Konzertbericht: Growl Bowl Festival 2023

25.02.2023 München, Backstage (Halle)

Ein Event zu etablieren ist eh schon eine Herausforderung – wenn dann auch noch eine Pandemie dazwischengrätscht, wird es zur Mammutaufgabe. Insofern ist es ein kleines Wunder, dass der Veranstalter des GROWL BOWL Festivals nicht einfach hingeschmissen hat, nachdem die ursprünglich für 2021 anberaumte zweite Auflage erst für 2022 neu angesetzt und dann auf 2023 verschoben werden musste. Dass vom 2022er-Billing am Ende nur drei Bands Bestand hatten, machte die Organisation gewiss nicht einfacher. Umso schöner zu sehen, dass das ganz im Zeichen des Death Metal stehende Event in der Szene dennoch Anklang findet.

BEYOND HAVOK beim GROWL BOWL 2023Zu Beginn der Veranstaltung um 17:00 Uhr ist die Backstage Halle allerdings noch verhältnismäßig leer. Wer aber in der Hoffnung, direkt einen fetzigen Death-Metal-Opener zu erleben, extra früh gekommen ist, wird ernüchtert: BEYOND HAVOK bieten eher eine Mischung aus Alternative und Heavy Metal. Darüber wäre hinwegzusehen, würde die Qualität stimmen. Doch die Clean-Vocals sind schief, die Gitarren zu stimmen wäre keine schlechte Idee gewesen und auch die Songs selbst sind unausgegoren. Für den Enthusiasmus des höchstens 100-köpfigen Publikums ist all das nicht förderlich – bezeichnend genug, dass der Bitte des Sängers, doch mal etwas näher an die Bühne zu kommen, wirklich niemand nachkommt. „Noch ein Song, dann habt ihr es geschafft“, verkündet er kurz vor dem Ende der Show resigniert. Letztlich ist es wohl auch der Band selbst bewusst, dass dieser Auftritt misslungen ist. [pw]

ROTTING EMPIRE beim GROWL BOWL 2023Viel besser bekommt dem GROWL BOWL da schon der Auftritt von ROTTING EMPIRE. Nicht nur ist die Halle jetzt schon bedeutend voller und das Publikum viel aktiver dabei – auch zelebrieren die Ingolstädter viel eher das, was man von der Veranstaltung erwartet: bodenständigen Death Metal mit deutlicher Old-School-Schlagseite. Der Auftritt steht dabei natürlich ganz im Zeichen des 2022 nach zehnjähriger Release-Pause erschienenen Albums „Buried In The Past“, doch das Publikum goutiert auch den alten Song „Southside Terror“ mit ausgiebigem Headbanging. Die zahlreichen Interaktionen von Frontmann Danny Burns mit dem Publikum, der seine Ansagen in tiefstem Oberbayerisch macht und immer wieder mit den Fans anstößt, lockern den Auftritt zusätzlich auf. Eine Offenbarung in Sachen musikalischer Kreativität sind ROTTING EMPIRE sicher nicht – Fans von klassischem HM-2-Metal dürften nach „Depression“ als krönendem Abschluss aber allemal zufrieden sein. [pw]

MATER MONSTIFERA beim GROWL BOWL 2023Doch gerade, als man den Eindruck gewinnen konnte, dass der GROWL BOWL nun wirklich in Fahrt kommt, sorgen MATER MONSTIFERA für Verwunderung: Die tschechische Gruppe beliefert die Backstage Halle mit einem keyboardlastigen Mix aus Dark und Black Metal. Dazu steht die fünfköpfige Truppe in Kostümen auf der Bühne, die auch dem nächstgelegenen Gothic-Fanshop entstammen könnten. Dass das Resultat auch musikalisch ein gewisses Kitsch-Level erreicht, überrascht angesichts dieser Umstände wenig – immerhin gibt es soundtechnisch wenig zu bemängeln und man merkt MATER MONSTIFERA an, dass sie mit Leidenschaft hinter dem stehen, was sie tun. In einem anderen Kontext hätte dieser Auftritt vielleicht besser funktioniert, ist doch längst nicht alles schlecht, was die Band hier abliefert. Im Kontext dieser Veranstaltung wirkt der Gig jedoch deplatziert und verloren. So überrascht es wenig, dass sich gerade im vorderen Bereich vor der Bühne im Laufe des 45-minütigen Sets größere Lücken auftun. [pw]

SOUL DEMISE beim GROWL BOWL 2023Schon anhand des deutlich größer gewordenen Publikums wird erkennbar, dass die Veranstaltung auf ihre Höhepunkte zusteuert. Der Auftritt von SOUL DEMISE darf hier absolut dazugezählt werden, bietet der brachiale Death Metal der Oberpfälzer doch genau den Wumms, den man sich von einem GROWL BOWL erhofft. Dank des wuchtigen Sounds, bei dem sowohl die Riffs als auch die tiefen Vocals von Fronter Roman Zimmerhackel klar zur Geltung kommen, fällt es gar nicht weiter auf, dass SOUL DEMISE heute ohne Bassist auftreten. Ohnehin zieht der Sänger durch seine markante Performance alle Aufksamkeit auf sich: Mal tanzt er ekstatisch, mal kriecht er wie ein Tier über die Bühne, mal umarmt er seine Bandmitglieder oder die Fans in der ersten Reihe. Diese Art der Selbstinszenierung muss man mögen, aber nicht zuletzt durch seine sympathischen, ehrlich begeisterten Ansagen kann der Fronter das Publikum zum ersten mal an diesem Abend so richtig mitreißen. Besser als mit dieser energiegeladenen Performance kann man die Bühne für die nun folgenden Headliner-Auftritte kaum bereiten. [pw]

BODYFARM beim GROWL BOWL 2023Nach dieser mitreißenden Performance muss sich selbst eine Band wie BODYFARM strecken, um das Niveau zu halten. Und wenn man ganz ehrlich ist, gelingt es ihnen trotzdem nicht so ganz: Mit zwei Tracks vom erst am Vortag veröffentlichten Album „Ultimate Abomination“ starten die Niederländer furios in ihr Set, und auch im weiteren Verlauf fehlt es der Performance des Quartetts eigentlich an nichts. Doch so spielfreudig BODYFARM auch sind, so gekonnt sie ein kurzes technisches Problem in der Mitte des Sets überspielen oder so sympathisch es ist, dass sie „Woods Of Dismay“ ihrem 2019 verstorbenen Sänger Thomas Wouters widmen: Mit der Zeit verliert ihr ultrabrutaler Death Metal dann doch etwas an Durchschlagskraft. Das merkt man ironischerweise insbesondere, als BODYFARM dieses Muster einmal durchbrechen: Ein kurzes, eingesampletes Cello-Interlude vor „The Swamp“ reicht schon aus, um die Ohren zu resetten, sodass das letzte Drittel des 60-Minuten-Sets inklusive der Zugabe „Unbroken“ wieder zu begeistern vermag. [mg]

BODYFARM beim GROWL BOWL 2023
BODYFARM beim GROWL BOWL 2023; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

 

  1. Blasting Tyranny
  2. Symbolical Warfare
  3. Dreadlord
  4. Manhunt
  5. The Wicked Red
  6. Torment
  7. Woods Of Dismay
  8. The Swamp
  9. Storming Revolution
  10. The Dark Age
  11. Slaves Of War
  12. Unbroken

Nach diesem Death-Metal-Frontalangriff ist eine kleine Pause absolut willkommen – ganz nach Plan scheint der Soundcheck von ASPHYX jedoch nicht zu verlaufen: Zu technischen Problemen mit einem der Gitarrenverstärker von Paul Baayens gesellt sich eine gewisse Planlosigkeit der Musiker, die ihren Soundtechniker fast zur Verzweiflung treibt. Dass sich davon weder ein Martin van Drunen noch ein Stefan „Husky“ Hüskens aus der Ruhe bringen lassen, versteht sich von selbst – so dauert es schlussendlich bis 22:45 Uhr, ehe „The Quest For Absurdity“ aus den Boxen kommt und die Show einleitet.

ASPHYX beim GROWL BOWL 2023Was folgt, ist alles andere als eine perfekte Show – und vielleicht gerade deswegen eine perfekte ASPHYX-Show. Die technischen Probleme mit einem der Verstärker setzen sich während des Auftritts ebenso fort wie das etwas chaotische Agieren der Band: Die Setlist würdigt Martin van Drunen keines Blickes, vom „besten Bier der Welt“ kann er seinen Blick hingegen kaum losreißen. So wird er dann auch mal von der Band mit dem nächsten Song überrascht und verpasst fast seinen Einsatz, mal überrascht er wiederum die Band, indem er den falschen Song intoniert. Dass das zu Denken gibt, merkt van Drunen schließlich selbst: „Da werden jetzt wieder alle sagen, der van Drunen ist betrunken – so ist das aber nicht!“ Man mag es ihm wünschen – allein, Nüchternheit beteuern nur selten Menschen, die wirklich nüchtern sind.

ASPHYX beim GROWL BOWL 2023Und doch gelingt es ASPHYX, eine so brutale wie gute Death-Metal-Show auf die Bühne zu bringen. Das liegt zum einen daran, dass van Drunen bei alledem sympathisch bleibt und trotz allem viele wichtige Messages in seine Ansagen bringt – einen Aufruf zur Unterstützung der Ukraine etwa, ehe er Putin „Death The Brutal Way“ wünscht, oder einen Umfangreichen Dank an alle, die hinter den Kulissen arbeiten, um Shows wie den GROWL BOWL zu ermöglichen. Zum anderen aber ist es die 110%ige Professionalität der Instrumentalisten, die dafür sorgt, dass die Maschine ASPHYX auch von kleineren Unsicherheiten ihres Frontmanns nicht aus dem Takt zu bringen ist: Insbesondere Gitarrist Paul Baayens performt, als wollte er im Alleingang sicherstellen, dass heute niemand unzufrieden nach Hause geht – und setzt dabei eine Energie frei, die wirklich jeden im Publikum ansteckt. Die schiere Unzahl an Death-Metal-Klassikern, aus der sich ASPHYX nach über 35 Jahren bedienen können, tut ihr übriges, so dass nach diesen 80 Minuten wirklich niemand unzufrieden nach Hause gehen muss. [mg]

 

  1. Botox Implosion
  2. Molten Black Earth
  3. Death the Brutal Way
  4. MS Bismarck
  5. Deathhammer
  6. Wasteland Of Terror
  7. Knights Templar Stand
  8. Scorbutics
  9. Necroceros
  10. Vermin
  11. The Nameless Elite
  12. Forerunners Of The Apocalypse
  13. Death: The Only Immortal
  14. The Rack
  15. Last One On Earth

Dass beim GROWL BOWL 2023 durch den recht kurzfristigen Ausfall von SEASONS IN BLACK am Ende nur sechs statt der eigentlich geplanten sieben Bands auftreten können, erweist sich als Glücksfall: Mit diesen Bands, die dafür etwas mehr Spielzeit bekommen, ist der Abend absolut hinreichend gefüllt. Durchweg guter Sound und hochmotivierte Musiker sorgen für durchweg starke Performances der namhaften Bands, die vom Publikum auch entsprechend bejubelt werden – dass trotzdem kaum gemosht wird, ist in diesem Kontext eigentlich unerklärlich.

Bei den Newcomern auf den frühen Slots sollte bei Folge-Events allerdings stilistisch wie auch qualitativ etwas härter ausgesiebt werden – für BEYOND HAVOK erweist sich dieses Event definitiv als eine Nummer zu groß, und dass nur eine von drei „Vorbands“ growlt, ist in Anbetracht des Veranstaltungsnamens schade – zumal der deutsche Death-Metal-Underground reich an sehenswerten Bands ist. Davon abgesehen ist der GROWL BOWL 2023 ein voller Erfolg, der definitiv nach einer Fortsetzung schreit – verzeihe: growlt.

ASPHYX beim GROWL BOWL 2023
ASPHYX beim GROWL BOWL 2023; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

Publiziert am von und Pascal Weber

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