Konzertbericht: Heidenfest Tour (Wintersun, Korpiklaani & Support)

2012-10-31 München, Backstage Halle


Pagan und Folk Metal wurde in Deutschland zur Jahrtausendwende ständig beliebter und zog immer mehr Leute an. Vor allem durch das fränkische Ragnarök Festival war die Musik immer populärer geworden und hatte vor zwei bis drei Jahren seinen Höhepunkt erreicht. Auch wenn der Erfolg der Folk Metal-Welle etwas nachgelassen hat, reisen inzwischen die wohlbekannten Pagan- und Heidenfests mit Szenegrößen quer durch Europa. Und nicht zum ersten Mal machen die Bands Halt im Münchner Backstage. Grund genug auch für Metal1 vor Ort zu sein und sich ein Bild davon zu machen.

Gerade für junge Menschen bietet das Genre einen leichten Einstieg in die heftigere Musik: Das herkömmliche Härtelevel im Metal wird herabgeschraubt, indem leicht zugängliche Folkmelodien – die auf den ersten Blick viel einladender wirken als düstere Death-Metal-Riffs – mit Instrumenten wie Akkordeon und Geige eingebaut werden. Wenig verwunderlich ist also die Tatsache, dass unter den zahlreich erschienenen Fans das Durchschnittsalter, im Vergleich zu anderen Genres, deutlich geringer ist. Bereits eine halbe Stunde, bevor die Italiener Krampus den Abend eröffnen, ist sowohl die Halle selbst als auch der Bereich vor den Eingängen gut gefüllt. Die Tatsache, dass das Schwesterevent Paganfest im Frühling schon im Vorfeld ausverkauft war, trägt bestimmt auch dazu bei.

In der Halle angekommen, geht’s erst mal zur Garderobe, an der es normalerweise Ohrenstöpsel zu kaufen gibt: „Heute ham wir leider keine, sorry“, antwortet das Mädchen, das die Jacken einsammelt. Bei fünf Bands hintereinander nicht gerade prickelnd, naja was solls. Wir sind ja alle keine Weicheier. Gleich ins Auge fällt der große Merchandise Stand. Kein Wunder – die beiden Headliner kommen aus dem Nuclear Blast-Lager, das bekannt ist für seine Merchandise-Machinerie. Auch die Heidenfest-Shirts gingen weg wie warme Semmeln: Bestimmt fünfzig bis sechzig Leute waren es, die das Shirt noch am selben Abend getragen haben. Ebenso sind die obligatorischen Selbstdarsteller unterwegs: Corpsepaint (okay, das liegt wohl eher am Datum heute), schwarz-rote Kriegsbemalung à la VARG, mit Tierfell am Rücken oder einfach oben ohne. Soviel zu den ersten Eindrücken vom Heidenfest 2012. Die Musik, der weitaus wichtigere Teil also, kommt ja erst.


Nikolaus‘ böse Gegenparts machen pünktlich den Anfang. Eine italienische Band namens KRAMPUS, die im Stile von Eluveitie Melodic Death Metal mit viel Folk mischt. Auffällig ist der Synthesizer-Einsatz und die Geigerin Marika, die sich im wüsten Gitarrengeklampfe mit mystischen Melodien in den Vordergrund spielt. Der Truppe ist leicht anzumerken, dass sie noch nicht superroutiniert ihr Set runterspielen, wie es den restlichen Bands möglich ist. Das ist aber natürlich nicht weiter verwunderlich, denn es ist die erste größere Tour. Sänger Filippo ist sehr um Interaktion mit dem Publikum bemüht und lockert die Stimmung auch mal mit einer Forderung nach einer Wall Of Death auf. Auch wenn nicht die ganz großen Mengen vor der Bühne stehen: Das Publikum ist ein extrem dankbares und kommt dem natürlich sofort nach. Nach einer halben Stunde und einem ordentlichen Einstand in München geht der Auftritt unter viel Beifall zu Ende.


Die Bühne ist jetzt frei für einen total durchgeknallten Haufen, die ihrem Folk-Metal einfach alle Stile untermischen, wie es ihnen gerade in den Kram passt. Ska-Punk, Reggae, orientalische Musik – klingt verdammt verrückt. Noch dazu betritt TROLLFEST Sänger Trollmannen die Bühne in schwarz-gelbem Bienenkostüm inklusive Flügel und auch die restlichen Bandmitglieder haben hübsche Bienen-Haarreife am Kopf. Gespannt, was jetzt passiert, brummt der Menge jedoch erst einmal totaler Soundbrei entgegen. Von der Gitarre ist einfach mal gar nichts zu hören, was zwar im Laufe des Auftritts besser wird, aber trotzdem ziemlich stört. Der Partystimmung tut das aber keinen Abbruch. TROLLFEST schieben im Humppa-Rhytmus unermüdlich Vollgas an und lassen keine Pausen aufkommen. Die Band (die nach dem zweiten Song endlich die Kostüme auszieht) animiert das Publikum zu Circle Pits, Wall Of Deaths, Mitsingspielchen und ermutigt die Meute zum Mittrinken, indem er an den morgigen Feiertag erinnert. Das junge Publikum vor der Bühne hat da natürlich Bock drauf und hört nicht auf, bis jedem nass geschwitzt die Puste ausgeht. Die Hälfte der Setlist besteht dabei aus Nummern vom neuen Album und beim letzten Song „Helvetes Hunden Garm“ kommen sogar die Jungs von Korpiklaani zum Tanz auf die Bühne. Deren Sänger Jonne Järvelä ist natürlich im TROLLFEST-Shirt unterwegs. Man merkt den Norwegern zu jeder Sekunde die Freude an, die es ihnen macht, hier auf der Bühne zu stehen und wie die gute Laune dementsprechend auf die Fans überspringt. Den mächtigen Applaus haben sie sich verdient.


Nicht gerade ein unbekanntes Szenario: Eine Band bewegt sich lange in politischer Grauzone. Wenn der Bekanntheitsgrad steigt, ist sie gezwungen, Stellung zu beziehen. Auch VARG (allen voran Sänger Philipp Seiler) haben im Nachhinein alle Rechtsextremismusvorwürfe von sich gewiesen und Fehler aus Jugend zugegeben. Trotzdem sehen sie sich einer „Hetzjagd“ ausgeliefert und rechnen in platter schwarz-weiß Wir-gegen-den-Rest-Manier mit all ihren Feinden ab. Das bringt komischerweise schon immer Sympathien: Bestes Beispiel sind die Südtiroler Frei.Wild, die mit ihrem patriotischen Deutschrock immer mehr an Beliebtheit zulegen. VARG ähneln den Italienern nicht nur, was ihre Hintergrundgeschichte angeht, auch musikalisch springen sie auf den Frei.Wild-Zug auf und schon stellt sich auch der kommerzielle Erfolg ein. Platz 33 der Albumcharts ist eine Hausnummer. Noch dazu gibt es haufenweise Merchandise – wenn die Anzahl der Bandshirts ein Gradmesser für die Beliebtheit einer Band ist, müsste man schließen, dass VARG mit Abstand die populärste Truppe des Abends ist.

Die meisten im Publikum scheinen sich aber mit dem neuen Deutsch-Rock-Image der Band gut anfreunden zu können, denn jetzt ist zum ersten Mal am heutigen Tag der Bereich vor der Bühne wirklich prall gefüllt. Mit „Guten Tag“ vom neuen Album heißen die Musiker ihre Fans Willkommen, die von der ersten Sekunde an mitgrölen. Links und rechts zieren zwei Banner Wölfe im Stile des neuen Albums die Bühne. Die Scheinwerfer hüllen die Band meist in rotes Licht – passend zur Kriegsbemalung der Musiker. Sänger Philipp animiert die Fanschar, in dem er sie auffordert, mit ihnen in die Schlacht zu ziehen – dazu passen Songs wie „Wir sind die Wölfe“, in denen sich die Band und ihr Publikum selbst beweihräuchern. Das kommt gut an und in der Menge entspringt ein Moshpit nach dem anderen. Zu den frühen Pagan-Zeiten wäre das kaum vorstellbar gewesen. Dementsprechend spiegeln sich die Anfangstage kaum in der Setlist wider. Das erste Album „Wolfszeit“ wird komplett außen vor gelassen und bis auf die zwei Ausnahmen „Blutaar“ und dem Abschluss „Viel Feind Viel Ehr“ sind ausschließlich Werke der letzten beiden Veröffentlichungen auf der Setlist zu finden. Der Auftritt ist alles in allem aber recht ordentlich und der Sound ist wesentlich besser als bei Trollfest. Was aber fehlt, ist die Eigenständigkeit – manchmal sind es ein wenig Rammstein-Anleihen, eine Prise In Extremo oder eben die schon angesprochene Portion Frei.Wild, welche die Band für sich vereinnahmt. Zu guter Letzt kommt erneut Jonne Järvelä (dieses mal natürlich im Varg-Shirt) auf die Bühne um den Song „A Thousand Eyes“ mit zu performen. Bestens gelaunt und beeindruckt von der großen Zustimmung der Beobachter verabschieden sich die fünf Wölfe und wünschen viel Spaß mit den beiden Headlinern.


Das bedeutet erst mal nach draußen vor die Tür zu gehen, wo auf riesiger Leinwand die Spiele der 2.Runde des DFB-Pokals laufen. Eine nette Abwechslung um sich Zeit der Umbaupausen zu überbrücken. Während die bisherigen Bands des Abends mit ordentlicher Lautstärke aus den Boxen ballerten, verpassen viele den Anfang KORPIKLAANIS, da man im Außenbereich kaum etwas davon hört. Etwas verwundert darüber wird mir dann auch vor der Stage bewusst: Das ist eines der leisesten Konzerte, die ich überhaupt erlebt hab. Das stört aber bei den vielen Folk-Anleihen der Band nicht wirklich und dem Mischer fällt es leichter, dass auch Instrumente wie Akkordeon und Geige sehr gut zu hören sind. Die sechzig Minuten, die folgen, sind ein typischer KORPIKLAANI-Gig. Die Meute schunkelt, tanzt und springt, was da Zeug hält. Während Sänger Jonne Järvelä (dies mal im der eigenen Bandtracht) selbst rumhampelt und Freude an seine Aufgabe hat, wirkt der Rest, bis auf den Gitarristen Cane, als ob ihnen das Bier, dass sie saufen müssen, nicht schmeckt. Nicht ein einziges Lächeln kommt ihnen aus. Das höchste der Gefühle ist ein dezentes Vor- und Zurückschaukeln mit der Hüfte, während die Securities einen Crowdsurfer nach dem anderen wegheben müssen. Auch wenn die musikalische Performance top ist und die verschiedenen Musiker perfekt harmonieren: Das passt irgendwie nicht zu einer Partyband. Hauptsächlich werden Songs vom neuen Album „Manala“ dargeboten. Beim großen Teil des Publikums kommt das nicht so gut an und man wartet auf den nächsten bekannten Hit, um den kompletten Bereich vor der Bühne zum pogen herzunehmen. Gefeiert wird Geiger Tuomas Rounakari, als er im Spotlight ein virtuoses Solostück zum Besten gibt und danach zum Polkatanz auffordert. Getanzt wird bis zum Ende während die Finnen ihre Humppa-Rhythmen routiniert runterspielen.


Lang hat’s gedauert, bis WINTERSUN es geschafft haben, ihr neues Album „Time I“ aufzunehmen. Ursprünglich war 2006 bereits der Release geplant, doch nach mehrfachen Verschiebungen zog sich das Spielchen über sechs Jahre. Der Erstling „Wintersun“ liegt schon so lange zurück, dass er inzwischen von manchen Fans sogar als Klassiker bezeichnet wird. Entsprechend hoch war die Erwartungshaltung vor dem Konzert, denn während Varg und Korpiklaani die letzten Jahre fleißig unterwegs waren, bekam man WINTERSUN kaum noch live zu sehen. Für viele war die Band der einzige Grund sich auf den Weg ins Backstage zu begeben. Unter tosendem Applaus betreten die Musiker nacheinander die Bühne. Dem Gitarristen und Sänger Jari schießen sofort die Mundwinkel nach oben und sein breites Grinsen behält er während des kompletten Auftritts. Zwischen den Songs feuert das Publikum den Frontmann mit „Jari, Jari“ Sprechchören an – sichtlich beindruckt von seinem schnellem Gitarrengefidel. Doch steht der Rest der Band dem Klampfer in nichts nach – besonders die Leistung von ex Rotten-Sound-Drummer Kai Hahto gibt allen Grund begeistert zu sein. Mit viel Wucht und Dynamik bearbeitet er sein Schlagzeug in höchstem Tempo.
Um eine dichte Atmosphäre zu schaffen, spielt ein Tonband zwischen den Songs verträumte Intros zu den einzelnen Songs ein. Krass ist der Unterschied von neuem zum alten Material. Während die alten Songs wie „Winter Madness“ oder „Death And The Healing“ abgefeiert und mitgesungen werden, kennt der Großteil das neue Album noch nicht. Werbung lässt sich bei dem Sound leider auch nicht machen, denn die Leadgitarre ist manchmal kaum wahrzunehmen und das Erkennen der Melodien wird zum Ratespiel. Bei Hits wie „Sleeping Stars“ nicht so schlimm – hier kann sowieso jeder die Gitarren mitsummen. Die Stimmung im Publikum ist bei WINTERSUN entspannter als den restlichen Abend und die Circle Pits haben ein Ende – das passt auch besser zur Musik der Band. Dass ein Hit nach dem anderen rausgehauen wird, macht die zweite Hälfte des Konzerts extrem kurzweilig. Und leider muss die Band mit „Beyond the Dark Sund“ den Abend trotz zahlreicher „Zugabe“-Rufe beenden. Allerheiligen bedeutet nämlich in Bayern um punkt zwölf Zapfenstreich für jede Livemusik.

Der Großteil des Publikums war zufrieden mit dem Abend, das zeigte sich auch in Form langer Schlangen am Merchandise-Stand nach Ende des Konzerts. Viele gehen jetzt noch neben an auf die Halloweenparty, die meisten aber haben vom Abend mit fünf Bands genug und treten zufrieden den Heimweg an.

Publiziert am von Michael

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