Satte zehn Jahre sind seit dem letzten HAGGARD-Album ins Land gezogen, nun ist das Orchester rund um Mastermind Asis immerhin wieder für einige Shows live in Deutschland zu sehen. Im Zuge der „Bards of Symphony & Metal“-Tour zeigt das Symphonic-Metal-Kollektiv, dass es von seinen Qualitäten nichts eingebüßt hat, und Asis beantwortet einige der wichtigsten Fragen rund um die Zukunft des Projekts.
Zunächst eröffnen die Finnen UNSHINE den Abend, die ihr aktuelles Werk „Astrala“ im Gepäck haben. Die Band selbst hat ihre Musik Anfang der 2000er Jahre als „Druid Metal“ bezeichnet. Was wie eine leere Hülse der bemühten Eigenständigkeit wirkt, entpuppt sich in den rund 30 Minuten als passende Beschreibung des Stils. Sängerin Susanna trifft zwar nicht jeden Ton in Perfektion, doch die vier Männer an ihrer Seite donnern mit E-Gitarren, Bass, Schlagzeug und Synthies ordentlich los. Der mystische Gesang Susannas trifft wahlweise auf treibende Riffs, nette Synth-Sounds oder fetten Bass. Die interessanten Melodiefolgen überraschen immer wieder durch verschiedenste Einflüsse, die entweder aus dem Metal stammen oder auch gothisch-folkig und orientalisch anmuten. Trotz fehlender Schubladen für diesen gewagten Stilmix überzeugen UNSHINE auf ihre eigene Art, ohne sich dabei zu sehr zu verkünsteln.
Ganze 60 Minuten Spielzeit bekommt der zweite Support des Abends, die Italiener SOUND STORM. Eine Feuertaufe für die neu formierten symphonischen Metaller, die als Septett nun angeblich zwei komplett neue Gesangsstile darbieten. Einen echten Vergleich scheint an diesem Abend niemand ziehen zu können oder zu wollen, als der Siebener auf eine musikalische Reise nach „Vertigo“, einer Insel mitten im Nirgendwo, entführt. Was anfangs etwas braucht, um seinen vollen Zauber zu entfalten, entpuppt sich mit fortschreitender Dauer als gelungenes symphonisches Oeuvre, das rund um die beiden Frontstimmen immer wieder mit verschiedenen Nuancen überrascht. Der Soundteppich liefert viel episches Beiwerk mit großen Melodien und Kompositionen, die an Filmsoundtracks erinnern. Die Südeuropäer verfolgen sowohl auf ihrem letzten Album wie auch live ein erkennbares Konzept, das sich nach verhaltenem Beginn immer weiter steigert und sich schließlich etwas in Bombast und Pathos ergötzt. Die alles andere als klassischen Songstrukturen werden mit vielerlei Tempowechseln gewürzt und halten auch durch die progressive Note bei Laune. Am Ende sind einige aber doch etwas erschlagen und fragen sich, was SOUND STORM abseits des Gezeigten noch zu bieten haben mögen.
Eben jene Frage ist bei HAGGARD anschließend überflüssig: Der Soundcheck geht fließend in den ersten Song über, so dass der Lichttechniker einige Sekunden braucht, um die Stimmung in der Halle entsprechend anzupassen, so dass „Of A Might Divine“ seine volle Wirkung entfaltet. Das Orchester füllt die gesamte Bühne und Mastermind Asis überlässt das Rampenlicht immer wieder seinen Mitmusikern, allen voran der exzellenten Sopranistin Janika Groß. Diese stellt in ihren diversen Soli, u.a. beim traditionellen „Herr Mannelig“, besonders den männlichen Tenor mächtig in den Schatten und erntet zurecht mehrfach Szenenapplaus. Das Line-Up von HAGGARD hat sich in schöner Regelmäßigkeit durchgewechselt, doch die Streicher und Tasten- bzw. Saitenvirtuosen wirken an diesem Abend gut abgestimmt wie z.B. in „The Final Victory“. Lediglich die Technik verleidet so manchen akustischen Hochgenuss durch böse Rückkopplungen, die bei dieser Musikrichtung leider besonders ins Gewicht fallen.
Asis fühlt sich nahe seiner Heimat sichtlich wohl und plaudert plötzlich aus dem Nähkästchen: Familiäre Probleme haben dazu geführt, dass u.a. das Album über die Märchen der Gebrüder Grimm bis heute nicht veröffentlicht werden konnte – von Auflösungserscheinungen sei bei HAGGARD nichts zu spüren und auch die Gagen im Ausland wären nicht der Grund für die seltenen Gastspiele hierzulande. „Bullshit!“, nennt der imposante Frontmann diese Gerüchte und kündigt an, dass es 2019 etwas Neues zu hören geben soll.
„The Observer“ und „Eppur Si Muove“ thematisieren das Leben und Schaffen von Galileo Galilei. Seine Lehren hätten heute noch Gültigkeit, wie Asis anfügt. Stets an seiner Seite ist auch an diesem Abend wieder Gitarrist Claudio, der später sogar noch einen Ausflug in die Menge unternimmt. Für München hat Asis nur überschwängliches Lob übrig: Er erinnert sich daran, wie Claudio die Stadt gar nicht verlassen wollte und wie sich die Zeiten geändert haben: Was früher der Sprinter war, ist heute der Nightliner. Mit „In A Pale Moon’s Shadow“ läuten HAGGARD schließlich den Endspurt ein. Nach der Vorstellung aller Musiker endet der Zugabenblock mit der einzigen Nummer, die nach der Songauswahl auf der aktuellen Tour noch fehlt und sinnbildlich für HAGGARD steht: „Awaking The Centuries“.
Als klassisch-modernes Orchester sind HAGGARD immer noch eine Institution. Auch nach vielen Jahren ohne neues Material funktioniert die einzigartige Kombination aus Streichern, Growls und Operngesang live im selbstdefinierten Rahmen. Mit UNSHINE und SOUND STORM haben Asis und Co. zudem zwei passende Supports im Schlepptau, so dass besonders für Liebhaber des weit gefassten symphonischen Metals ein gelungener Konzertabend bleibt. Alle anderen werden sich zwischendrin wohl die ein oder andere Auszeit gönnen, um die Ohren etwas zu entspannen und dann wieder in die atmosphärisch dichte Klangwelt einzutauchen.