Konzertbericht: Kanonenfieber /w Panzerfaust

03.12.2024 Oslo, Rockefeller (John Dee)

Man kann über KANONENFIEBER denken, wie man mag – aber von einem Strohfeuer kann man bei den Bambergern wahrlich nicht mehr sprechen. Im Gegenteil: Auf den Hype um das Debüt „Menschenmühle“ (2021) feierten KANONENFIEBER mit ihrem zweiten Album „Die Urkatastrophe“ weitere Erfolge: einen Major-Label-Deal, eine Europatour im Vorprogramm von Amon Amarth und, als krönenden Abschluss des Jahres, die erste eigene Headliner-Tour

Auch diesen Meilenstein passieren KANONENFIEBER im Laufschritt: Als wäre es das Normalste der Welt, dass Deutsche in Uniformen überall in Europa mit offenen Armen empfangen werden, sind fast alle Shows komplett, die restlichen zumindest beinahe ausverkauft. Selbst in Norwegen, der stolzen Heimat des Black Metal, lockt das Package aus KANONENFIEBER und PANZERFAUST noch gut 400 Fans ins John Dee – eine der kleinsten Venues der Tour.

Mit PANZERFAUST gibt es als Vorprogramm gleich ein Highlight für sich. Eben erst haben die Kanadier mit dem vierten und letzten Teil ihres „The Suns Of Perdotion“-Zyklus gezeigt, was sie atmosphärisch auf Platte können. Die Live-Inszenierung jedoch hebt das nochmal auf ein anderes Level. Bemerkenswert ist schon das Konzept, das Schlagzeug vorne und Sänger Goliath dahinter zu platzieren: Bei seiner imposanten Statur reicht es völlig aus, dass er dort mit dreckverschmierter Maske steht, um eine beklemmende Atmosphäre zu erzeugen. Dazu liefern PANZERFAUST aber auch musikalisch herausragendes: Mit nur einer Gitarre, dafür aber extrem groovigem Drumming klingen die Songs zugleich roh und griffig. Dabei profitieren PANZERFAUST aber auch enorm vom perfekten Sound im John Dee, der die Songs extrem druckvoll klingen lässt, ohne die Feinheiten im Songwriting der Kanadier zu verschlucken. Dass nach „nur“ 45 Minuten schon wieder Schluss ist, ist fast schade: Diese Band hätte atmosphärisch wie auch musikalisch auch für ein deutlich längeres Set genug zu bieten.

01. The Day After Trinity
02. The Hesychasm Unchained
03. Occam’s Fucking Razor
04. The Far Bank At The River Styx
05. Promethean Fire

In Windeseile wird die Bühne anschließend in ein Schlachtfeld verwandelt. Die (im wahrsten Sinne des Wortes) ganz großen Geschütze fahren KANONENFIEBER außerhalb Deutschlands zwar nicht auf – auch ohne Kanonen und Feuer ist der Gesamteindruck dank Stacheldraht und Sandsäcken absolut stimmig. Das Hauptaugenmerk liegt aber eh auf der Band, die sich jeweils thematisch zum Text in passender Uniform präsentiert. Dass KANONENFIEBER in den letzten Jahren keine Auftrittsmöglichkeit ausgelassen haben, macht sich bezahlt: Das Stageacting ist grandios inszeniert – aber auch die Outfitwechsel zwischen den Themenblöcken sind perfekt choreografiert.

Nicht ganz so überzeugend ist indessen der Sound, was ganz konkret an der technischen Umsetzung der Gitarrenverstärkung liegt: Gegenüber dem fetten, druckvollen Sound, den Panzerfaust mit nur einer Gitarre, dafür aber Verstärkern und Boxen auf der Bühne kreierten, klingt der simulierte Gitarrensound bei KANONENFIEBER sehr dünn und für Musik und Atmosphäre entschieden zu steril. Das ist schade, aber – so ehrlich muss man sein – irgendwie auch egal. Denn wirklich relevant ist bei KANONENFIEBER, neben dem so brachialen wie präzisen Drumming von Trommler Hans, sowieso vornehmlich Noise, der das Publikum mit entsprechender Gestik von der ersten Minute an abholt und mitreißt.

Dass selbst in einem Club in Norwegen schon beim ersten Song hunderte Fans „Deutschland, Deutschland, Kaiserreich“ schreien, sagt eigentlich alles – aber auch der wilde Moshpit ab der wirklich energiegeladenen Darbietung von „Grabenlieder“ oder diverse „Hey!“- oder wahlweise „Ahoi!“-Rufe (im maritimen Themenblock) lassen keinen Zweifel daran, dass KANONENFIEBER hier auf Siegeszug sind – wennschon Noise als Tod in der finalen „Ausblutungsschlacht“ weder Mitmusiker noch Fans verschont, ehe die Band nach 75 Minuten Mann für Mann gemäßigten Schrittes abgeht.

01. Grossmachtfantasie
02. Menschenmühle
03. Sturmtrupp
04. Der Füsilier I
05. Grabenlieder
06. Der Maulwurf
07. Panzerhenker
08. Kampf und Sturm
09. Die Havarie
10. Die Feuertaufe
11. Lviv zu Lemberg
12. Waffenbrüder
13. Ausblutungsschlacht

Man kann, wie schon eingangs geschrieben, über KANONENFIEBER denken, wie man mag – aber Fakt ist: Keine Band im Metal inszeniert ihr Konzept derzeit stimmiger. In diesem Kontext erfüllen selbst die mit dem Holzhammer (bzw. Klappspaten) komponieren Mitsing-Nummern wie „Der Maulwurf“ ihren Zweck – wennschon die musikalisch stärksten Songs im Set nach wie vor vom Debüt-Album stammen. Sofern man sich nicht daran stört, dass natürlich auch KANONENEFIEBER – wie all die anderen Show-Bands im Metal – aus der Kriegsthematik in erster Linie Entertainment machen, kann man vor der Truppe nur den Hut ziehen.

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