Konzertbericht: Korn w/ Spiritbox

Als SPIRITBOX um 20:00 Uhr die Bühne betreten, fällt zunächst auf, dass hier wohl ausschließlich die Musik im Mittelpunkt stehen soll: Statt in aufwendigen Bühnen-Outfits präsentieren sich die Musiker wie auch Fronterin Courtney LaPlante in schlichtem Gewand. Schade ist allerdings, dass die Musik der Band genauso „casual“ klingt: Ein „emotional one“ ist nicht von einem harten Song zu unterscheiden, der Klargesang klingt so austauschbar wie die Screams monoton. So werden auch 45 Minuten zu Stunden – und vom Hype „da draußen“ ist im Publikum hier und heute auch wenig zu bemerken. Auch vom Stageacting her lassen SPIRITBOX noch viel Luft nach oben: Von einer aufstrebenden Band, die vor einer Legende wie Korn eröffnen darf, wäre doch etwas mehr Engagement zu erwarten.

So wirkt der in sich schon wenig dynamische Modern Metal der Truppe leider trotz der häufigen Wechsel zwischen Klargesang und Screams sehr statisch – nicht zuletzt, weil auch SPIRITBOX mit der Backingtrack-Seuche infiziert sind: Nicht unwesentliche Teile der Musik sind mitnichten live, sondern werden gesamplet. Der Verdacht drängt sich schon bei der einen Gitarren auf, die hier für drei ballert – und sollte LaPlante wirklich so spielend und ohne jede Anstrengung zwischen Screams und Growls hin und her wechseln können, sollte die Frau definitiv Gesangslehrerin werden. Zumal sie offenkundig auch bauchreden kann: Trotz einiger offensichtlich verpasster Einsätze erklingt jeder Vers exakt, wo er hingehört. Bei aller Liebe zu modener Technik: Eine solche Playback-Party als Liveshow zu verkaufen, ist schlicht peinlich.

Eine ganz andere Stimmung herrscht hingegen bereits in der halbstündigen Wartezeit auf den Headliner: Als der ikonische Mikrophonständer aus der Werkstatt von HR. Giger – noch verhüllt – auf die Bühne getragen wird, schallen „Ausziehen!“-Rufe durch den Saal. Und auch eine riesige LED-Wand, die zunächst Modul für Modul zusammengebaut und dann über die Bühne hinaufgezogen wird, weckt die Neugierde der Fans.

Just als auch vor der Halle ein heftiges Gewitter mit Blitz, Donner und Regen niedergeht, starten in der Halle KORN ihre Show – begleitet von einem auf die LED-Wände über und hinter der Bühne projezierten Gewitter. Tatsächlich ist das gut drei Meter hohe und die gesamte Bühnebreite einnehmende Leuchtmittel das zentrale Element der Produktion: Mehrfach im Set wird sie herabgelassen, sodass die Musiker nurmehr schemenhaft durch das illuminierte Metallkonstrukt zu sehen sind, über das derweil Animationen flimmern.

Viel Metall, viel LED – wer damals dabei war (oder sich durch YouTube gewühlt hat), wird sich davon an Musikvideos der 1990er-Jahre erinnert fühlen. Und tatsächlich gibt es wohl keine Band, die diesen Vibe so authentisch wiederbelebt wie KORN. Das liegt zum einen natürlich daran, dass die Truppe um Jonathan Davis ihren Sound nie grundlegend verändert hat, und heute zudem ein überraschend „old-schooligs“ Set zusammengestellt hat: Je älter ein Album ist, desto mehr Songs davon stehen heute auf dem Zettel: Gerade einmal sechs Songs aus diesem Jahrtausend stehen elf ’90er-Jahre-Tracks gegenüber: je zwei von „Issues“ und „Follow The Leader“, drei von „Life Is Peachy“ und ganze vier vom selbstbetitelten Debüt aus dem Jahr 1994.

Um den ’90s-Vibe komplett zu machen, tragen KORN ihre Liebe zur damaligen Trendmarke Adidas offener zur Schau denn je – kein Wunder, hat die Band doch erst im April ihre zweite Kollektion mit Adidas Originals gelauncht. Von den Schuhen über die Socken, Hosen (bei Davis in grüner Paillettenoptik, 188 €) und Jacken (367 €) bis hin zu den Gitarren (unbezahlbar) ist so ziemlich alles mit den charakteristischen drei Streifen markiert. Und natürlich darf im Set auch „A.D.I.D.A.S.“ nicht fehlen – dessen Titel zwar ein Akronym für „All Day I Dream About Sex“ ist, aber schon damals als Referenz auf die Marke verstanden werden wollten.

Dass sich die Musiker in ihrer Gewandung wie auch – trotz brutaler Hitze – auf dieser Bühne pudelwohl zu fühlen scheinen, macht dann auch leicht wett, dass die Gitarren zunächst deutlich zu leise abgemischt sind: „Coming Undone“ mengen KORN ein wenig von Queen’s „We Will Rock You“ bei, „Shoots And Ladders“ dafür ein paar Takte aus Metallicas „One“ – und nicht nur einmal muss Drummer Ray Luzier mit seinem Einsatz darauf warten, dass die Kollegen an den Gitarren fertiggejammt haben. Und spätestens, als Jonathan Davis den Dudelsack auspackt, ist sowieso jeder im Zenith happy – da darf der Mann zwischendurch auch gerne an den Sauerstoff. Wennschon man das bei KORN vornehmlich aus den frühen 2000ern kennt …

Dass KORN ohne neues Album auf Tour kommen, hätte stutzig machen können. Dass die Amerikaner die Gelegenheit für ein Oldschool-Set nutzen würden, war unterdessen nicht abzusehen. Was für in etwa die Hälfte des Publikums wie aus einer anderen Welt zu kommen scheinen dürfte, ist für die andere eine sentimentale Reise in die eigene Jugend. Doch wie dem auch sei: Glücklich wirken nach rund 90 Minuten alle.

Publiziert am 17. August 2024 von Moritz Grütz

Fotos von: Afra Gethöffer-Grütz