Wer aktuell Nachrichten konsumiert, könnte schnell zu dem Schluss kommen, die Welt sei am Arsch. Daran wird ein Konzert auch nichts ändern. Doch diese Tour dürfte zumindest dafür sorgen, dass sich der Fokus für ein paar Stunden verschiebt: weg von der Welt und hin zum Arsch. Dafür stehen GUTALAX und BRUTAL SPHINCTER sozusagen mit ihrem Namen ein, und auch BIRDFLESH bleiben thematisch fokussiert.
Dass BRUTAL SPHINCTER Humor haben, sieht man schon vor ihrer Show – das Backdrop hängt heute nämlich verkehrt herum. Kein Zweifel am Spaßfaktor der Belgier bleibt ab dem ersten Ton: Rekordverdächtig schnell bildet sich im Backstage Werk ein erster Circlepit, etwas später regen BRUTAL SPHINCTER dann auch noch den vielleicht größten je im Backstage Werk gesehenen Circlepit an: die Treppe rauf, im Umlauf zur Bar und auf der anderen Seite zurück und wieder treppab in die Arena. Zwischendurch organisiert die Political-Grindcore-Formation noch einen Circlepit exklusiv für alle Konzertbesucherinnen. Doch nicht nur vor, sondern auch auf der Bühne ist viel geboten. Mit ihren zwei Sängern ziehen BRUTAL SPHINCTER in Sachen „human noises“ sämtliche Register, dazu zelebriert die Instrumental-Fraktion Grindcore, wie er im Buche steht. Dass das Ganze dann dank einiger Tempowechsel und dem bunten Mix aus Screams, Growls und Squeals auch noch vergleichsweise abwechslungsreich ist, macht die gebotenen 35 Minuten bemerkenswert kurzweilig. Besser hätte dieser Abend kaum starten können.
„Vergleichsweise abwechslungsreich“ ist kein Attribut, das einem zu BIRDFLESH in den Sinn käme. Das bereits 1992 gegründete Trio aus Schweden ballert 40 Minuten Oldschool-Grindcore ins Volk – und das durchaus auch mit genretypischem Humor wie hässlichen Masken und grotesk obszönen Songtexten. Doch selbst mit Stücken wie „Anal Misery“, „Chainsaw Frenzy“, „Coffinfucker“ oder „Alive Autopsy“ kommen BIRDFLESH heute beim eher auf Party-Mucke eingestellten Gutalax-Publikum weit weniger gut an als der Opener. Von einigen Die-hard-Fans abgesehen, die wirklich jede Zeile mitsingen können, reagieren die Zuschauerinnen und Zuschauer auf die meist nur rund einminütigen Songs eher verhalten. Dass BIRDFLESH das Publikum nach 35 Minuten noch mit einer Zugabe bedenken, ist dann aber wirklich etwas zu viel des Guten – höchste Zeit für die Shitshow!
Womit bei GUTALAX so zu rechnen ist, ist allen Unwissenden durch zwei sehr vorausschauende Aktionen der Backstage-Crew erklärt: Zum einen ist da ein Schild auf den Toiletten mit der Bitte, das Klopapier doch bitte denen zu überlassen, die ihr Geschäft erledigen wollen. Zum anderen erkennt der aufmerksame Beobachter schnell, dass sämtliche Klobürsten weggeräumt wurden. Nun mag man sich nicht vorstellen, dass wirklich jemand auf die Idee kommen könnte, eine benutzte Klobürste als Party-Utensil mit in die Halle zu nehmen – vielleicht funktioniert der Gedanke aber auch umgekehrt: Mit den von den GUTALAX-Fans mitgebrachten Klobürsten ließen sich nach der Show leicht alle Toiletten des Backstage neu bestücken.
Auch sonst steht der Abend ganz im Zeichen der Kacke. Das Bühnenbild zieren Wurstmonster und Klopapiermumien, die Band selbst kommt – natürlich – in Reinigungsanzügen auf die Bühne und zwischendurch versüßen GUTALAX ihre Performance mit allerlei thematisch passenden Accessoires wie Klodeckelbrillen oder einer (natürlich in Kackwurst-Optik gehaltenen) Klorollenkanone. Dass ein beachtlicher Teil des Publikums in voller Montur – ebenfalls in Reinigungsanzügen, mit Klobürsten und aufblasbaren Tieren bewaffnet – erschienen ist, rundet das Bild sehr stimmig ab. Und doch ist all das ironischerweise eigentlich überflüssig.
Denn so wie GUTALAX im Folgenden auf die Kacke hauen, bräuchte es all die Gimmicks gar nicht. Das liegt zum einen daran, dass GUTALAX mit ihrem Gore ’n‘ Roll einen ziemlich lässigen Stil entwickelt haben, der durch das einzigartig unartikulierte Grunzen von Sänger Maty ein echtes Alleinstellungsmerkmal hat. Zum anderen aber kommen die vier Tschechen so sympathisch rüber, dass sie das Publikum allein durch ihr Auftreten schon begeistern. Dass Maty selbst mit der Eintönigkeit der Songs kokettiert, indem er mehrfach darauf hinweist, dass nichts Neues mehr kommen wird und jeder, dem es reicht, bedenkenlos gehen könne, sorgt zwar für herzliches Gelächter; leerer wird das mittlerweile fast bis auf den letzten Platz gefüllte Backstage Werk aber natürlich nicht – im Gegenteil: Immer mehr Menschen drängen in den Pit und neben diversen Fans und einigen aufblasbaren Badeutensilien geht gegen Ende sogar noch ein Bar-Tisch-Fass crowdsurfen. Dass GUTALAX nach ihrer rund einstündigen Show nur kurz verschwinden, ehe zumindest Teile der Band im Graben noch diverse Klobürsten unterschreiben, rundet den grundsympathischen Eindruck ab, den diese Band heute hinterlassen hat.
- Assmeralda
- Nosím Místo Ponožky Kousek Svojí Předkožky
- Shit Of It All
- Buttman
- Šoustání Prdele Za Slunné Neděle
- Robocock
- Kocourek Mourek Podráždil Si Šourek
- Diarrhero
- Vaginapocalypse
- Poopcorn
- Polykání Semena Z Postaršího Jelena
- Fart And Furious
- Total Rectal
- Vykouření Dařbujána Vietnamského Veterána
- Shitbusters
- Old MacDonald Had A Farm
- Anus Nanuk (Anus Ice Cream)
GUTALAX sind groß im Geschäft – und das bezieht sich nicht nur auf die Schlangen am Merch, der mit über zehn verschiedenen Motiven eher einem Po(o)p-up-Store gleicht. Dass diese skurrile Truppe mit Pipi-Kaka-Humor dereinst rund 1.400 Fans ins Backstage Werk locken würde, um gemeinsam das 15-jährige Bandbestehen und einen der „best sundays ever“ zu feiern, war nun wirklich nicht vorherzusehen. Aber all das ist verdient. Denn Scheiße ist bei GUTALAX wirklich nur das Konzept – und das auch nur im wortwörtlichen Sinne.