Konzertbericht: Helloween w/ Stratovarius, Pink Cream 69

2011-02-09 Hamburg, Docks

Dass es an diesem Abend zu einem HELLOWEEN-Konzert in der alten Heimat kommen würde, war aus zwei Gründen keine Selbstverständlichkeit. Zum einen hatten die Urgesteiner auf der letzten Tour zusammen mit Gamma Ray Hamburg ausgelassen, zum anderen waren die vergangenen fünf Konzerte wegen einer Stimmbandentzündung von Andi Deris abgesagt worden. Die Hansestadt sollte also nun der erste Auftritt nach über einer Woche Ruhepause werden.
Den Auftakt, den – ziemlich spärlich angekündigt – Andis Ex-Band Pink Cream 69 im Docks machte, verpassten wir allerdings weitestgehend, da statt des anberaumten Termins um halb sieben das Interview mit Markus Grosskopf erst eineinhalb Stunden später und nur mit viel Hartnäckigkeit meinerseits stattfinden konnte. Zumindest aber war der Saal schon gut gefüllt.
Nach beendeter Befragung ging es für uns hoch auf die Empore, um einen Blick auf STRATOVARIUS zu werfen, die um kurz vor 21 Uhr mit dem Zocken begannen. Die Finnen, der Schwede und die deutsche Drummer-Legende Jörg Michael machten einen soliden Eindruck, wenngleich der Sound zu Beginn einer Katastrophe glich. Sänger Timo Kotipelto machte ebenfalls noch einen angeschlagenen Eindruck, was er mit der gesundheitlichen Lage im Tourgefolge auch erklären konnte. In Sachen Spielfreude und Bewegung gewannen die Burschen jedenfalls keinen Blumentopf.
Mein Erstaunen weckte, dass ich von neun gehörten Songs sieben kannte, obwohl ich seit sieben Jahren die Band nicht mehr verfolge. Offenbar ist man nicht besonders stolz auf die jüngere Schaffensphase, was sicherlich mit den Querelen um Timo Tolkki zusammenhängt. Andererseits ist man bei kürzeren Auftritten wie diesem – eine Dreiviertelstunde hatten STRATOVARIUS inklusive instrumentale Soli zur Verfügung – sicherlich geneigt, ein Best-Of-Set zu bieten. Kurzum, den Nordeuropäern gelang es zwar nicht, dass ich es bereue, seit Jahren kein Interesse für die Band aufgebracht habe. Doch ihrer Funktion als Anheizer konnten sie durchaus gerecht werden.

Stratovarius:
Hunting High And Low
Speed Of Light
Kiss Of Judas
Winter Skies
Darkest Hours
Phoenix
Forever
Paradise
Black Diamond

Ganz andere Erwartungen natürlich an den Hauptact des Abends: Nach so langer Abstinenz – zählt man das Kurz-Akustikkonzert im Saturn letztes Jahr nicht mit, welches ich ärgerlicherweise auch noch verpasst hatte – war die Spannung auf die Kürbisse natürlich nicht wegzureden. Die Band, die mit ihren Studioalben in den letzten Jahren einen zweiten Frühling zu erleben scheint, zeigte sich kurz vor halb elf das erste Mal auf den Brettern des Docks zu einem Intro, dass aus verschiedenen Schnipseln des aktuellen Albums bestand. Unter tosendem Applaus stellten Deris und seine Mannen gleich zu Beginn die wichtige Frage „Are You Metal?“, wobei der eigentlich starken Nummer live ziemlich die Puste fehlte. Ganz anders aber mit zwei folgenden Nummern der Keeper-Scheiben, wobei mich „March Of Time“ durchaus überraschte.
Die Songauswahl war tatsächlich ein Punkt, der mindestens diskussionswürdig war. Zwar ist es beileibe keine Leichtigkeit aus 13 Studioalben jedermanns Leckerbissen herauszupicken. Doch fehlte gleich – neben den unsäglichen Platten der frühen Neunziger – Liedmaterial von den Platten Nummer 1, 6, 9, 10 und 12, auch von Nummer 11 gab es nur einen Medley-Ausschnitt. Darüber hinaus holte man „Perlen“ wie „Handful Of Pain“ heraus, die es wirklich nicht gebraucht hätte.
Warum es zu so wenigen großen Nummern kam, ist leicht erzählt. Wer HELLOWEEN kennt, weiß, dass ein Konzert nicht nur einfach Herunterspielen von Musik, sondern eine Entertainment-Veranstaltung mit ausführlicher Interaktion ist. Deris versäumte nicht sich für den Hamburg-Aussetzer letztes Mal zu entschuldigen, er erzählte von den Katastrophen der Tour oder sinnierte über das Rauchverbot in der Hansestadt, während der ebenfalls manchmal zu viel Gelaber neigende Michael „Weiki“ Weikath sich glücklicherweise vornehm zurückhielt. Unterbrochen wurde das Musikprogramm auch von Solo-Auftritten seitens Sascha Gerstner und Dani Löble – ersterer mit einem sehr hässlichen Admiralskostüm, letzterer mit einem absolut überdimensioniertem (Wozu braucht’s bitte vier Bassdrums?) Schlagzeug. Hinzu kam, dass die beiden Klassiker „I Want Out“ und „Future World“ in bekannter Manier zu exzessiven Singalong-Spielen mit dem (zumindest von oben gehört nur mäßig lauten) Publikum ausgebaut wurden. So verwundert es nicht, dass aus etwas mehr als einer Stunde Spielzeit „netto“ über eineinhalb Stunden „brutto“ wurden.
Was die Ausnutzung der Bühne und den Spaß an der Sache anging, schienen die Kürbisse tatsächlich die Rückkehr in die alte Heimat zu genießen. Alle fünf strahlten beste Laune aus und benahmen sich genau so, wie man es von der Band kennt. Dass es zum Schluss sogar sechs Mann sein würden, war angesichts einer verdeckten Ankündigung zu Beginn schon deutlich: Natürlich war es der alte Kai Hansen, der für den Zugabenblock den alten Weggefährten Gesellschaft leistete. Schade aber, dass er sich weder mit einem Wort selbst an die Hamburger wandte noch einen Gesangsbeitrag leistete – hier hätte man auf jeden Fall mehr rausholen können.
Was soll’s. Es gab zwar beim Herausgehen schon das ein oder andere Gemotze von alten Fans zu hören, und die Rahmenbedingen mit unverschämten Getränke- (3,30 € für 0,3 Liter Bier, 3 € für Softgetränke) Merchandise- (20 € fürs T-Shirt) und Garderobenpreisen (2 € für die Jacke, nur weil ein Pullover mit drinsteckte) hätten auch angenehmer sein können. Andere Nebenerscheinungen wie Lichttechnik oder Bühnenbild fielen wiederum sehr angenehm auf und waren letztlich wichtiger. Insgesamt zeigten HELLOWEEN, dass sie auch mit 25 Jahren auf dem Buckel immer noch hungrig sind oder zumindest das Publikum dies glauben lassen können. Etwas mehr Musik würde aber auch einer so unterhaltungsbetonten Band gut tun.

Helloween:
Intro
Are You Metal?
Eagle Fly Free
March Of Time
Solo Gerstner
Where The Sinners Go
World Of Fantasy
Solo Löble
I’m Alive
Forever & One
Handful Of Pain
Keeper-Medley
I Want Out
———————————
Future World (mit Kai Hansen)
Dr. Stein (mit Kai Hansen)

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