Konzertbericht: Green Day’s American Idiot

12.01.2019 Tonhalle München

Fast zehn Jahre ist es her, da feierte „Green Day’s American Idiot“ am Repertory Theatre in Berkeley Premiere und zog kurz darauf an den Broadway. Seitdem hagelte es überschwängliche Kritiken für das Punk-Musical, das auf dem gleichnamigen Album von Green Day basiert. Nun bringt die noch recht junge Produktionsfirma OFF MUSICAL FRANKFURT die Show auch nach Deutschland. Die Texte wurden ins Deutsche übersetzt und das Ensemble wartet mit einigen namhaften jungen Künstlern auf. Die Spannung im Vorfeld war groß und zuerst sieht es auch so aus, als ob die Erwartungen voll erfüllt werden würden.

Beginnt das Stück doch mit einem echten Paukenschlag: Die recht gut gefüllte Tonhalle wartet gespannt auf den Beginn, doch sitzen nicht nur Zuschauer auf den Stühlen, sondern auch die Darsteller. Sobald die Band mit den ersten Klängen des Titelstücks eröffnet, stürmt das Ensemble springend und tanzend die Bühne und sorgt so für einen echte Überraschung. Die Bühne an sich ist sehr minimalistisch gehalten, lediglich eine Spiegelwand im Hintergrund dient als Kulisse. Wirklich positiv ist, dass die Musik live gespielt wird und nicht vom Band kommt. Auch das die Songs genauso punkig sind wie im Original, wirkt sich positiv auf die Show aus. Bereits beim ersten Stück fällt aber auf, dass die Texte nur schwer zu verstehen sind. Ob das nun aber an der Technik oder der Akustik der Tonhalle liegt ist unklar.

Nach der krachenden Eröffnung folgt ein kurzer Dialogpart, in dem die drei Hauptdarsteller Johnny (Friedrich Lukas Sandmann), Tunny (Sebastian Smulders) und Will (Alexander Sasanowitsch) eine kurze Einführung in die Ausgangssituation geben. Wie auf „American Idiot“ auch, dreht sich alles um drei desillusionierte junge Männer, die aus ihrer Kleinstadt fliehen, um etwas aus ihrem Leben zu machen. Das Problem ist nur, dass man, wenn man das Album nicht kennt, der Story kaum folgen kann. Gesprochene Parts sind im Stück auf ein Minimum reduziert und man muss daher den Songtexten folgen, die aber aufgrund der angesprochenen Probleme nur schwer verständlich sind. So erschließen sich viele Storydetails nur über Requisiten bzw. Outfits der Darsteller.

Musikalisch und stimmlich weiß das Ensemble aber zu überzeugen. Vor allem Helena Lenn als Heather und Ruth Lauer als Alysha wissen mit ihren Gesangsleistungen extrem zu beeindrucken. Einzig Hauptdarsteller Friedrich Lukas Sandmann wirkt bei den hohen Stellen etwas wackelig. In den knapp 90 Minuten des Stücks werden alle Songs des „American Idiot“-Albums sowie ein paar des nachfolgenden „21st Century Breakdown“ gespielt, was an sich gut ist, aber auch stellenweise gehetzt und gequetscht wirkt. Allgemein ist Hektik das Schlagwort der Show. Bei vielen Songs tummeln sich alle zehn Darsteller auf der nicht gerade großen Bühne und tanzen, springen und wirbeln wild durcheinander. Klar soll das Musical wild sein, aber etwas mehr Ordnung würde doch gut tun.

So verlangt es einiges an Aufmerksamkeit um dem Geschehen auf der Bühne zu folgen: Johnny wird in der Großstadt drogensüchtig während Tunny zum Militär geht und Will aufgrund seiner schwangeren Freundin in der Kleinstadt bleiben muss. An sich stimmt das mit dem Konzept von „American Idiot“ überein, doch verkommt das Ganze irgendwie auch zu einer bloßen Teenie-Romanze. Der politische und melancholische Unterton des Albums geht beim Musical ein Stück weit verloren. Das liegt nicht am Ensemble, singen und tanzen die Darsteller doch mit großer Leidenschaft. Schlussendlich ist das Musical einfach ein Stück weit zu chaotisch, zu hektisch und zu schnell. Und so bleiben nach der Show gemischte Gefühle. Musik und Gesang waren überzeugend und schön punkig, die Inszenierung konnte dagegen nicht wirklich punkten.

Die Erwartungen konnte „Green Day’s American Idiot“ leider nicht ganz erfüllen. Das neuartige Konzept eines minimalistischen wilden Musicals hat Potenzial, muss aber noch etwas justiert werden. Vor allem die schlechte Verständlichkeit der Songtexte haben dem Spaß einen ordentlichen Dämpfer verpasst. Das junge Ensemble dagegen strotze nur so vor Spielfreude und Energie, teilweise vielleicht auch etwas zu viel Energie. Bei Preisen von bis zu 89 Euro pro Ticket muss jeder selbst wissen, ob es ihm das Wert ist.

Publiziert am von Juan Esteban

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