Konzertbericht: In Flames

29.09.2024 Athen (GR), Floyd

Unter dem Titel „Rising From The North“ haben sich mit IN FLAMES, Arch Enemy und Soilwork drei schwedische Metal-Größen zusammengetan, um zunächst in Großbritannien und anschließend quer durch Europa zu touren. Für IN FLAMES jedoch startet die Tour bereits vier Tage früher – mit zwei Headliner-Auftritten in Athen und Istanbul.

Der Begriff „Warm-up-Show“ bekommt hier eine ganz neue Bedeutung: Während in Zentraleuropa bereits der Herbst einzug gehalten hat, können die Schweden in Athen bei sommerlichen 31 °C am Anreisetag nochmal kräftig Sonne tanken, ehe es tags darauf im Floyd an die Arbeit geht.

Obschon der Showbeginn erst um 22:00 Uhr angesetzt ist, geht die Schlange der wartenden Fans schon Stunden vorher um den halben Häuserblock. Wirklich überraschend ist das nicht – ebenso wenig, dass die Venue mit ihrer Kapazität von nur rund 2.000 Plätzen schon vorab restlos ausverkauft ist. Denn obschon IN FLAMES weltweit schon über 1.800 Konzerte gespielt haben, sind sie heute erst zum dritten Mal überhaupt in Griechenland zu Gast.

Bereits direkt nach dem Einlass um 20:00 Uhr ist das Floyd proppenvoll. Dass davon keine Vorband profitieren darf, ist so unverständlich wie schade. Stattdessen ist zwei Stunden Warten angesagt. Was in Deutschland wahlweise zu hohem Blutdruck oder hohem Blutalkohol geführt hätte, erdulden die griechischen Fans stoisch. Selbst daran, dass das Licht nicht um Punkt 22:00 Uhr erlischt, stört sich scheinbar niemand. Ob es diese zusätzliche Trödelei wirklich gebraucht hätte, sei mal dahingestellt – mit den ersten Tönen von „Cloud Connected“ ist jeder Groll verflogen.

Zwar ist der Sound zunächst (zumindest in den vorderen Reihen des leicht ansteigenden und mit einem Balkon sogar zweistöckigen Saals) reichlich undifferenziert. Doch was man nicht von der Bühne hört, ergänzt kurzerhand das Publikum: Vom ersten Vers an singt ein beachtlicher Teil der Fans absolut textsicher mit. Kein Wunder – reihen IN FLAMES doch auch direkt Hit an Hit: Von „Reroute To Remain“ (2002) geht es weiter zu „Soundtrack To Your Escape“ (2004; „The Quiet Place“) und „Come Clarity“ (2006, „Take This Life“) … und spätestens jetzt haben IN FLAMES das Publikum für sich eingenommen. Von da an läuft alles wie an unsichtbaren Fäden geführt: Dass Anders Fridén sich prophylaktisch für etwaige Fehler ob des Tourauftaktes entschuldigt, gibt zwar weitere Punkte auf sein eh schon gut gefüllte Sympathie-Punkt-Konto, ist aber natürlich völlig unnötig. Schließlich stehen ihm und Björn Gelotte mit Drummer Tanner Wayne (seit 2018), Gitarrist Chris Broderick (seit 2019) und Bassist Liam Wilson (seit 2023) die wohl fähigsten Musiker in der Historie der Band zur Seite. Dass man die Sounds von Live-Keyboarder Niels Nielsen mitunter kaum hört, ist etwas schade – dass IN FLAMES diese nicht mehr nur samplen hingegen nach wie vor einer Erwähnung wert.

Dass die Produktion in Sachen Gimmicks und Lightshow bei dieser Flight-in-Show auf ein Minimum abgespeckt ist, wird durch die Nähe von Musikern und Publikum in der vergleichsweise kleinen Halle mehr als kompensiert: Hier zelebrieren Metal-Fans gemeinsam ihre Leidenschaft – und blickt man zwischen den Gesichtern auf und vor der Bühne hin und her, ist bisweilen schwer zu sagen, wer hier eigentlich gerade mehr Spaß hat. Anlass zur Freude bietet dabei auch die Setlist: In 19 Songs geht die Reise einmal quer durch die Diskografie – wobei beachtliche zwölf der insgesamt 14 IN-FLAMES-Alben mit mindestens einem Song Erwähnung finden. Gänzlich außen vor bleiben lediglich das Debüt „Lunar Strain“ (1994) sowie „Battles“ (2016). Neben unzähligen Standards, die in keinem IN-FLAMES-Set fehlen dürfen, sowie drei Stücken von „Foregone“ (2023) haben die Schweden auch einige Überraschungen im Gepäck – so etwa das seit 2017 nicht mehr gespielte „Trigger“ oder, als besonderes Schmankerl, „Coerced Coexistence“ von „Colony“ (1999), das IN FLAMES in diesem Jahr nach 15 Jahren Pause wieder ins Set genommen haben.

  1. Cloud Connected
  2. The Quiet Place
  3. Take This Life
  4. Deliver Us
  5. Paralyzed
  6. In The Dark
  7. Voices
  8. Graveland
  9. Food For The Gods
  10. Coerced Coexistence
  11. Trigger
  12. All For Me
  13. Meet Your Maker
  14. Only For The Weak
  15. State Of Slow Decay
  16. Alias
  17. The Mirror’s Truth
  18. I Am Above
  19. My Sweet Shadow

Dass die Show mit „My Sweet Shadow“ endet, spannt mit dem Opener „Cloud Connected“ einen schönen 2000er-Jahre-Bogen um diese insgesamt sehr ausgewogen zusammengestellte, vor allem aber mit viel Spielfreude präsentierte Show. So bestätigt sich live in jeder Hinsicht der Eindruck, den viele Fans schon durch „Foregone“ gewonnen hatten: Die schwachen Jahre sind vorbei. Und so unvergesslich intim die Atmosphäre im Floyd auch sein mag, steigert diese Show doch vor allem die Vorfreude auf die erwartbar bombastische Produktion der Co-Headliner-Shows auf der „Rising From The North“-Tour.

Arch Enemy - In Flames - Tour 2024

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Fotos von: Moritz Grütz

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