Mit seinem Cover-Album „Songs From The Bottom Vol. 1“ und einigen Blumfeld-Klassikern im Gepäck tourt JOCHEN DISTELMEYER aktuell durch deutsche Clubs. Im Rahmen der insgesamt 14 April-Termine führte ihn der Weg am Samstag, den 16. April 2016 in die Augsburger Kantine. Ohne Support und ausschließlich mit einem Musikerkollegen auf der Bühne sollte es ein intimer, weitgehend ruhig-emotionaler, aber dadurch nicht weniger intensiver Abend werden.
Mit circa zehn Minuten Verspätung und einer kurz-knackigen Begrüßung, beginnt das Konzert mit „On The Avenue“, das ursprünglich von Aztec Camera stammt. Im Anschluss wandte sich JOCHEN DISTELMEYER erstmals mit längerer Rede an das Augsburger Publikum. Dabei zeigte er seinen vom Norddeutschen geprägten Humor und kündete mit „Tragedy“ einen Song der Bee Gees als männliche Masturbationsphantasie an. Auch Frauen hätten natürlich solche Gedanken und deshalb gehört seiner Meinung nach „I Love Myself“ von Hailee Steinfeld auch auf den Index. Natürlich nicht ohne ein süffisantes Augenzwinkern. Die musikalische Darbietung ist gemäß den Albumversionen eine minimalistische, die lediglich durch akustische Gitarre und Keyboard geprägt ist. Zu „Take The Long Way Home“ kündigt er an, dass es trotz dieses Supertramp-Songs kein Bad-Taste-Abend werden wird und spielt mit den Zuschauern ein Spiel, der den Namen der britischen Rockband neu intoniert. Diese „Geister, die ich rief“, wie der Musiker es später selbst benennt, werden im Verlauf des Konzertabends zum Running Gag avancieren.
Ein erstes Highlight des Abends bildet ausgerechnet das Britney-Spears-Cover „Toxic“, von dessen Intensität sich die Originalkünstlerin zu ihrer Hochzeit durchaus eine beachtliche Scheibe hätte abschneiden dürfen. Das anschließende „Pyramid Song“ von Radiohead wird in direkten Kontext zur giftigen Sirene aus dem US-amerikanischen Popsektor gestellt, da sich DISTELMEYER zur Zeit seiner Buchlesungen vorstellte wie einen ebendiese mystischen Wesen in die tiefe See locken und es kein Entrinnen gibt. Das Schaulaufen privater Lieblingssongs und prägender Stücke bewegt sich über Nick Lowes „I Read A Lot“, Adamskis „Killer“, das zu Blumfeld-Zeiten ihre erste Cover-Version gewesen ist, bis hin zu einer brüchig-sensiblen Version von Lana Del Reys „Video Games“. Die wohl beste Inszenierung des Abends ist aber mit Abstand die des Aviici- und Nicky-Romero-Titels „I Could Be The One“, die von hypnotischen Gitarrenmelodien und monotonen Fußstampfen begleitet wird. Mit „Let’s Stay Together“ und „Bittersweet Symphony“ wird dieser erste Teil des Sets wenig spektakulär, aber in qualitativer Art beendet.
In der zweiten Hälfte präsentierte JOCHEN DISTELMEYER diverse Blumfeld-Titel und ältere Solostücke, die mit dem Herzschmerz-Song „Tausend Tränen tief“ äußerst gefühlvoll beginnt und auch das Publikum abermals zum intensiven Mitsingen animiert. Das positiv-kämpferische „Wir sind frei“ entfaltet in diesem Kontext nochmal weitaus mehr Potential und ist, auch 13 Jahre nach Erscheinen, aktueller denn je. „Kommst du mit mir in den Alltag“ und „Murmel“ liefern ein verspielt-ruhiges Ende der offiziellen Setlist, die dem Augsburger Publikum einen, dem künsterischen Wert des Abends entsprechenden, nahezu frenetischen Applaus nach sich ziehen. Mit Zigarette gewappnet betritt der gebürtige Bielefelder ein weiteres Mal die Bühne. Den Wunsch der Zuschauer nach Tabakgenuss schmettert er mit einem grinsenden „Das fällt unter künsterlische Freiheit“ ab, bevor er den Titel „April“ als kompositorisches Eigentor bezeichnet, da man diesen eben nur in diesem Monat spielen könnte. Das abschließende Beatles-Stück „Free As A Bird“ verkommt dabei fast nur noch zu Stückwerk, steht den vorangehenden zwei Stunden aber in nichts nach. „Ihr wart spitze, Augsburg! Auf Wiedersehen!“ Kurz und äußerst zufrieden wirkend verabschiedet sich DISTELMEYER aus der bayerisch-schwäbischen Hauptstadt.
- On The Avenue
- Tragedy
- Take The Long Way Home
- Toxic
- Pyramid Song
- I Read A Lot
- Shot In The Arm
- Killer
- Video Games
- I Could Be The One
- Let’s Stay Together
- Bittersweet Symphony
- Tausend Tränen tief
- Ich – Wie es wirklich war
- Wir sind frei
- Jenfeld Mädchen
- Kommst du mit mir in den Alltag
- Murmel
- April
- Free Like A Bird
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JOCHEN DISTELMEYER ist Künstler und Musiker durch und durch. Diese Qualität war auch den Interpretationen persönlicher Favoriten einiger Jahrzehnte als Musikfan und den abgespeckten Versionen eigener Blumfeld- und Solo-Kompositionen deutlich anzumerken. Ein ruhiger, weitestgehend melancholscher und doch humorvoller Abend hinterließ auf seine ganz eigene Art ein zufriedenes Publikum, das dem Singer-Songwriter wohl auch in Zukunft treu bleiben wird. Neben dem Gehör konnte dieser intime Konzertrahmen sicherlich auch das Herz einiger Zuschauer erreichen, was vor allem an der charismatischen Erscheinung des Singer-Songwriters festzumachen ist.