Zum nunmehr 13. Mal rollt die IMPERICON NEVER SAY DIE! TOUR durch Europa. Seit 2007 bietet sie kleinen und großen Bands in einem vielseitigen Package die Möglichkeit, die Bühnen Europas zu erobern und vor neuen Fans zu spielen. Auch in diesem Jahr wurden wieder aufstrebende Bands aus den verschiedenen Sparten des Cores verpflichtet, um den Fans ganze fünfeinhalb Stunden laute Musik um die Ohren zu schmettern. Das internationale Line-Up ließt sich dabei sehr vielversprechend: Die Amerikaner GREAT AMERICAN GHOST und KING 810, die beiden australischen Truppen ALPHA WOLF und IN HEARTS WAKE, die Briten OUR HOLLOW, OUR HOME und POLAR sowie die japanischen Headliner CRYSTAL LAKE sollten für einen durchweg gelungenen Abend im Zeichen der harten Musik stehen.
Zum allerersten Mal auf europäischem Boden starten die Bostoner GREAT AMERICAN GHOST am späten Nachmittag um 17:30 Uhr das Programm. Brachialer Hardcore schallt durch die Boxen und fette, todesmetallische angehauchte Riffs treffen auf mächtige Breakdowns. Ihr charismatischer Sänger Ethan Harrison wuselt von einem Ende der Bühne zum anderen und zieht vor allem aufgrund seiner irrwitzigen Mimik die Blicke auf sich. Das Publikum selbst ist der frühen Uhrzeit zu Grunde noch recht überschaubar und ebenso auch nicht sehr bewegungsfreudig. Zum fröhlichen Headbangen lassen sich dennoch einige Fans animieren und zumindest das hat sich die Band auch verdient: Denn ihr Auftritt ist musikalisch und soundtechnisch auf hohem Niveau und auch das Stageacting wirkt für einen Opener und Newcomer sehr professionell. So kann man nur hoffen, GREAT AMERICAN GHOST bald wieder in Europa begrüßen zu dürfen.
- No Saviour
- Altar Of Snakes
- Prison Of Hate
- Destroyer
- Socialized Animals
- Ann Arbor
Mit den Australiern ALPHA WOLF betritt einer der heißesten Newcomer der Core-Szene als zweites die Bühne. Im Frühjahr veröffentlichten die fünf Mannen ihre neue „Fault“-EP und konnten als Support von Emmure bereits auf sich aufmerksam machen. Dass sie gerade durch ihren aktuellen Release in hiesigen Gefilden bereits einige Fans gewinnen konnten, zeigt der vom ersten Ton an ausbrechende Pit. Mit Two-Step-Parts, brachialen Breaks und schnellen Riffs heizen sie die Stimmung im Publikum schnell auf und sorgen für einen abwechslungsreichen und fetten Sound. Als Dank werden ALPHA WOLF ihre Lyrics textsicher entgegengeschmettert. Sowohl neue Tracks wie „No Name“ als auch die älteren Singles „Black Mamba“ und „Nail Biter“ werden gebührend gefeiert und prägen sich bei einigen Anwesenden sofort ins Gedächtnis ein. Und dass der Rausschmeißer „Sub-Zero“ wohl eine der besten Pit-Granaten des Jahres ist, mag nach diesem Auftritt wohl kaum noch jemand bezweifeln.
- No Name
- Spirit Breaker
- Russian Roulette
- Black Mamba
- Nail Biter
- Sub-Zero
Mit den Briten von OUR HOLLOW, OUR HOME wird es im Anschluss etwas ruhiger – legen die Jungs aus Southampton mindestens genauso viel Wert auf Melodie wie auf Härte. Zum entspannen eignet sich der Auftritt dennoch nicht. Zwischen treibenden, schnellen Riffs und äußerst eingängigen Singalongs bleibt dem Zuhörer kaum Zeit, sich von Circle Pits oder lauthalsem Mitsingen zu erholen. Die Instrumentalfraktion tönt dabei glasklar aus den Boxen, während sich erst bei Shouter Connor Hallisey, anschließend bei Gitarrist und Klarsänger Tobias Young kleine Probleme im Mix einschleichen. Nichtsdestotrotz strotzt der Auftritt von OUR HOLLOW, OUR HOME nur vor Energie und auch die Setlist erweist sich als gelungen: Mit „Loneshark“, „Wraiths“, dem neuen „Burn It // Bury It“ oder dem abschließendem „Speak Of Sorrow“ wurde für das, mit 25 Minuten viel zu kurze Set, eine tolle Songauswahl getroffen. Gerne wieder und dann bitte länger!
- Loneshark
- Hartsick
- Karmadillo
- Wraiths
- Burn It // Bury It
- Speak Of Sorrow
Die anschließenden POLAR gehören gefühlt schon zum Inventar der NEVER SAY DIE! TOUR. Zum dritten Mal seit 2016 stehen die Briten im Line-Up und rutschen nach und nach ihre Slots nach oben. Mit ihrem neuen Album „Nova“ im Gepäck, von dem bis auf „Blood For Blood“ alle gespielten Songs stammen, betreten die Londoner die Bühne. Wer letztes Jahr bei der NEVER SAY DIE TOUR war, merkt sofort einen Unterschied: War im Vorjahr kaum Bewegung im Publikum zu verzeichnen, wird dieses Jahr bereits mit dem ersten Song „Breathe“ der Pit eröffnet. Es scheint, als hätten sich die Live-Qualitäten POLARs herumgesprochen und so liefern sie auch am heutigen Abend im Backstage Werk einen makellosen Auftritt ab. Ein noch späterer Platz im Line-Up ist den Jungs daher in den kommenden Jahren nur zu wünschen.
- Breathe
- Adore
- Maere
- Devil
- Blood For Blood
- Dusk
- Midnight
- Drive
Mit KING 810 betritt die exotischste Band des Abends die Bühne. Mit ihrem aggressiven Crossover stechen sie dabei unter den restlichen, dem Metalcore zuzuordnenden Bands, heraus. Während man bei einigen Anwesenden in ratlose Gesichter schaut, was das denn soll, lässt sich ein Großteil der Besucher von der Band in den Bann ziehen. Sänger David Gunn, der erst in Pulli, dann im T-Shirt und anschließend oberkörperfrei über die Bühne stiefelt, kann mit seiner ganz eigenen Art des Gesangs voll überzeugen: Mit teilweise genuscheltem, aggressiven Rap und immer wieder einsetzenden Shouts liefert er eine klasse Perfomance ab. Würde man einen Orden für die meisten zurückgelegten Meter auf der Bühne verleihen, müsste man diesen am heutigen Abend Bassist Eugene Gill geben – wie von der Tarantel gebissen rennt er von einer Seite der Bühne zur anderen, greift tief in die Move-Kiste und zieht damit die Blicke auf sich. Dass Gitarrist und Drummer sich hinter Masken verstecken und der komplett in schwarz und mit Kapuzenpulli gekleidete DJ erst zur Hälfte des Sets auffällt, sorgt für einen starken Kontrast auf der Bühne. Ohne zwischen den Songs nur ein Wort an die Fans zu richten, verschwinden KING 810 nach gut 35 Minuten wieder in den Backstagebereich. Doch das stört niemanden: Das distanzierte Auftreten unterstreicht die Attitüde und den lyrischen der Inhalt der Band – geht es hier meist um ihre Heimat Flint, der Stadt mit der höchsten Kriminalitätsrate der USA. So können Fans den Auftritt ausgelassen feiern und auch diejenigen, denen die Musik an sich nicht taugt, müssen zugeben, dass KING 810 ziemlich fett abgeliefert haben.
- Heartbeats
- Murder Murder Murder
- Alpha & Omega
- Vendettas
- Fat Around The Heart
- Heavy Lies The Crown
- War Outside
- Braveheart
- Killem All
Mit IN HEARTS WAKE wird es danach wieder melodischer. Die Australier stehen seit ihrem ersten Album „Divination“ für grundsoliden Metalcore, auch wenn sie nie ganz an der Qualität des Debüts anknüpfen konnten. So ist es eine clevere Idee gewesen, mit dem Gassenhauer „Survival (The Chariot)“ des angesprochenen Albums das Set zu eröffnen. Die Fans vor der Bühne lassen sich nicht lange bitten und gönnen sich auch bei der sechsten Band des Abends keine Pause im Pit. Wie bisher alle Bands, schallen auch IN HEARTS WAKE mit fettem Sound aus den Boxen, was sowohl den Breakdowns als auch den Mitsing-Refrains die nötige Energie verleiht. Obwohl Bassist und Clean-Sänger Kyle Erich an manchen Stellen Probleme hat, die richtige Tonhöhe zu finden, liefern alle Bandmitglieder eine sehr solide Performance ab. Mit dem tollen „Refuge“ beenden die Surfer-Boys aus Byron Bay ihr Set und leiten mit dem Refrain „Welcome to mayhem“ perfekt zum Headliner Crystal Lake über. Obwohl die Musik heute im Vordergrund steht, vergessen IN HEARTS WAKE ihre Heimat nicht: Aufgrund der anhaltenden Buschfeuer in Australien, haben die fünf Jungs am Merch-Stand einen Spendentopf eingerichtet. Alle gesammelten Gelder sollen in Hilfsprojekte in den betroffenen Regionen fließen.
- Survival (The Chariot)
- Warcry
- Healer
- Departure (Death)
- Divine
- Skydancer
- Breakaway
- Earthwalker
- Refuge
Wie In Hearts Wake bereits angekündigt haben, folgt nun pures Chaos. Denn es ist Zeit für die Japaner CRYSTAL LAKE. Der Aufstieg der Band aus Fernost gleicht beinahe einem Märchen: 2002 gegründet spielten sie erst im Vorjahr als Support von Adept ihre ersten Shows in Europa. Es folgte ein Slot als Opener für Bury Tomorrow und der Festivalsommer. Innerhalb kürzester Zeit gelang ihnen das, was für viele Bands selbst nach Jahren harter Arbeit utopisch scheint: Eine Headliner-Tour durch die größten Metal-Clubs des Landes. Dass dieser Aufstieg nicht von ungefähr kommt, sollte jeder im Publikum nach wenigen Sekunden verstanden haben. Denn Sänger Ryo Kinoshita ist eine Urgewalt. Das kleine Kerlchen, dem man nicht mal zutrauen würde, in einer Metal-Band zu spielen, bläst vom ersten Ton an alles aus dem Werk, was nicht niet- und nagelfest ist. Mit tiefen Growls, Hardcore-Shouts und sogar – passend zu seinem Urgehal-Shirt – Black-Metal-Screams fährt er alles auf, was der gutturale Gesang zu bieten hat. Doch macht ein herausragender Sänger nicht gleich eine gute Band. Zum Glück hat Kinoshita aber vier Männer mit sich auf der Bühne, die ihm in kaum etwas nachstehen. Mit abwechslungsreichem, mit elektronischen Elementen versehenem Metalcore prescht die Instrumentalfront ordentlich voraus und verleiht den grandiosen Vocals noch mehr Druck. Mit einer clever angeordneten Setlist gelingt CRYSTAL LAKE an diesem Abend alles: Zu Beginn lassen die Jungs aus Tokio ihre Brecher der Marke „Hail To The Fire“ auf die Menge los, während sie mit den hymnischen „Lost In Forever“ und „Apollo“ zum Abschluss die letzten Energiereserven aus dem Publikum herauskitzeln. Am Headliner des heutigen Abends gibt es somit rein gar nichts zu meckern. CRYSTAL LAKE werden ihrer überraschenden Headliner-Rolle mehr als gerecht und empfehlen sich für noch größere Dinge. Zumindest sollte es eines jeden Metalheads Pflicht sein, diese fünf Typen live auszuchecken.
- Aeon
- Hail To The Fire
- Six Feet Under
- Machina
- Agony
- Alpha
- Omega
- Lost In Forever
- Apollo
- Prometheus
Bei sieben Bands ist es eigentlich normal, dass die ein oder andere vom Niveau abfällt. Nicht jedoch am heutigen Abend bei der IMPERICON NEVER SAY DIE! TOUR im Backstage Werk. Von GREAT AMERICAN GHOST bis CRYSTAL LAKE gelingt es jeder Band, einen tollen Auftritt hinzulegen und sich weiterzuempfehlen. Dank der Kooperation mit HOPE FOR THE DAY steht zudem nicht nur die Musik im Fokus: Jonny Boucher, CEO der Hilfsorganisation, erhält vor dem Auftritt POLARs die Möglichkeit, auf Suizidprävention und psychische Krankheiten aufmerksam zu machen und erntet dafür großen Applaus. So wurde auch im Jahr 2019 wieder mal ein gelungenes Line-Up und Rahmenprogramm zusammengestellt, mit dem einem jeden bewiesen wurde, dass es um den Metalcore äußerst gut steht. Das Konzept, jungen und aufstrebenden Bands eine Bühne zu geben, geht voll auf und so heißt es zum Abschied: Vielen Dank und bis nächstes Jahr!