Konzertbericht: Katatonia w/ Sólstafir, Som

01.02.2023 München, Backstage (Werk)

Eigentlich wollten SÓLSTAFIR und KATATONIA bereits im Januar 2022 auf Co-Headliner-Tour gehen – doch wie so viele andere erwies sich auch dieser Plan zur Rückkehr in die Normalität als zu optimistisch. So mussten sich Fans wie Bands schlussendlich noch ziemlich genau ein Jahr gedulden, ehe die Konzerte mit SOM als Support nun endlich stattfinden konnten.

SOM im Februar 2023 in MünchenNach dem für einen Mittwoch recht zeitigen Einlass (18:00 Uhr) beginnt der Konzertabend um 19:00 Uhr mit SOM aus den USA. Bestehend aus Mitgliedern von Caspian, Junius und Constants ist die Band in der Theorie weit bekannter sind als in der Praxis: Denn wenngleich das Backstage Werk bereits sehr gut gefüllt ist, wirkt es nicht so, als wären SOM irgendwem ein Begriff. So bleibt der Applaus zwischen den musikalisch wie auch in Sachen Lightshow düster inszenierten Songs eher verhalten – trotzdem können SOM um ihren sympathischen Fronter Will Benoit mit ihrem Mix aus kraftvollen Riffs und zartem Klargesang beim Publikum unverkennbar Interesse wecken. So ganz will der Post-Metal mit Alcest-Touch zwar nicht zünden – etwas Screaming zwischendurch hätte der Dynamik der Stücke eventuell gut getan –, dennoch können SOM mit diesem intensiven 30-Minuten-Auftritt einen guten Eindruck hinterlassen.

SÓLSTAFIR im Februar 2023 in München30 Minuten später sind SÓLSTAFIR an der Reihe und so, wie die Band schon zur Begrüßung bejubelt wird, ist der Co-Headliner-Status mehr als gerechetfertigt. Tatsächlich wäre auch die 75-minütige Performance der Isländer allein den ganzen Eintritt wert: Nach dem als Intro eingespielten „Nattfari“ starten SÓLSTAFIR ihr Set direkt mit „Náttmál“ – einem Zwölfminüter, der direkt klar macht, was heute zu erwarten ist: nur das Beste. Von Beginn an ist der Sound tadellos und die von der Band gewohntermaßen mit etwas künstlerischer Freiheit interpretierten Songs sind perfekt gewählt. Vor allem aber wirken SÓLSTAFIR selbst so enthusiastisch wie lange nicht: Manche Bands werden über die Jahre bis zur Lustlosigkeit hin routiniert – bei den vier Isländern hingegen hat man eher das Gefühl, sie tauen auf. Aðalbjörn „Addi“ Tryggvason unternimmt mehrfach Ausflüge ins Publikum, in den Graben oder auch – balancierend – auf die Absperrung des Grabens, Svavar Austmann lässt die roten Zöpfe fliegen und selbst im Gesicht des sonst so stoischen Sæþór Maríus Sæþórsson meint man von Zeit zu Zeit den Anflug eines Lächels erkennen zu können.

SÓLSTAFIR im Februar 2023 in MünchenVon so viel Hingabe getragen, tut es der Atmosphäre auch keinen Abbruch, dass Addi heute ein paar mal öfter als sonst die Stimme wegbricht: Seit jeher zählt bei SÓLSTAFIR die Emotion mehr als die Technik. Und an Emotionen mangelt es diesem Set wahrlich nicht: Ob „Köld“, „Fjara“, „Ótta“ oder das finale „Goddess Of The Ages“ … ein Hit folgt hier auf den nächsten. Nicht zuletzt, weil SÓLSTAFIR sich fast ausschließlich auf ihre frühen Alben konzentrieren: Das aktuelle Album „Endless Twilight Of Codependent Love“ (2020) wird einzig durch „Rökkur“ repräsentiert, „Berdreyminn“ (2017) bleibt gar gänzlich außen vor. Stattdessen verstecken SÓLSTAFIR mit „Bloodsoaked Velvet“ sogar noch eine echte Rarität im Set: Der Song vom 2005 erschienenen „Masterpiece Of Bitterness“ wurde noch keine zehn Mal live gespielt! Dass Addi mit dem letzten Song auch gleich ein Meet&Greet am Merchstand nach der Show ankündigt, rundet den Gesamteindruck des Auftritts ab: Sympathischer und engagierter geht es nicht.

SÓLSTAFIR im Februar 2023 in München
SÓLSTAFIR im Februar 2023 in München;

 

  1. Náttmál
  2. Köld
  3. Melrakkablús
  4. Bloodsoaked Velvet
  5. Rökkur
  6. Fjara
  7. Ótta
  8. Goddess Of The Ages

KATATONIA im Februar 2023 in MünchenWährend sich die Sólstafir-Fans Autogramme und Fan-Fotos holen, wird die Bühne komplett leer geräumt: Bis auf das Drumkit ist kein Equipment mehr zu sehen, als KATATONIA um 21:45 Uhr die Bühne betreten. War es bei Sólstafir verhältnismäßig hell, setzen die Schweden nun wieder eher auf das „Som-Konzept“: Das Frontlicht bleibt aus, bloß etwas vornehmlich grüner Schimmer von hinten sorgt für im wahrsten Sinne des Wortes düstere Atmosphäre. Auch das restliche Showkonzept könnte nicht unterschiedlicher sein: Dem Draufgänger Addi steht bei KATATONIA Jonas Renkse gegenüber, der stets wirkt, als wolle er nicht nur sein Gesicht, sondern am liebsten seine ganze Existenz hinter seinen Haaren verbergen. Und anders als Sólstafir setzen KATATONIA den Fokus voll auf ihr neues Album – im Gegensatz zu den Isländern befinden sich KATATONIA derzeit aber auch auf einem kreativen Höhepunkt.

KATATONIA im Februar 2023 in MünchenSo erweisen sich die fünf Songs von „Sky Void Of Stars“ (allen voran „Opaline“ und „Atrium“) wie auch die zwei vom Vorgänger „City Burials“ (2020) als echte Highlights. Dank ebenfalls 75-minütiger Spielzeit bleibt dennoch genug Zeit für Klassiker: Drei Stücke von „The Great Cold Distance“ (2006) etwa, „Evidence“ von „Viva Emptiness“ (2003) und, natürlich, auch „Forsaker“ – den Hit von „Night Is The New Day“ (2006). Anders als bei Sólstafir braucht es nun zwar ein, zwei Songs, ehe der Sound gut eingepegelt ist und die Gitarren zu hören sind – dann gibt es aber weder an Sound noch an der Performance etwas kriteln. Letzteres ist insofern bemerkenswert, als KATATONIA ohne ihren Mastermind Anders Nyström alias Blakkheim unterwegs sind: An seiner statt steht Nico „Dyngwie“ Elgstrand, ehemals Entombed und Entombed A.D., als Gitarrist auf der Bühne – ein Fakt, der von vielen Fans allerdings nicht nur wegen der Lichtbedingungen, sondern auch aufgrund seiner lupenreinen Performance unbemerkt bleiben dürfte.

  1. Austerity
  2. Colossal Shade
  3. Lethean
  4. Deliberation
  5. Birds
  6. Behind The Blood
  7. Forsaker
  8. Opaline
  9. Buildings
  10. My Twin
  11. Atrium
  12. Old Heart Falls
  13. Untrodden
  14. July
  15. Evidence

Dass schon wieder 75 Minuten um sind, als das finale „Evidence“ verklingt, ist in Anbetracht dieser kurzweiligen Darbietung kaum vorstellbar – wie auch der Umstand, dass dieser grandiose Konzertabend damit bereits sein Ende findet: Ein musikalisch besser aufeinander abgestimmtes Tour-Package, in sich stimmigere Shows und damit alles in allem einen gelungeneren Konzertabend muss sich das Jahr 2023 erst noch einfallen lassen.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert