Die Euphorie über die Rückkehr von Konzerten ist allgemein groß – das Angebot aber auch. So erlebt man nach den ersten ausverkauften Konzerten auch erste Shows, für die sich das Publikumsinteresse in Grenzen hält. Selbst an einem Samstagabend werden darum die Touren von END (mit CONJURER) und KING810 (mit drei Supportbands) in der Backstage Halle zusammengelegt.
Zumindest finanziell gesehen ist der Deal fair: Für 25€ an der Abendkasse gibt es sechs Bands zu sehen … so man musikalisch einigermaßen aufgeschlossen ist. Denn dass „hart“ nicht gleich „hart“ ist, wird schnell klar: Wennschon beide Tourpackages harten Stoff zu bieten haben, passen die Bands doch nur mäßig gut zusammen.
Den Anfang machen um 17:50 Uhr BORN A NEW, die aufgrund des frühen Beginns noch vor recht wenig Fans auftreten müssen. Dass die Anwesenden sich vornehmlich im hinteren Hallenteil aufhalten, gibt anderen die Möglichkeit, zum gebotenen Hardcore raumgreifend zu tanzen. Der etwas klischeehafte Hardcore des Quartetts eignet sich dafür durchaus: Zwar fehlt es BORN A NEW an wirklichen Abgeh-Momenten, funktionieren aber quasi als ein einziger, langer Breakdown auf Groove-Basis ganz gut. Nach 30 Minuten ist wieder Schluss – es ist aber auch alles gesagt.
Nur zehn Minuten später erklingt ein Intro-Sample aus „Nightmare Before Christmas“ – damit ist der Höhepunkt der folgenden Show von YAVID jedoch auch schon erreicht. Unter dem Projektnamen steht hier King-810-Sänger David Gunn alleine auf der Bühne und rappt zu Tracks (inklusive Gesang!) vom Band. Davon abgesehen, dass eine Hip-Hop-Show gerade aus dem zusammengelegten Tour-Billing ziemlich heraussticht und entsprechend nur bei einigen Die-Hard-King-810-Fans Interesse weckt, wirkt Gunn mit dem Rappen reichlich überfordert. Das liegt zum einen daran, dass er beim Singen mit dem Atmen kaum hinterherkommt, zum anderen, dass er eher für den mitfilmenden Roadie als für das Publikum zu performen scheint. Dass die Reaktionen darauf reichlich verhalten ausfallen, wundert wohl niemanden. Immerhin: Für YAVID waren auch nur 20 Minuten Showtime eingeplant.
Mit CONJURER ist – nach kurzem Bühnenstromausfall pünktlich zum Showbeginn – um 19:15 Uhr die erste Band aus dem anderen Tourtross dran. Das ist auch stilistisch schnell herauszuhören: Der technisch versierte, düster-wuchtige Hardcore der Briten, die eben erst mit Celeste auf Europa-Tour waren, steht zur eben gesehenen Rap-Show wie auch den anderen, modernen Bands der King-810-Tour in krassem Kontrast. CONJURER setzen auf eine klassische Live-Darbietung und die Wucht einer perfekt eingespielten Band. Bei perfekten Soundbedingungen kommt die technische Komponente der Songs voll zur Geltung. Zumindest der Metal-affiniere Teil des Publikums respektive der Teil, der mit einem Ticket für END/CONJURER hier ist, geht entsprechend ab. Spätestens, als Bassist Conor Marshall zum letzten Song mitsamt Bass in den Pit geht und dort weiterspielt, kocht die Halle. Auch hier reichen 30 Minuten Showtime voll aus – allerdings eher, weil im wilden Moshpit sonst eventuell schon bei der dritten von sechs Bands alle Energie aufgebraucht gewesen wäre.
Nach umfangreichem Umbau geht es um 20:10 Uhr mit CABAL aus dem King-810-Tourtross weiter. Dazu passend geht es zurück zu modernem Sound für die junge Generation. Angeführt von Kurt-Cobain-Lookalike Andreas Paarup setzen CABAL voll auf Bombast: Mit Samples, Explosions, Backing-Tracks und Breakdowns geschwängert, ballert der Deathcore der Dänen maximal aggressiv aus den Boxen – so aggressiv, dass man schon bald abstumpft: Für Nicht-Fans ist auch der neue Song, der heute erstmalig live performt wird, in nichts vom restlichen Geballer zu unterscheiden. Für einen wilden Moshpit eignet sich die Show allemal … und nach nur 25 Minuten ist der Spuk wieder vorbei. Die Reaktionen des gegenüber der Conjurer-Show größtenteils durchgetauschten Publikums lassen jedenfalls keinen Zweifel: CABAL treffen einen Nerv – wenn auch mit dem Presslufthammer.
Mit END steht nun der erste der beiden Headliner des heutigen Spezial-Konzerts auf der Bühne – wer erwartet, dass sich das auch in der Spielzeit widerspiegelt, ist jedoch falsch gewickelt: Knappe 35 Minuten benötigt die erst 2017 gegründete Formation um Counterparts-Frontmann Brendan Murphy, um das Backstage auseinanderzunehmen. Dabei setzen END – wie schon Conjurer – auf die klassischen Tugenden einer Hardcore-Band: Laute Verstärker und extreme Spielfertigkeit. Will Putney (Fit For An Autopsy) und Gregory Thomas spielen sich an den Gitarren die Finger heiß, ohne einer Melodie auch nur nahezukommen – und auch der Rest der Band hält sicheren Abstand zu Melodik. Mit ihrer maximalen Chaos-Agression erinnern einige Parts an The Dillinger Escape Plan – ohne jedoch die griffigen Einwürfe oder den Klargesang. Auch die Härte des Moshpits vor der Bühne ist vergleichbar. Dass bei einem Konzert wie diesem Getränke in Glasflaschen ausgegeben werden, ist mehr als fahrlässig: Immer wieder müssen aufmerksame Fans Scherben aus dem Pit kicken, um Verletzungen beim steten Schubsen und Fallen zu verhindern. Zwar ist auch hier noch erkennbar, dass beide Touren ein unterschiedliches Klientel anziehen – nicht nur im kurzen Gastauftritt von King-810-Bassist Eugene Gill als Sänger bei „Pariah“ ist aber zu erkennen, dass END sich in das heutige Programm besser einfügen als zuvor Conjurer.
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Fear For Me Now
- Pariah
- Love Let Me Die
- Chewing Glass
- Usurper
- Eden Will Drown
- Sands Of Sleep
- Covet Not
- Hesitation Wounds
- Absence
- From The Unforgiving Arms Of God
- Necessary Deat
Warum genau KING 810 ihre Fans im Anschluss volle 45 Minuten warten lassen, ehe die letzte Show des Abends beinnt, ist unklar – zumal der Umbau in wenigen Minuten erledigt ist. Als KING 810 die Bühne um 22:15 Uhr endlich betreten, ist der Ärger darüber schnell vergessen – so speziell, und im atmosphärisch besten Sinne unangenehm ist, was die Amerikaner ihren Fans bieten: Wirkte David Gunn bei Yavid noch wie ein Möchtegern-Eminem ohne jedwedes Charisma, verwandelt er sich unter dem Kostüm für KING 810 zu einem so faszinierenden wie abschreckenden Charakter, der heult und schreit, sich auf der Bühne windet und wie in Trance gestikuliert. Dazu liefern seine drei Mitstreiter – teilweise hinter Königsmasken verborgen – einen bitterbösen, düster-wuchtigen Sound zwischen Nu-Metal und Noise, der von einem fetten Bass-Sound geprägt und durch Samples und Explosions weiter angefettet wird. Dass das nicht jedermanns Sache ist, ist klar. So dünnt das Publikum einerseits merklich aus, andererseits liefern sich die Fans der Band im Pit einen maximal aggressiven Pit-Fight inklusive Spinkicks und Windmill. Davon wie vom Stil der Band kann man halten, was man mag – ein nachhaltig beeindruckendes Erlebnis ist diese Darbietung im Gesamten allemal.
Wer musikalisch aufgeschlossen ist, kann bei der heutigen Tourzusammenlegung von END/CONJURER und KING 810/CABAL/YAVID/BORN A NEW durchaus auch spannende neue Bands entdecken – im Großen und Ganzen wirkt es jedoch nicht so, als würden viele Fans die Zusammenlegung feiern. Das zumindest lässt sich an der sehr konsequenten Durchwechslung des Publikums bei CONJURER und END, sowie der sich nach END merklich leerenden Halle ableiten. Von den stilistischen Unterschieden abgesehen, schwankt auch die Qualität der Darbietungen – Gewinner des Abends sind auf alle Fälle END, die neben ihren eigenen Fans auch den einen oder anderen King-810-Fan für sich gewinnen konnten. Die spannendste Show hingegen liefern letztere ab: Eine derart bedrückende, subtil-aggressive Atmosphäre wie bei KING 810 bekommt man selten geboten. Respekt!