Konzertbericht: Firewind w/ Leaves‘ Eyes

2012-09-28 Hamburg, Knust

Wochenendplanung? Dieser Freitag Abend ist gerettet: Die Vorzeigeband des griechischen Power Metals, FIREWIND, befindet sich schließlich gerade auf Europa-Tour. Mit dabei sind die symphonischen Deutsch-Norweger von LEAVES‘ EYES. Wenn die beiden zusammen auch noch im urgemütlichen Knust direkt auf St. Pauli auftreten, kann eigentlich nichts mehr schief gehen – oder?

Es ist dieser Tage ein eher ungewöhnliches Konzept, nur eine Hauptband mit Support auf den Weg zu schicken. Die meisten Booker und Promoter bestehen ja auf mindestens drei, besser vier Bands, damit die Halle auch voll wird. Und tatsächlich ist der nur mäßige Andrang an diesem Abend so ziemlich das einzige, was man kritisieren könnte. Dabei wirkt es zunächst noch ganz anders: Als wir die Location erreichen, drängeln sich vor dem Knust dunkel gekleidete Gestalten. Erste Spekulationen über „sold-out“ machen die Runde – nur um festzustellen, dass die dunklen Herren offenbar Fans des 1. FC St. Pauli sind, die dort das Spiel gegen den SSV Jahn Regensburg geguckt haben – jedem das sein.

Nachdem wir ein Problem bei der Akkreditierung dank der hilfsbereiten Mitarbeiter des Knusts überwunden haben, dürfen wir den Konzertraum betreten. Dort verfliegt sofort das Gefühl einer großen Menschenmenge. Verhältnismäßig leer präsentiert sich der ohnehin nicht allzu große Raum, nur eine Gruppe Hardcore-Fans von LEAVES‘ EYES hat sich bereits vor der Bühne eingefunden. Aber es ist ja noch früh. Dank fairer Getränkepreise verfliegt die Zeit bis zur Vorband wie im Fluge.

Mit Spirits‘ Masquerade vom aktuellen Album „Meredead“ beginnt pünktlich um 21 Uhr der Auftritt von LEAVES‘ EYES. Sofort wird klar: Der Symphonic Metal der Band um Sängerin Liv Kristine fällt hier auf mehr als fruchtbaren Boden. Begeisterte Fans aller Altersklassen füllen inzwischen gut die Hälfte der Konzerthalle, so dass keiner mehr gegenüber den Fußballfans vom Anfang Minderwertigkeitskomplexe entwickeln muss. Wenn man nur die T-Shirts zählt, hat man fast den Eindruck, es wären mehr Fans der Vorband hier als der Hauptband – ein Eindruck, der sich im Verlaufe des Abends aber relativieren wird.
Als beim dritten Song Sänger Alexander Krull mit auf die Bühne kommt, gewinnt die Show an Fahrt, hatte die Band doch zuvor etwas statisch gewirkt. Bewegung der Musiker gibt es kaum und nennenswerte Interaktion mit dem Publikum bleibt völlig auf den langhaarigen Hünen beschränkt – der macht seine Sache dafür aber ganz ausgezeichnet und animiert die gesamte Halle zum Mitklatschen. Auch erste Mitsingspiele zünden. Vielleicht ist dies einer der Vorteile der Touren mit weniger Bands: Es finden sich einfach mehr „richtige“ Fans vor der Bühne ein.

Spielerisch kann man LEAVES‘ EYES jedenfalls keine Schwächen vorwerfen und auch der Sound ist astrein. Die vielen Samples, die die Band einsetzt, sind allerdings sicher Geschmackssache. Nicht nur die obligatorischen symphonischen Parts kommen vom Band, sondern auch der gesamte Backgroundgesang. Ob das nötig ist, kann man sicher noch einmal überdenken; ob es wirklich stört, liegt aber sicher an jedem selbst. Die anwesenden Fans stoßen sich offenkundig nicht daran und singen fleißig mit. Lediglich die Songauswahl scheint mir etwas einseitig geraten zu sein: drei Songs von „Meredead“ und vier vom 2009er-Output „Njord“ ergibt bei insgesamt 11 Songs eine starke Konzentration auf neueres Material – da hilft auch ein Schild nichts, das ein Fan hochhält, um den Klassiker „Into Your Light“ einzufordern.
Nach ziemlich genau 60 Minuten beendet die Band ihren Auftritt und lässt sich beim eingespielten „Mot Fjerne Land“ noch etwas feiern. Sowohl den Fans als auch der Band ist aber anzusehen, dass sie noch länger gekonnt hätten. Zufrieden gehen die meisten an den Getränkestand und, man wundert sich, manche gar nach Hause. Zumindest ist eine große Gruppe sehr junger Fans später nicht mehr zu sehen. Sie wussten wohl nicht, was sie taten, denn das eigentlich Highlight des Abends folgte noch.

Setlist LEAVES‘ EYES:
01. Spirits‘ Masquerade
02. Velvet Heart
03. Ocean’s Way
04. My Destiny
05. Emerald Island
07. Kråkevisa
08. Take The Devil In Me
09. Elegy
10. To France
11. Froya’s Theme
12. Outro: Mot Fjerne Land

Eine kleine Umbaupause ist schnell überstanden und um 22:30 betreten FIREWIND die Bühne. Mit „Wall Of Sound“ vom aktuellen Album „Few Against Many“ feuern sie gleich ein astreines Power-Metal-Brett ab, das sofort für gute Laune unter den Anwesenden sorgt. Hier bestätigt sich nun auch der Eindruck, dass die Fanbasis beider Bands unterschiedlich zu sein scheint: Vor der Bühne hat ein deutlicher Austausch stattgefunden. Viele, die bei Leaves‘ Eyes vorne standen, haben sich etwas zurückgezogen, andere wiederum, die vorher vorne noch nicht zu sehen waren, sind dazugekommen. Wie zuvor schon bei Leaves‘ Eyes ist das Publikum bunt gemischt: Von Jugendlichen, die vermutlich in Begleitung ihrer Eltern kamen, bis hin zu gestandenen Szene-Fans ist alles vertreten.

In vielerlei Hinsicht bieten FIREWIND eine perfekte Show, die auch die wenigen Schwächen ihrer Vorband gekonnt umschifft: Die Band ist ständig in Bewegung und scheint sich an der kleinen Bühne nicht im Geringsten zu stören. Jeder Musiker sucht (und findet) Kontakt zum Publikum, alle verbreiten gute Laune, wobei besonders Sänger Apollo hervorsticht, aus dessen Gesicht nie sein breites Grinsen verschwindet. Die gesamte Truppe präsentiert sich ursympathisch und ganz nahe an den Fans. Auch bei der Setlist des Abends gelingt die Mischung: Natürlich wird das neue Album „Few Against Many“ promotet, aber gleichberechtigt treten in der Songauswahl auch „The Premonition“ (2008) und „Allegiance“ (2006) hervor. Altes Material gibt es mit „I Am The Anger“, „Tyranny“ oder dem flotten „Destination Forever“. Dem Publikum gefällt es sichtlich und nach ein paar Songs kehren auch viele Fans von Leaves‘ Eyes vom Meet and Greet mit der Vorband zurück, so dass die Halle ihren besten Füllstand bei ca. zwei Dritteln der Kapazität erreicht.

Musikalisch gibt es jetzt ganz großes Kino. Natürlich bekommt Gus G ordentlich Gelegenheit, seine Gitarrenkünste unter Beweis zu stellen. Aber auch der Rest weiß zu begeistern – das synchrone Gitarren- und Keyboardspiel von Babis Katsionis muss man einfach mal gesehen haben. Auch Sänger Apollo klingt, als ob er gerade perfekt eingesungen aus dem Urlaub käme und nicht, als ob er seit 14 Tagen fast jeden Abend alles gibt.

Für den Zugabeblock hat die Band sich einige Besonderheiten ausgedacht: Auf dieser Tour verschenkt Gus bei 13 Terminen signierte Gitarren, die auf der Bühne überreicht werden. Dazu erhält jeder Besucher beim Betreten der Location ein Los und Gus zieht auf der Bühne einen glücklichen Gewinner. Hier darf sich ein Fan aus der ersten Reihe mit Firewind-Fan-Shirt über eine passende Gitarre freuen. Die Ankündigung von Apollo, bei der nächsten Show zusätzlich noch den Bassspieler zu versteigern, lockert die allgemeine Neidstimmung schnell wieder auf. Zudem gibt es mit „Breaking The Silence“ noch ein Duett mit Liv Kristine. Beim abschließenden „Falling To Pieces“ soliert Gus schließlich in der Fanmenge vor der Bühne, was begeistert aufgenommen wird und viele Leute mit netten Fotos vom Obergitarristen Griechenlands versorgen dürfte.

Auch nach längerem Nachdenken fällt mir nichts ein, was die Band hätte besser machen können – der einzige Kritikpunkt an diesem Auftritt ist, dass er mit genau 90 Minuten gerne noch etwas länger hätte dauern dürfen. Ein rundum gelungenes Konzert, das von der Band noch anständig abgerundet wird, indem sie sich kurz nach Ende im Foyer den Fans stellt. So soll ein Konzert sein, diese Tour ist eine Empfehlung wert!

Setlist FIREWIND:
01. Wall Of Sound
02. Head Up High
03. Destination Forever
04. Few Against Many
05. Insanity
06. World On Fire
07. Guitar Solo
08. The Fire And The Fury
09. Losing My Mind
10. Mercenary Man
11. Keyboard Solo
12. Angels Forgive Me
13. Glorious
14. Till The End Of Time
15. I Am The Anger
16. Tyranny

Zugabe
17. Into The Fire
18. Breaking The Silence (mit Liv Kristine)
19. Falling To Pieces

Alle Fotos von Johanna L.

Publiziert am von Marc Lengowski

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