Festivalbericht: Funkenflug Festival 2006

30.12.2006 München, Zenith

Am Anfang war der Funke…

Nachdem die Zeit zwischen Herbst und Frühling, was Festivals betrifft, meistens mit Fug und Recht als „Saure-Gurken-Zeit“ bezeichnet wird, kamen die Münchner Folkrocker von Schandmaul vor 3 Jahren auf die Idee, ihr eigenes Festival ins Leben zu rufen. Nachdem man sich 2004 auf München beschränkte, gab es letztes Jahr insgesamt 3 Funkenflüge mit unterschiedlichem Line-Up in Kiel, Bonn und wiederum in der Heimatstadt der Band, München. 2006 ging es nun „back to the roots“ und so kam wiederum nur das süddeutsche Publikum in den Genuss der fliegenden Funken, die dieses Jahr allerdings weniger durch die mittelalterlich bis irischen Folkklänge von Fiddler’s Green, Corvus Corax, Tanzwut, etc. in Wallung gebracht wurden, sondern durch eine interessante Mischung aus Metal, Rock, Gothic und einem Tick Hardcore. Diese interessante Mischung sollte den Fans ordentlich einheizen und gleichzeitig die rauschende Silvesterparty einen Tag vorverlegen.

Im untypisch warmen Dezemberwetter bahnten wir uns gegen Nachmittag den Weg durch das Müncher S- und U-Bahn-System zum Zenith, welches an Stelle der Tonhalle als Location für das Festival diente. Im Nachhinein ein richtiger Schritt, da man die über 2000 Besucher im Kunstpark stapeln hätte müssen und außerdem die Akustik in der Kulturhalle überall um Welten besser ist.
Leider nahm unsere anfängliche Euphorie schnell etwas ab, da sich die Security wieder einmal als unfreundlich, inkompetent und ohne jegliche Form von Anstand und Manieren erwies. Sinnfreie Aussagen wie „Ich bin nicht der Veranstalter.“ und dummes Grinsen, weil man 2 Leute draußen abstinken lassen kann, sind wirklich das Allerletzte. Wenn man schon dank mangelnder Intelligenz, fehlender Bildung oder beidem gezwungen ist, samstagabends zu arbeiten, sollte man sich wenigstens – ganz im Zeichen des Festivals – einen Funken von Anstand und Manieren zeigen, um nicht gleich als Vollidiot abgestempelt zu werden. Doch anscheinend war das zu viel verlangt.
Allerdings bewiesen die gleichen Herren beim offiziellen Einlass ein paar Stunden später erneut ihre ungemeine Unfähigkeit, als sie nach Aussagen einiger Fans dazu beitrugen, dass der sowieso schon verspätete Einlass noch weiter nach hinten verschoben werden musste. Apropos Einlass: Ein generelles Problem beim Funkenflug konnte auch in diesem Jahr nicht zufriedenstellend gelöst werden. So stand auf den älteren Eintrittskarten 18 Uhr als Einlass, auf den späteren 19 Uhr und im Internet an verschiedenen Stellen alles Mögliche von 18.30 Uhr bis 19.30 Uhr. Wie immer lag die Wahrheit irgendwo dazwischen. Da der Winter jedoch nicht für seine angenehmen Temperaturen bekannt ist, bei denen es den Fans wenig ausmacht, wenn sie 30 Minuten länger warten müssen, sollte dies im nächsten Jahr endlich besser laufen.

…aus dem Funken schlägt die Flamme…

Endlich angekommen im Backstageraum wurden wir freundlich empfangen und trafen die ersten Vorbereitungen, während es um uns herum wie bei einem Klassen- oder besser noch Familientreffen zuging. Die Atmosphäre in dem etwas sterilen weißen Raum mit Küche kann wirklich am besten als familiär bezeichnen. Während die einen auf dem Plasma-Fernseher an der Wand Spongebob oder ähnliches verfolgten, saßen viele einfach da und unterhielten sich beim Essen. Für das leibliche Wohl war dabei ausreichend gesorgt: So gab es neben Fleisch mit Gemüse und Nudeln auch Kaffee und Kuchen vom Cateringservice. Als meine Kamera und mein Diktiergerät aka MP3-Player bereit waren, nahm ich mir als erstes Thomas Lindner von Schandmaul zur Seite, um mit ihm über das vergangene Jahr und die Zukunft der Münchner zu sprechen: Doch im Mittelpunkt stand dennoch das Festival an sich…

Zum Interview mit Schandmaul… (Audio + Text)

Zwischenzeitlich wurde es dank dem Soundcheck von Loonataraxis etwas lauter. Die Newcomerband aus München konnte dieses Jahr die Nachfolge von Sixfinger und Zyklotron antreten und den Newcomerwettbewerb für sich entscheiden. An dieser Stelle einmal vielen Dank an Claudia, die für mich die ganzen Interviewtermine gemanaget hat. So stand also die „verrückte Seelenruhe“, die man noch am ehesten mit System of a Down vergleichen könnte, als nächstes auf dem Plan. Mit Sänger und Noch-Ethnologiestudent Till sprachen wir u.a. über die Zukunft der Band, den Newcomerwettbewerb und natürlich das Funkenflug.

Zum Interview mit Loonataraxis… (Audio + Text)

Der Backstageraum füllte sich nun nach und nach mit mehr Angehörigen, Betreuern und sonstigen Bandbegleitern, so dass es bald nicht mehr genügend Sitzgelegenheiten gab und wir stehend die Zeit bis zum Opener verbrachten.

…und aus der Flamme wächst die Feuersbrunst!

Da LOONATARAXIS pünktlich vor einer bereits beachtlichen Menge an Fans mit ihrem Auftritt begannen, verlegten wir das Interview mit Sven Friedrich von Zeraphine kurzer Hand etwas nach hinten. Die Nebenhöhlenvereiterung und der komplette Stimmverlust einen Tag vor dem Konzert bereiteten Sänger Till einiges an Kopfzerbrechen, während die Veranstalter beim folgenden 30-minütigen Auftritt der Newcomer einige Male um ihr Mikrofon fürchten mussten, das vom Leadsänger wild in der Gegend herumgeschwenkt wurde. Zum Glück wurde auf den stimmlich bedingten Ausweichplan mit „Anton aus Tirol“ und anderen eher zweifelhaften Stimmungshits verzichtet und die 4 Jungs kamen auf der großen Bühne meiner Meinung nach noch besser drüber als im vergleichsweise kleinen Backstage einen Monat früher. Till schrie sich um Kopf und Kragen (sowie die verbliebene Stimme), um der vorhandenen Menge einzuheizen, was zumindest in Teilen der ersten Reihen gelang. Auf seine Ansagen wie „Habt ihr Anger in euch?“ gab es zunehmend mehr Reaktionen und dies darf durchaus als kleiner Erfolg für die Band gesehen werden, die zuvor nur auf dem „Oben ohne“ vor einer ähnlichen Menge spielte. Im Gegensatz zu den kleineren Clubs musste die Münchner Nachwuchsband dieses Mal auf typische Elemente ihres Auftritts wie z.B. einen Stagedive verzichten, obwohl backstage bereits einige Theorien entworfen wurden, wie man den ca. 3 Meter breiten Fotografengraben überwinden könnte. Trotzdem gelang es ihnen mit viel Energie kleinere Defizite bei der Bühnenpräsenz auszugleichen und das Funkenflug würdig zu eröffnen. Ganz im Stile und im Sinne der Veranstalter wurde das Publikum mit einer neuen Facette von Musik konfrontiert, die es bis dato im Rahmen dieses Events nicht gegeben hat. Das nächste Jahr wird zeigen, inwieweit Loonataraxis die Chancen nutzen können, die sich durch den verdient gewonnenen Bandcontest und dem damit verbundenen Festivalauftritt bieten. Nach der EP-Veröffentlichung ist eine Single bereits in Planung.

Nach einer kleinen Stärkung backstage ging es schnurstracks weiter zu Sven Friedrich, der sich in unserem Interview nicht nur über ZERAPHINE, sondern auch über sein kommendes Nebenprojekt, Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede zu Schandmaul, Vergleiche mit HIM und das letzte Album „Still“ mit allem (Tour-)drum und Dran äußerte:

Zum Interview mit Zeraphine… (Audio + Text)

Nach dem Gespräch verabschiedete sich der Sänger hastig, um wenige Minuten später nach der kurzen Umbaupause zusammen mit seinen Mitstreitern die Bühne zu entern. Konnte mich das letzte Studioalbum der Band noch nicht von den Socken hauen, so bot der Auftritt eine echte Überraschung. Sven zeigte sich als Frontmann gut gelaunt und überzeugte auch gesanglich, so dass die Menge im Gegensatz zum letzten Jahr bei Regicide bereits bei der 2. Band des Abends ordentlich mitging. Die Setlist (siehe unten) umfasste neben aktuellem auch etwas älteres Material, zu dem ich jedoch nicht viel sagen kann, da ich lediglich in die neue LP etwas reingehört habe. Gegen Mitte des Auftritts erreichten die Berliner passenderweise ihren Höhepunkt mit „Still“ und „Nichts aus Liebe“. Obwohl ich die Texte teils nur bruchstückweise verstand und man keine Quantensprünge an Abwechslung vollzog, wurde mir der 45-minütige Auftritt nie langweilig und blieb nicht nur wegen Svens unorthodoxer Mikrofonhaltung im Gedächtnis.

Setlist Zeraphine:
Intro
Die Macht in Dir
I’ll Follow You
No More Doubts
Sterne sehen
Niemand kann es sehen
Still
Nichts aus Liebe
Toxic Skies
Ohne Dich
Die Wirklichkeit
Be my Rain
Inside Your Arms

Vor NEW MODEL ARMY geriet die Umbaupause etwas länger und nicht nur ich fragte mich, warum ein und dieselbe Gitarre sage und schreibe 5 Mal und öfters getestet wurde. So zog es sich etwas, bis die Altrocker rund um Sänger Justin Sullivan letztendlich die Bühne betraten und sofort ohne großes Intro richtig loslegten. Das bunt gemischte Publikum aus Familien, Rentnern, Metalheads und anderen schien sich bereits nach den ersten Takten in einzelne Lager zu spalten. In den ersten Reihen wurden von den eingefleischten Fans jedes einzelne Riff bis zum Erbrechen gefeiert, während man am Rand der Halle vermehrt gelangweilte und desinteressierte Gesichter zu sehen bekam. Natürlich waren die älteren Herrschaften mit der gebotenen Darbietung etwas vertrauter als die jüngere Generation, die mit dem besonders für die 80er typischen Gitarrenrock wohl eher weniger anfangen konnte, da man über diese Form von Musik heutzutage nur noch zufällig auf Platz 76 der Charts oder so stolpert. Wie bei Zeraphine gab es 3 E-Gitarren zu sehen und zu hören, wobei Sullivan an der Front das Quartett durch seine Akustikgitarre noch komplettierte. Trotz ihrer langen Bandgeschichte und einigen Auftritten bei großen Festivals gelang New Model Army in Deutschland nie ernsthaft der Durchbruch. Einzig und allein „51st State“ wird einigen noch ein Begriff sein. Eine logische Erklärung sehe ich dabei auf Anhieb nicht, denn vom Stil her schwimmen Sullivan und Co., die so bodenständig geblieben sind wie es nur irgendwie geht, im gleichen Teich wie die Stones und andere. Trotzdem schien bei der Mehrheit der Funke nicht recht überspringen zu wollen, obwohl sich die 5 Musiker größte Mühe gaben und teils sehr starke Gitarrensoli erklangen. Am Ende gab es einigermaßen lauten Jubel, was die einzig britische Band am heutigen Abend und in der Geschichte des Funkenflugs zu einer Zugabe bewegte, die allerdings im krassen Gegensatz zu den letzten Songs davor einfach nur unharmonisch und laut war. Zwischenzeitlich versuchte Justin immer wieder einige Ansagen, doch wie er selbst bemerkte, verstanden ihn die Fans nicht recht, so dass er schließlich immer mehr auf die Musik beschränkte, da er selbst kein Deutsch spricht. Aber manchmal sprechen musikalische Klänge die deutlichste Sprache. Die eigens für die Musiker eingerichtete kleine Tribüne rechts von der Bühne füllte besonders bei den Klassikern der Band und so wurde nicht nur vor der Bühne von den Fans, sondern auch daneben von den Aktiven mitgerockt, mitgefeiert und mitgesungen. Meinen persönlichen Geschmack traf es dennoch bis auf einige Ausnahmen eher nicht und ein Großteil der Fans hätte mit 4-5 Liedern weniger leben können.

An dieser Stelle war nun eigentlich ein Interview mit Justin Sullivan und New Model Army vorgesehen, doch mein Diktiergerät verabschiedete sich auf eigenen Wunsch hin frühzeitig, so dass ich keine Möglichkeit dazu hatte. Dennoch werde ich versuchen, das geplante Interview via Mail abzuwickeln und genau wie die Setliste, die ich vergessen habe, nachzureichen.

Natürlich stand nun vor dem Hauptact die nächste Umbaupause auf dem Plan. Je länger diese dauerte, desto leerer wurde es im Backstageraum und inzwischen war es keinerlei Problem mehr, dort eine Sitzgelegenheit zu finden. Das Gedränge vor der Bühne nahm gleichzeitig ungeahnte Ausmaße an und schnell wusste man, warum die meisten sich hier heute Abend eingefunden hatten. Lange ließen sie sich bitten, doch angetrieben von lauten „SCHANDMAUL“-Sprechchören betraten die Lokalmatadoren schließlich als krönender Abschluss um 23 Uhr die Bühne, um einerseits ihr letztes Konzert für dieses Jahr und andererseits auch den letzten Auftritt im Raum München für über 1,5 Jahre (!) zu spielen. Die spektakulären Lichteffekte in mehreren Reihen auf allen Seite der Bühne wurden nun bis zum Letzten ausgereizt und boten nicht nur für die Fotografen ein Eldorado. Einzig und allein das weiße Blitzlicht führte wohl vereinzelt zu Kopfschmerzen und Schwindel. Bereits nach „Der Schlacht“ hatten Thomas und Co. ihr Publikum voll im Griff und das Konzert entwickelte sich immer mehr zu einem Selbstläufer. Mit Leib und Seele wurde kräftig auf Silvester geschissen und rundherum im ganzen Saal tanzte und sprang man (und frau) bis die Füße schmerzten. Ein Streifzug durch die Halle machte uns deutlich, wie viele unterschiedliche Menschen diese Musik inzwischen anspricht. Man könnte auch durch die Münchner Fußgängerzone gehen – der Unterschied wäre frappierend gering. Von den alt eingesessenen Fans der ersten Stunde bis hin zu Eltern mit ihren Kindern, unscheinbaren Männern mit Anzug im fortgeschrittenen Alter und Metalheads mit Bart und langen Haaren gab es alles und noch viel mehr. Sie alle schienen durch diese Musik, zu der sie auf ganz eigene Art und Weise mitgingen, verbunden zu sein. Die gesamte Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf das Bühnengeschehen und überall konnte man strahlende Menschen sehen. Thomas‘ typisches „Wir wollen euch fliegen sehen!“ vor „Vogelfrei“ sorgte für einen fröhlichen Hüpf- und Springmarathon. Bei „Gebt Acht“ durfte das Publikum schließlich selbst aktiv mitsingen und gegen Ende wurde schließlich ein Klassiker nach dem anderen rausgehauen, angefangen von einer sehr harten „Herren der Winde“-Version über die etwas verspätete „Walpurgisnacht“ und das erste selbst geschriebene Lied der Band „Teufelsweib“, die alle ausnahmslose Begeisterungsstürme hervorriefen und selbst mir an diesem Abend eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließen, wobei ich grundsätzlich lieber viele unterschiedliche Stücke live höre als ein einzelnes 6-8 Mal. Obwohl es gemäß der offiziellen Setlist nicht vorgesehen war, setzten die Mäuler mit dem von ihren Fans oft geförderten „Wandersmann“ noch einen drauf und ließen somit ihr musikalisches Jahr 2006 ausklingen.

Setlist Schandmaul:
Vor der Schlacht
Kein Weg zu Weit
Das Tuch
Drachentöter
Das Seemannsgrab
Feuertanz
Vogelfrei
Die Tür in Mir
Lichtblick
Mitgift
Gebt Acht
Die Letzte Tröte
Herren der Winde
Walpurgisnacht
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Teufelsweib
Der Spion
Dein Anblick
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Der Wandersmann

Leider wurde die Setliste der Herbst-Tour um einige Lieder erleichtert und so mussten die anwesenden Zuschauer u.a. auf „Wolkenberge“ und „Der Poet“ verzichten. Natürlich konnte man keine 2 Stunden spielen, doch vielleicht hatte man lieber auf andere Stücke verzichten sollen, um auch dem Heimatpublikum mehr vom neuen Album vorzustellen. Allerdings bin ich mir sicher, dass dies an anderer Stelle irgendwann noch geschehen wird.
Irgendwann ist auch das passende Stichwort, denn nachdem sich der letzten Funke gelegt hatte und der letzte Tanz sein Ende fand, war es auch schon vorbei – allerdings natürlich nicht ohne die obligatorische „Tasse Bier“ (O-Ton Thomas), der ich allerdings auf Grund der S-Bahn Anbindung nicht beiwohnen konnte. Trotzdem möchte ich mich an dieser Stelle bei Schandmaul, besonders bei Thomas und Heinz, für die Unterstützung und die Möglichkeiten ganz herzlich bedanken. Ein Dank geht ebenso an meine werte Mitarbeiterin, Till von Loonataraxis, Sven von Zeraphine und Claudia.

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Publiziert am von und Uschi Joas

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