Konzertbericht: Heilung w/ Zeal & Ardor

13.09.2024 München, Zenith

HEILUNG sind vieles, aber sicherlich keine „normale“ Band, die „normale“ Konzerte spielt. Wir finden: Da muss man auch nicht „normal“ berichten. Kann man aber natürlich: Eine seriöse Konzertkritik zur Tour gibt es hier.


Wir schreiben das Jahr 2024, in einem Paralleluniversum, das dem unseren sehr ähnlich ist. Aber eben nicht ganz. Metal hat sich eben erst aus dem Gospel entwickelt, und während die ersten Newcomer Dinge wie truen Black Metal und Metalcore austesten, halten die Szene-Urgesteine ZEAL & ARDOR weiter an ihren Wurzeln fest. Um sich von den Schreckensnachrichten des 3. Weltkriegs zu erholen, haben sich in einer überwucherten Fabrikhalle am Rande der Stadt rund 5.000 Menschen aus Stadt und Wald zusammengefunden und lauschen einträchtig den Hoffnung spendenden Gesängen, unterlegt von fetten – wenn auch nicht allzu ausgefallenen – Riffs. Draußen fällt saurer Regen in Strömen, und selbst das abgefüllte Wasser ist verseucht, weswegen Manuel Gagneux die Flasche nur nutzt, um damit seine Bierflasche zu öffnen. Besser ist das!

Kaum ist die unerschütterlich optimistische Truppe (und mit ihr einige ihrer Jünger) von dannen gezogen, wagen sich die Menschen des Waldes hervor. Während die meisten Leute im Publikum ihrem Stil weitestgehend treu geblieben sind und nur vereinzelt durch Schminke oder Kostümierung Sympathie für die Mitglieder des HEILUNG-Tribes ausdrücken, haben diese nur noch Kleidung für die bessergestellten Stammesmitglieder: Die einfachen Krieger:innen müssen sich mit Altöl, aufgemalten Runen und mächtigen Rundschilden gegen die sengenden Strahlen der Venus schützen. Immerhin: Aufgrund der elektromagnetischen Stürme laden sich Smartphones hier ganz von allein, sodass alle ständig alles mitfilmen können. Die Videos wandern praktischerweise direkt in einen Cloud-Papierkorb, denn wie in allen anderen Parallelwelten unseres Universums schaut diese Konzertfilmschnipsel auch in dieser Welt kein Mensch je wieder an.

Zugegebenermaßen ist das Gebaren der HEILUNG-Mitglieder bei ihrem archaischen Ritual aber faszinierend: Zwischen Zweigen und Stahlträgern wird geräuchert, gesungen und getanzt, dazwischen werden wie selbstverständlich Frauen gefesselt, Geweihe entzündet oder Knochen aneinander geschlagen. Da sie sich zur Jagd den hier in allen Wäldern umherstreifenden Tieren angeschlossen haben, haben die Männer das normale Sprechen verlernt – stattdessen heulen sie wie Wölfe und grunzen wie Wildschweine. Nur die Stimmen der Frauen tönen noch kristallklar wie die Quelle eines Gebirgsbachs, ehe ihn der Kohlenstaub schwärzt. Insbesondere die Songs, die darauf fußen, „Anoana“ etwa, funktionieren sogar musikalisch – der Rest dann doch maximal auf der rituellen Ebene. Doch das Ritual zeigt Wirkung: Spätestens nach anderthalb Stunden tanzen Städter und Waldvolk gemeinsam, und lassen Welt und Elend hinter sich. In einem Punkt aber hat das Ritual seine Wirkung verfehlt: Draußen regnet es immer noch in Strömen.


Eine seriöse Konzertkritik zur Tour von der Show in Nürnberg gibt es hier:

Heilung w/ Zeal & Ardor

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert