Am 7. und 8. Mai lud das Astra Kulturhaus in Berlin-Friedrichshain zu zwei Tagen Musik mit über dreißig Bands aus den unterschiedlichsten Richtungen, die dem geneigten Hörer neue Horizonte eröffnen sollten. Mit Biergarten und Merchandise-Stand der auftretenden Bands konnte man sich auch außerhalb der Konzerthalle die Zeit vertreiben, besonders gemütlich war es draußen wegen des frostigen Wetters leider nicht.
Gleich zu Anfang wussten CHÂTEAU LAUT mit ihrem Noiserock zu begeistern, jedoch hatten sie gerade gegen Ende Probleme, sich gegen den Soundcheck der Mainstage durchzusetzen, ein Problem, das sich leider durchs ganze Festival ziehen sollte. Auch war die Abmischung noch alles andere als perfekt, weswegen wohl einiges an Details und Stimmung im Klangbrei verloren ging – schade, die Band hätte wohl unter anderen Bedingungen noch einen besseren Eindruck hinterlassen können.
Hinter dem etwas eigentümlichen Namen MASTER MUSICIANS OF BUKKAKE verbarg sich eine der eindrucksvollsten Bands des Festivals, die zum Glück in der weit stimmungsvolleren Haupthalle auftrat. Die Optik der Band – der Sänger gekleidet in eine Art Burka sowie am Anfang noch mit einer Art Maya Maske, der Rest der Band mit beigen Filzhüten und Schwarzen Imkernetzen vorm Gesicht – sowie der Sound verschmolzen zu einem Ganzen, das einen erschauern lies. Der schwer psychedelische Sound mit Einflüssen aus der asiatischen, orientalischen, indischen und sogar elektronischen Musik sowie der monotone, mantraartige Gesang erschufen eine bedrückende, dennoch fesselnd-hypnotische Stimmung, wie ich sie so bisher noch nicht gehört habe.
Mit MONOTEKKTONI, dem Soloprojekt der Berlinerin Tonia Reeh ging es dann auf der Nebenbühne weiter. Als Ein-Frau-Band war sie für den gesamten Sound selbst verantwortlich, ihre von Electronica und Indie beeinflussten, phantasiereichen Songs wurde aber leider wenig Aufmerksamkeit zu Teil, da immer noch recht wenig Publikum das Festivalgelände füllte. Hier hätte man in der Running Order die recht Postrock lastigen Abende etwas entzerren können
Nebenan brachten daraufhin WOLVES IN THE THRONE ROOM mit ihrem von Ambient und Postrock beeinflussten Blackmetal die Hütte gehörig zum Wackeln, das nun deutlich größere Publikum ging gut mit. Schade, dass das ganze nur eine halbe Stunde dauerte, der spielfreudigen Band hätte deutlich mehr zugestanden.
Auch THE OCEAN konnten mit ihrem eigenständigen, im Postrock verwurzelten Sound überzeugen, besonders die atmosphärischen Instrumentalparts gepaart mit der an God Is An Astronaut erinnernden Videoshow hinterließen einen positiven Eindruck, auch wenn die Videos bisweilen dann doch nicht ganz passend waren.
Mit PG.LOST waren dann schon wieder Postrocker dran, die zwar ebenfalls eine gute Show ablieferten, sich aber zumindest musikalisch nicht ganz eigenständig präsentierten. Kann man sich zuhause nochmal anhören.
Den Sturm vor der Ruhe lieferten uns ENTOMBED, das Publikum nutzte die Gelegenheit ausgiebig um noch einmal richtig die Sau rauszulassen. Dann ging das Licht aus und man sah nur noch vier spärlich beleuchtete, spärlich behaarte Köpfe. BOHREN & DER CLUB OF GORE lieferten mal wieder eine „Show“ vom allerfeinsten ab. Der pechschwarze Humor (?) des Saxophonisten und Pianisten Christoph Clöser, der in Liedansagen wie „Das nächste Lied ist Beweis dafür, dass es auch in einem ruinierten Leben Momente der Schönheit und der Freude geben kann“ seinen Ausdruck fand sowie die absolut auf die Musik konzentrierte Performance ließen mal wieder keinen Zweifel daran, wer die Meister der schwarzen Klangmalerei sind. David Lynch wäre stolz.
Mit NILS FRAHM betrat zu Beginn des zweiten Tages der wohl interessanteste Künstler des Festivals die Bühne. Nur mit Piano bewaffnet vermochte er die leider noch nicht besonders zahlreichen Zuschauer mit seinem klassisch inspirierten Klavierspiel in eigene Klangwelten zu entführen. Das Publikum dankte es mit tosendem Applaus. Definitiv eine persönliche Entdeckung.
Sehr gut Druck machten danach SAMAVAYO mit ihren eingängigen, straighten Rock und konnten trotz ihrer frühen Spielzeit schon viel Publikum ziehen, stachen aber dennoch nicht maßgeblich heraus.
Deutlich von den sonstigen Postrock Bands des Festivals konnte sich die junge Band KA:MAS abheben, die mit ihren abgefahrenen, funkigen Instrumentalabschnitten teilweise an King Crimson erinnerte.
Mit GRAILS trat auf der Hauptbühne daraufhin eine weitere Neuentdeckung des Festivals auf. Der Grundsound war zwar eindeutig Postrock, die Klangtexturen konnten aber mit ungewöhnlich durchdachtem, stimmungsvollem Charakter aufwarten. Ebenfalls eine Neuentdeckung. ROBIN TOM RINK vermochte dagegen kaum zu überzeugen. Der Sound war abgesehen von ein paar Postrock Intermezzos dominiert von simpler Klavier-Gesang-Langeweile und einfallslosen Texten.
LONG DISTANCE CALLING lieferten einen routinierten, jedoch insgesamt wenig spektakulären Gig ab, auch das Publikum zeigte wenig Regung. Schade, zu anderen Gelegenheiten konnte die Band deutlich mehr abräumen.
CRIPPLED BLACK PHOENIX waren zwar hoch motiviert, hatten aber mit dem insgesamt schlechten Publikum zu kämpfen. Noch nie habe ich ein Mitsingspiel dermaßen in die Hose gehen sehen. Verdient hatten sie das keinesfalls, denn musikalisch gehörte die Band zur Spitze des Festivals.
Mit den Schweizern LEECH traten die Blutsbrüder von LONG DISTANCE CALLING auf und belustigten die zahlreichen Zuschauer gleich beim Soundcheck etwas unfreiwillig mit ihrem Switzerditsch. Was aber dann kam stellte locker das halbe Festival in den Schatten und riss das Publikum völlig in seinen Bann. Schon auf Platte gehört der seelenvolle, dennoch straighte Instrumentalrock mit zum fesselndsten, was sich zur Zeit auch nur annähernd um die Flagge des Postrock schart. Live war das Ganze jedoch nochmal eine völlig andere Erfahrung, die Schweizer waren die einzige Band des Festivals, die unter „Zugabe“-Rufen die Bühne räumte.
THE BLACK HEART PROCESSION spielten guten Postrock, stachen jedoch besonders durch die gigantischen Gitarrensoli heraus, bei denen man meinte, David Gilmour höchstpersönlich hätte sich in einem Zakk Wylde Outfit auf die Bühne gestellt. Ebenfalls eine Band, der man im CD-Player nochmals eine Chance geben sollte.
Insgesamt war das Friction den Besuch durchaus Wert, trotz des für den Bekanntheitsgrad der meisten Bands recht hohen Preises von 55€. Das Billing war rückblickend aber zu postrock-lastig. Klar, auch hier unterscheiden sich die Bands, aber eben doch nicht so sehr, dass man das einen ganzen Abend ohne Gähnen sehen kann. Das wird dann den einzelnen Bands auch nicht wirklich gerecht. „Ausreißer“ wie MONOTEKKTONI oder NILS FRAHM machten das Festival musikalisch erst richtig interessant, umso unverständlicher waren die stiefmütterlichen Frühabend-Slots, wodurch die Bands von viel zu wenig Leuten gesehen wurden. Will das Festival seinem Anspruch gerecht werden, dem Besucher Perlen aus unterschiedlichen Ecken zu bieten müssen die Ecken auch gleichberechtigt platziert werden, auch wenn sie unbekannter sind. Entdecken ließ sich dennoch einiges und ich hoffe, dass die Veranstalter das Festival mit kleinen Verbesserungen wiederholen.