Die Musik der FLYING COLORS ist so bunt, wie ihr Name schon sagt: Bei der stark besetzten Supergroup trifft Prog auf Pop, stehen komplexe Instrumentalparts neben eingängigen Mitsing-Melodien. Wir waren für euch beim einzigen Deutschland-Konzert von Schlagzeuger Mike Portnoy (Transatlantic, ex-Dream Theater), Gitarrist Steve Morse (Deep Purple, Dixie Dregs, ex-Kansas), Keyboarder Neal Morse (Transatlantic, ex-Spock’s Beard), Bassist Dave LaRue (Dixie Dregs) und Sänger Casey McPherson (Alpha Rev, Endochine) – am 11. Oktober in der Frankfurter Batschkapp.
JOHN WESLEY BAND
Die Aufgabe des Anheizers hat heute JOHN WESLEY, vor allem bekannt als Live-Gitarrist von Porcupine Tree. Wirken die Songs seines aktuellen Soloalbums „Disconnect“ auf Platte fad und farblos, entwickeln sie live eine völlig neue Lebendigkeit – gleichsam kraftvoll und melodisch. Aus John Wesleys gut eingespielter Begleitband sticht vor allem Bassist Sean Malone (Cynic, Gordion Knot) heraus, der mit beeindruckender Leichtigkeit (Fretless-)Bass und Chapman Stick spielt. Auffällig ist der erstaunlich klare Sound, den ich bei einer Vorband selten so erlebt habe. All das sorgt für 35 kurzweilige Minuten, die mit sehr ordentlichem Applaus belohnt werden. Ohne Frage: JOHN WESLEY passt als Support wesentlich besser zu den Flying Colors als noch Beardfish vor zwei Jahren.
Setlist JOHN WESLEY:
01. Disconnect
02. Pretty Lives
03. Mary Will
04. Take What You Need
05. How Goes The War
06. Once A Warrior
07. Any Old Saint
08. Gets You Everytime
FLYING COLORS
Im Gegensatz zur ersten Tour, haben die FLYING COLORS dieses Mal einen entscheidenden Vorteil: Nach der Veröffentlichung ihres zweiten Albums „Second Nature“ ist jetzt genug eigenes Material für eine komplette Show vorhanden. Das macht sich gleich mehrfach positiv bemerkbar: Zum einen müssen die Jungs ihr Set nicht mit Coverversionen aus dem Umfeld der Bandmitglieder auffüllen. Zum anderen besteht die Setlist fast ausschließlich aus Highlights, weil man in der glücklichen Lage ist, schwächere Songs einfach weglassen zu können. Das Ergebnis ist eine kurzweilige und energetische Show, die kaum Schwachpunkte hat.
Mit „Open Up Your Eyes“ vom aktuellen Album setzen die FLYING COLORS schon direkt zu Beginn ein Ausrufezeichen: Rasante Instrumentalparts treffen in diesem epischem Prog-Longtrack auf berührende Melodien – meiner Ansicht nach ihr bestes Stück überhaupt, packend dargeboten und absolut mitreißend. Im Anschluss schaltet man mit dem Groove-Rocker „Bombs Away“ erst einmal zwei Stufen zurück.
Es ist erstaunlich, wie fantastisch die Mischung aus Prog, Rock und Pop live funktioniert. Egal, ob gerade ein minutenlanger Instrumentalpart oder der nächste hitverdächtige Refrain ertönt: Die Stimmung im Publikum ist von Beginn an gut. Die Batschkapp ist zwar nicht ausverkauft, aber doch sehr gut gefüllt. Kein Wunder, schließlich ist dies das einzige Deutschlandkonzert der Tour – und dazu noch an einem Samstagabend.
Vergleicht man den Auftritt mit den ersten Konzerten vor zwei Jahren, wird schnell klar: Aus dem Projekt ist eine Band geworden! Die Jungs sind entspannter, dynamischer und besser eingespielt. Auffällig ist, dass die Band ein wenig führungslos wirkt – es gibt keinen klaren Frontmann. Casey McPherson ist zwar als Hauptsänger im Vordergrund, aber an sich eher ein ruhiger und zurückhaltender Zeitgenosse. Mike Portnoy und Neal Morse hingegen gehen wesentlich mehr aus sich heraus, ziehen mit ihrer sichtbaren Freude an der Musik die Aufmerksamkeit quasi automatisch auf sich.
Vom aktuellen Album „Second Nature“ spielt das Quartett fast alle Songs – lediglich „Lost Without You“ hat es nicht in die Setlist geschafft. Das 2012er-Debüt ist mit fünf Tracks vertreten, allesamt aber Highlights: Sei es der Funk von „Forever In A Daze“, der Schmachtpop von „Kayla“ und „The Storm“, das treibende „Shoulda Coulda Woulda“ oder die Zugabe „Infinite Fire“, die das Konzert ähnlich furios abschließt, wie es begann.
Der schönste und innigste Moment des Abends gehört aber Casey McPherson allein: Als einziger darf er (dann doch) einen Song seiner Hauptband Alpha Rev zum Besten geben. Nur mit seiner Gitarre und seiner Stimme bewaffnet, zieht er die Batschkapp in seinen Bann – sein phantastischer Gesang geht durch Mark und Bein! Der Übergang zur Gänsehaut erregenden Ballade „Peaceful Harbor“ ist nahtlos und absolut perfekt. Abgesehen von den Prog-Lehrwerken am Anfang und Ende des Konzerts ist dieser Moment ohne Zweifel die Klimax der Show.
Licht und Ton sind ordentlich, auch wenn Caseys Stimme hin und wieder leicht im Mix untergeht und man für 40 Euro Eintritt durchaus etwas mehr als nur ein paar bewegliche Strahler erwarten darf. Dass man bei einer zehn Shows umfassenden Tour aber keinen wahnsinnigen Aufwand betreibt, ist irgendwo auch zu verstehen. Die geringe Anzahl an Gigs hat in diesem Falle übrigens tatsächlich mit dem vollen Terminkalender der Bandmitglieder zu tun und weniger mit einer allzu ökonomischen Tournee-Planung.
Das Fazit jedenfalls fällt leicht: Ein cooler, unterhaltsamer Abend, an dem sich die FLYING COLORS zwei Klassen besser präsentiert haben als noch vor zwei Jahren in Köln. Der etwas größere Rahmen tat der Show sehr gut und darf beim nächsten Mal gern auch mit einer aufwändigeren Bühnenshow gewürdigt werden. Daumen hoch für ein Projekt von absoluten Profis, das live deutlich besser funktioniert als auf Platte.
Setlist FLYING COLORS:
01. Open Up Your Eyes
02. Bombs Away
03. Kayla
04. Shoulda Coulda Woulda
05. The Fury Of My Love
06. A Place In Your World
07. Forever In A Daze
08. One Love Forever
09. Colder Months (Alpha Rev Cover)
10. Peaceful Harbor
11. The Storm
12. Cosmic Symphony
13. Mask Machine
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14. Infinite Fire
Bandfotos: Jim Arbogast