Down Under zu sehr ordentlichen Reaktionen die Bühne betreten und Sänger Captain Gregarr erst einmal seine prall gefüllte Trinkgans in einem Zug leert. Direkt zu Beginn heißt es auch für das Publikum „Raise Your Steins“ und das feuchtfröhliche Gelange nimmt seinen rund 75-minütigen Lauf. Wer die Musiker dabei auf ihre Trinkfreudigkeit und Party-Musik reduziert, der begeht einen schweren Fehler: Gerade Stücke wie „Wench My Thirst“ zeigen, dass der bunte Haufen in der Lage ist, mehr als anständige Songs zu komponieren. Im konkreten Fall erweitern Blues-Sounds, Trompeten-Klänge und auch ein bisschen Rock’n’Roll die Piraten-Party, ohne dass diese dadurch ins Stocken gerät. In Deutschland darf die Cover-Version des „Fliegerlied“ natürlich nicht fehlen, das hat das lautstarke Publikum bereits beim letzten Gastspiel bewiesen und die Reaktionen stehen auch beim zweiten Mal in Nichts nach. Zu neuen Liedern wie „Dig, Bury, Drink“ und dem sehr gut angenommenen „Pina Colada Paradise“ gesellt sich erneut ein kleiner Akustik-Block, im Rahmen dessen die Musiker und das Publikum zusammen Platz nehmen und besonders durch die unverstärkten Gitarren eine gewisse Lagerfeuerstimmung entsteht. Auch dieser Programmpunkt wird von den Gästen wohlwollend gutiert und beweist, dass sich Schuhsaufen und ein gewisser musikalischer Anspruch nicht zwangsläufig ausschließen. Mit der Zugabe „25 Hours“, die auch prägend für den Albumtitel „25/7“ ist, beenden LAGERSTEIN schließlich ihren starken Auftritt, der sich erfreulicherweise nicht nur an Freunde des gepflegten Gelages richtet – wenngleich diese gerade texthematisch vermutlich das größte Zielpublikum darstellen. (SM)
Mitten im Hochsommer gibt es sicherlich lukrativere Orte als einen kleinen Club mit eingeschränkter Belüftung. Doch wer sich trotzdem in den Backstage Club begibt, der erlebt einen sehr abwechslungsreichen und unterhaltsamen Abend, der mehr als simplen Party-Folk bietet und besonders dadurch überzeugt. Einzig an DELORAINE dürften sich die Geister etwas scheiden.