Konzertbericht: Kreator w/ Morbid Angel & Support

21.12.2012 München, Backstage Werk


Das Konzertjahr neigt sich rapide dem Ende entgegen – nicht jedoch, ohne ein weiteres, vielleicht letztes Highlight: Die deutschen Thrash-Veteranen KREATOR nämlich sorgen mit ihrer „Phantom Antichrist“-Tour für eine alles andere als „staade Zeit“ und mischen die besinnlichen Adventstage gemeinsam mit niemand geringerem als MORBID ANGEL und NILE im Gepäck kräftig auf. Als Support sind zudem FUELED BY FIRE mit von der Partie – zumindest theoretisch.

In der Praxis bleiben die Kalifornier jedoch einem guten Teil der Konzertbesucher verwehrt, wird der Konzertbeginn vom auf der Homepage des Backstage angegebenen 19:00 so weit vorverlegt, dass FUELED BY FIRE um diese Zeit ihren Auftritt bereits beendet haben. In Anbetracht der Tatsache, dass heute noch drei weitere Knüppelbands folgen, vielleicht kein all zu großer Verlust, dennoch definitiv nicht die feine Englische Art und schade für alle, die nicht zuletzt dieser Band wegen ihr Ticket gekauft hatten. Gespielt wurden folgende Songs:

Setlist FUELED BY FIRE
01. Rising From Beneath
02. Sickness Of Humanity
03. Dreams Of Terror
04. Unidentified Remains
05. Thrash Is Back
06. Eye Of The Demon


Der Konzertabend beginnt für mich damit mit NILE – und auch, wenn es erst die zweite Band des Abends ist, kocht die Stimmung von der ersten Minute.
Mit „Sacrifice Unto Sebek“ vom 2005er-Album „Annihilation Of The Wicked“ geht es los, und von der ersten Minute an passt hier alles: NILE haben sichtlich Freude an ihrem Tun, der Sound weiß durch die Richtige Mischung aus Transparenz und Druck zu begeistern und auch das Publikum ist sofort voll dabei. Nach „Defiling The Gates Of Ishtar“ geht es mit „Kafir!“ und „Hittite Dung Incantation“ in neuere Gefilde, genauer zum 2009er-Album „Those Whom the Gods Detest“, bevor mit „Enduring The Eternal Molestation Of Flame“ erst recht spät im Set der erste Song vom aktuellen Album „At The Gate Of Sethu“ gespielt wird. Mit „The Inevitable Degradation Of Flesh“ sowie „Supreme Humanism Of Megalomania“ folgen auf den Klassiker „Sarcophagus“ zwei weitere Tracks vom aktuellen Werk der Truppe, bevor der Auftritt mit dem Albumtitel-gebenden „Black Seeds Of Vengeance“ (2000), zu welchem die Morbid Angel-Musiker Yeung und Destructor die Bühne stürmen und die Mikros in Beschlag nehmen, schon wieder zu Ende geht.

Dass sich bei technisch derart anspruchsvollem Death Metal wie dem der Ägypten-Verehrer die ein oder andere Länge nicht vermeiden lässt, ist klar – im Großen und Ganzen haben NILE heute jedoch mal wieder eindrucksvoll bewiesen, was sie drauf haben – musikalisch wie auch als Entertainer.
[Moritz Grütz]

Setlist NILE
01. Sacrifice Unto Sebek
02. Defiling The Gates Of Ishtar
03. Kafir!
04. Hittite Dung Incantation
05. Enduring The Eternal Molestation Of Flame
06. Sarcophagus
07. The Inevitable Degradation Of Flesh
08. Supreme Humanism Of Megalomania
09. Black Seeds Of Vengeance


Dass – wie gerade eben erwähnt – Tim Yeung auf der Bühne zu sehen ist, überrascht ein bisschen. Denn vor ein paar Tagen war im Internet nachzulesen, dass Pete Sandoval nach seiner Bandscheiben-OP wieder hinter der Schießbude sitzt. Wegen dieser falschen Information aber von Enttäuschung zu sprechen, wäre alles andere als angebracht: Tim Yeung hat schon vor ziemlich genau einem Jahr unter Beweis gestellt, wie man einen Drummer wie „Pete the Feet“ adäquat ersetzt.
Und auch heute Abend lässt er keinen Spielraum für Kritik offen, denn die Performance ist ab den ersten Sekunden des Openers „Immortal Rites“ überragend. Gleiches trifft auf die Leistung seiner Kollegen zu. Kein Wunder also, dass die Menge von Anfang an gut mitgeht, während David Vincent mit seiner arrogant-maskulinen Art den Jubel des Publikums sichtlich genießt. Die gute Stimmung zieht sich durch das ganze Set und spätestens bei Hits wie „Maze Of Torment“ gibt es kein Halten mehr – auch wenn, ehrlich gesagt, die ewigen „Oooooohhhh“-Spielchen irgendwann nerven.
Was den Sound angeht, gibt es nur kleinere Mängel: Bis auf auf die Becken sind alle Intrumente klar zu hören, wobei das Problem aber mit der Halle an sich zu tun haben könnte – Nile und Kreator haben nämlich ähnliche Schwierigkeiten. Halb so wild, denn das Songmaterial dieser Band lässt sowieso keine Fragen offen: Bei Knallern wie „Rapture“, „Chapel Of Ghouls“ oder das doomig-zähe „God Of Emptiness“ steht jedem Death-Metaler ein Grinsen ins Gesicht geschrieben.
Gitarrist Trey Azagthoth scheint beim Zocken seiner extrem abgefahrenen wirren Solos in ganz anderen Sphären zu schweben: Sein Blick geht zu keiner Sekunde in Richtung Zuschauer – vielmehr widmet er alle Aufmerksamkeit seinem Instrument. Es läuft also ziemlich genau so ab, wie es die Fans von den Männern aus Florida kennen und schätzen. Doch leider kommen sie diesmal nicht an ihren mächtigen Auftritt im letzten Jahr heran; und auch den direkten Vergleich zu Obituary (die hier eine Woche zuvor gespielt haben) verlieren sie knapp. Trotzdem spielen MORBID ANGEL immer noch in der allerhöchsten Liga – soll heißen, es war (wie immer) richtig geil.
[Michael H.]

Setlist MORBID ANGEL
01. Immortal Rites
02. Fall From Grace
03. Rapture
04. Pain Divine
05. Maze Of Torment
06. Existo Vulgoré
07. Nevermore
08. Lord Of All Fevers And Plague
09. Chapel Of Ghouls
10. Dawn Of The Angry
11. Where The Slime Live
12. Bil Ur-Sag
13. God Of Emptiness


Nach dem mehr als amtlichen Auftritt von Morbid Angel wird dem Publikum etwas Zeit gelassen, sich zu erfrischen – dauert die Umbaupause für KREATOR doch auch heute etwas länger als normal. Das hat bei der Thrash-Legende durchaus Tradition – legen Mille Pertrozza und seine Mannen doch großen Wert auf ein stimmiges Bühnenbild.
Nach dem als Konzertintro bislang noch nicht gehörten „Personal Jesus“ von Depeche Mode geht es schließlich los – fast jedenfalls. Was folgt, ist nämlich zunächst eine Videodarbietung auf dem vor der Bühne herabgelassenen Vorhang, in welchem die Geschichte der Thrash-Veteranen von Album zu Album dargestellt wird. Nett, aber definitiv zu lang.

Als der Vorhang schließlich zu den ersten Klängen von „Phantom Antichrist“ fällt, halten sich positive wie negative Eindrücke die Waage: Denn so gelungen das Bühnenbild, so misslungen ist der Sound. Denn während sich das Quartett vor einer komplett Ausstaffierten Bühne inklusive beidseitig begehbarem Podest und vier dem aktuellen Albumcover nachempfundenen Zombie-Pferdebüsten abrackert, kommt aus den Boxen zunächst deutlich zu viel Bass und zu wenig Gitarre. Ganz normal bei den ersten Songs, mag man denken, und damit sicher auch nicht falsch liegen – allein, es verstreicht gut ein Drittel der Show, bis man von einem eingepegelten Sound reden kann.
Spätestens dann jedoch gibt es kein Halten mehr und das Publikum feiert KREATOR bedingungslos ab – mit lautem Beifall, Mosh- und Circlepits sowie eifrigen Crowdsurfern.
Bei der Setlist, die die Essener heute dabei haben, ist das jedoch auch kein Wunder: Von Klassikern wie „Extreme Aggression“ über Evergreenes wie „People Of The Lie“ oder „Enemy Of God“ bis hin zu den Hits der aktuellen Platten, „Hordes Of Chaos“ und „Phantom Antichrist“, ist hier wirklich alles vertreten. Auch machen KREATOR sich heute durch große Spielfreude beliebt: Von den ehrlich begeistert wirkenden Ansagen ganz abgesehen, spricht auch die Spielzeit Bände: Nach einer guten Stunde ist man erst am Ende des regulären Sets angekommen – was folgt, ist eine wahre Zugaben-Armada aus ganzen sechs Stücken, deren Ende in guter Tradition „Flag Of Hate“ und „Tormentor“ bilden.

Setlist KREATOR
— Personal Jesus
&nbsp&nbsp&nbsp(Intro, Depeche Mode)
— Mars Mantra (Intro)
01. Phantom Antichrist
02. From Flood Into Fire
03. Enemy Of God
04. Phobia
05. Hordes Of Chaos
&nbsp&nbsp&nbsp(A Necrologue For The Elite)
06. Civilization Collapse
07. Voices Of The Dead
08. Extreme Aggression
09. People Of The Lie
10. Death To The World
11. Coma Of Souls / Endless Pain
12. Pleasure To Kill

13. The Patriarch
14. Violent Revolution
15. United In Hate
&nbsp&nbsp&nbsp(incl. Akustik-Intro)
16. Betrayer
17. Flag Of Hate
18. Tormentor

Wer als Thrash- oder Death-Metal-Fan heute zu Hause geblieben ist, dem kann man es wohl gar nicht recht machen. Viel stärker besetzt als das bei dieser Tour kann ein Billing in diesem Sektor jedenfalls kaum sein: Schon für sich genommen sind KREATOR wie auch der Co-Headliner MORBID ANGEL eigentlich immer ihr Geld wert – zusammen jedoch, und mit NILE um eine weitere starke Liveband ergänzt und mit einer zusätzlichen Vorband komplettiert, kann man ohne Übertreibung von einem legendären Lineup sprechen.
Sieht man vom anfänglich arg misslungenen Sound bei KREATOR ab, hält Tourpackage auch voll und ganz, was es verspricht – die volle Thrash- / Death-Breitseite.
[Moritz Grütz]

Konzertfotos von: Thomas Meyns, Moritz Grütz

Publiziert am von Michael und

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