Sie sind den Zuschauern des Eurovision Song Contests 2021 in lebhafter Erinnerung geblieben: GO_A, eine ukrainische Folklore-Elektro-Band, belegte mit ihrem außergewöhnlichen Sound und einem künstlerisch anmutenden Auftritt einen beachtlichen fünften Platz. Offensichtlich verhalf der ESC in diesem Fall tatsächlich zu Popularität, denn 2023 starteten GO_A ihre „Ukrainian Magic Tour“, mit einigen Konzerten auch in Zentraleuropa. Nach einer krankheitsbedingten Verlegung von November 2023 auf Mai 2024 spielen die Ukrainer also endlich auch das erste Mal in München. In der vollen Backstage Halle versammelt sich ein bunt gemischtes Publikum – vor allem aber ESC-Fans, Ukrainer und deren Schnittmenge.
Mit 20-minütiger Verspätung betreten GO_A die Bühne. Sängerin Kateryna und ihre Bandkollegen sind ganz in schwarz gekleidet, statt eines Backdrops hängt eine große ukrainische Flagge vor dem DJ-Pult. Optisches Understatement, wenn man den Eurovision-Auftritt mit neongrünen Federn und wilden Tänzern im Kopf hat. Schon die ersten Takte ihres ESC-Hits „Shum“ lassen erahnen, welches stimmliche Powerhaus hier auf der Bühne steht. Bei sofort ausgelassener Stimmung lassen sich Band und Publikum voneinander begeistern. „Es war ein langer Weg von der Ukraine bis zum ESC und schließlich zu euch“, sagt Kateryna, und bittet ihre Zuhörer*innen schließlich, sich gegenseitig in einer großen Friedensgeste zu umarmen. Es geht nicht um Politik an diesem Abend, aber es geht eben auch nicht ohne Politik, nicht in diesen Zeiten. So viele aus dem Publikum kommen aus der Ukraine – und sind sicher nicht extra dafür angereist. Sicherlich fühlt es sich für einige nach Heimat an. So bekommt Kateryna auch einen großen Blumenstrauß aus den ersten Reihen gereicht, was sie sichtlich freut.
Mit „Zhal’menina“ starten GO_A einen kleinen Running-Gag. Es ist das erste Lied des Abends, das von einem „Ukrainischen Mädchen“ handelt, in diesem Fall mit zwei „gutaussehenden Jungs“. Auch der nächste Song, ihre aktuelle Single „Krip“, handelt von einem „Ukrainischen Mädchen“ – diesmal, ein mysteriöses ukrainisches Mädchen. Es werden noch einige ukrainische Mädchen folgen an diesem Konzertabend, und sie alle lieben ihre Heimat am Ende mehr als Reichtum und Männer (und reiche Männer). Bei allem Schelm, den Kateryna bei der Zusammenfassung ihrer Songs an den Tag legt, blitzt so immer wieder auch die Melancholie durch, eine Trauer um das Land und die Kultur, die gerade dabei sind vertilgt zu werden. Bei „Tserkovka“ werden die Ukrainer noch einmal deutlicher: „Russia is a terrorist state“, ruft Kateryna in die Menge und der Song, schwer und düster, wird hinterlegt mit blutrotem Scheinwerferlicht und begleitet von den brummenden Tönen einer Bass-Flöte.
Nach ihrer bekannten Single „Rusalochki“ zeigt Flötist Ihor bei einer alten Volkswiese noch einmal seine Fingerfertigkeit auf einer Doppelflöte. Das Solo geht über in ein beeindruckendes Instrumentalstück, in dem Multiinstrumentalist Taras mit leuchtenden Trommelstäben den Beat vorgibt und auch Gitarrist Iwan glänzen kann. Nachdem der ganze Raum bei „Paho-pahehbko“ schließlich auf ukrainisch mitsingt, ein Song der das Gefühl von Zuhause, von Heimat besingt, wird Kateryna sichtlich emotional. Spontan ändert sie die Setlist und spielt mit Gitarrist Iwan einen Song akustisch. „Ein Song über Menschen, die an ihre Träume glauben“, sagt sie, und beweist auch ohne den elektronischen Unterbau mehr als eindrucksvoll, welch beeindruckende Kontrolle sie über ihre Stimme hat. Man sieht Tränen auf ihrer Wange, als sie das Lied beendet. Ein hochemotionaler Höhepunkt des Konzerts.
Doch der Abend ist noch nicht zu Ende, und GO_A erklären, dass „Ukrainian Magic“ keine dunkle Magie, sondern weiße, positive Magie ist. Sie lassen das Publikum mehrere Kreise bilden und sich zur ursprünglichen Version von „Shum“ im Kreis drehen. Der ganze Raum ist in Bewegung, feiert und tanzt. Nach zwei vom Publikum ausgesuchten Zugaben (wenig überraschend ihre zwei ESC-Stücke Solovey und Shum) verabschieden sich die Ukrainer, die Landesflagge tragend, von der Bühne.
GO_A beweisen auf ihrem ersten Konzert in München, dass ihr Eurovision-Hype keine Eintagsfliege war. Nach über zwölf Jahren Bandgeschichte ist ihnen die Freude über den Erfolg auch außerhalb ihrer Heimat anzusehen. Die Songs werden makellos vorgetragen, doch besonders Katerynas Charme gibt der Performance eine persönliche Note. Man kann nur hoffen, dass sie noch öfter den Weg nach München und Deutschland finden werden.