Wir schreiben den 30.12.2005 und wie schon im Vorjahr hab ich mich zusammen mit mehreren hundert begeisterten Fans mittelalterlicher Klänge in der Münchner Tonhalle zum 2. Funkenflug Festival eingefunden. Der riesige Erfolg aus dem letzten Jahr führte dazu, dass das Festival dieses Jahr nicht nur in München, sondern am 28. und 29. mit unterschiedlichem Lineup auch in Kiel und Bonn statt fand. Nach einigen Problemen mit Einlass und Gästeliste begann der 5-stündige Stehmarathon fast pünktlich um 19 Uhr.
Als erstes betraten die beiden weiblichen Mitglieder von Schandmaul die Bühne, um das Nebenprojekt ihrer vier männlichen Kollegen anzukündigen, die sich unter dem Namen WETO schon vor der Schandmaulzeit mit Musik die Zeit vertrieben hatten. Dass WETO mit Schandmaul relativ wenig zu tun hat, wurde bereits nach den ersten Takten mehr als deutlich. Von den Texten kam relativ wenig rüber, von der Lautstärke dafür umso mehr. Einige Fans wirkten erstaunt, während andere entweder positiv oder negativ überrascht waren. Von der Performance her kann man den Jungs keinen Vorwurf machen und die kommende CD im nächsten Jahr wird mit Sicherheit ihre Abnehmer finden; doch man merkte im Publikum förmlich die „Erleichterung“, als zur allgemeinen Überraschung (oder auch nicht…) Birgit und Anna Schandmaul wieder komplettierten und ein paar ihrer Klassiker wie „Teufelweib“ und „Der letzte Tanz“ zum Besten gaben. Als besonderes Schmankerl für die Münchner Fans gab es auch die erste Kostprobe vom im kommenden März erscheinenden neuen Album „Mit Leib und Seele“, die durchaus zu gefallen wusste und wie eine Mischung aus „Wie Pech und Schwefel“ und den vorherigen Alben klingt. Die lauten Forderungen nach Zugaben kommentierte Thomas süffisant mit: „Natürlich. Ihr habt doch nicht ernsthaft geglaubt, dass wir nicht auf unserem eigenen Festival spielen, oder!?“
Nach der obligatorischen Umbauphase betraten Regicide die Bühne und konnten ihren Vorschusslorbeeren an jenem Abend nicht gerecht werden. Musikalisch gab es nichts zu meckern – es wirkte jedoch so, als ob ein Großteil des Publikums sie einfach nicht hören wollte, da schon nach den ersten drei Liedern eindeutig die Abwechslung fehlte. Außerdem mangelte es mir persönlich an innovativen Elementen in ihrer Musik und an einer guten Bühnenpräsenz, die die Menge richtig in den Bann ziehen kann. Dass ich mit meiner Meinung nicht allein war, zeigte das Ende des 40-minütigen Auftritts, das mit eisernem Schweigen quittiert wurde. Es wird wohl das erste und gleichzeitig letzte Gastspiel von Regicide auf dem Funkenflug bleiben.
Wieder einige Minuten später betraten wie schon Vorjahr als vorletzte Band des Abends Fiddler’s Green die Bühne in der Tonhalle und zeigten ihren Vorgängern, wie man die Fans von der ersten Sekunde an begeistert. Im Gegensatz zum Hexenkessel spielten die Jungs dieses Mal vorwiegend ältere Sachen und verzichteten auf ihre sonstigen Highlights wie „Mary Mack“ oder „Hip Hurray“, was der Begeisterung keinerlei Abbruch tat. Auch von den Fiddlers wird es im kommenden Jahr ein neues Album geben und mit „Whack me!“ gab es bereits einen ersten Vorgeschmack darauf, in welche Richtung das kommende Werk gehen wird – und wenn man sich die Reaktionen ansieht, dann war es eine richtige Entscheidung nach eigener Aussage wieder etwas „erdiger“ zu werden. Man merkt den Jungs auf der Bühne auch nach dem über 1000sten Konzert noch ihre Begeisterung für ihre Form von Musik an und so vergingen die rund 70 Minuten buchstäblich wie im Flug, wobei bereits nach den ersten 3 Songs sowohl auf als auch vor der Bühne der Schweiß in Massen floss und „Folk Raider“ Andre seiner Aufgabe als Wasserspender mehrmals nachkommen musste. Nach einer umjubelten Zugabe begann schließlich die letzte (und leider auch längste Pause) vor dem Headliner des Abends.
Über 30 Minuten vergingen, bis Corvus Corax mit den aufwändigsten Instrumenten und Kostümen des gesamten Abends ihre Show starteten. Für mich war es der erste Liveauftritt, den ich von diesem Urgestein der Mittelaltermusik miterleben durfte und auch wenn ihnen manch einer Eintönigkeit vorwirft, so muss man ihnen zugestehen, dass sie auf der Bühne sehr routiniert agieren und in unglaublicher Geschwindigkeit ihre Instrumente tauschen. Geschwindigkeit scheint sowieso das zentrale Motto bei ihren Auftritten zu sein, denn auf der Bühne wird ständig etwas geboten, so dass das ein oder andere relativ ähnliche Lied nicht weiter ins Gewicht fällt (wenn die Setlist stimmt…) und man sowohl akustisch als auch optisch auf seine Kosten kommt. Leider verhinderte die lange Umbaupause, dass ich das Konzert bis zum Ende sehen konnte, doch das Warten hatte sich gelohnt. Wer die Jungs im Münchner Raum demnächst wieder sehen will, der sollte sich wie jedes Jahr die Kaltenberger Ritterspiele vormerken. Eine bessere traditionellere mittelalterliche Band ohne jegliche modernen Einflüsse wie z.B. bei Schandmaul kann ich mir nur schwerlich vorstellen und auch wenn ich mir wohl nie ein einzelnes Corvus Corax-Konzert ansehen werde, hätte ich nichts dagegen, das Gespann noch einmal als Teil eines Festivals zu erleben.
Als Fazit bleibt ein gelungener Abend mit 2 guten (WETO, Corvus Corax) und 2 sehr guten Bands (Schandmaul, Fiddler’s Green). WETO ist wohl wie Regicide und auch Corvus Corax extreme Geschmackssache, so dass man sich vielleicht im nächsten Jahr getreu dem Motto „Weniger ist mehr“ für eine musikalische Richtung entscheiden sollte. Die Füße einiger Anwesender (inklusive Security) würden es danken.