Konzertbericht: Fiddler’s Green w/ Mainfelt

08.01.2017 München, Backstage

Das 13. Studioalbum als schlechtes Omen? Das Schicksal meinte es in den letzten Monaten jedenfalls nicht sonderlich gut mit FIDDLER’S GREEN: Erst mussten die Speedfolker ihre beiden Gigs in Losheim und München kurzfristig verschieben, dann drohte Schlagzeuger Frank aus gesundheitlichen Gründen für beide Ersatztermine auszufallen und zu allem Überfluss erlitten die Jungs auch noch eine LKW-Panne auf dem Weg ins Saarland. Während in Losheim an der Technikfront kräftig improvisiert werden musste und Ex-Fiddlers-Drummer Wolfram Kellner (jetzt J.B.O.) am Schlagzeug aushalf, schritt die Genesung von Frank The Tank schnell genug voran, so dass er in seiner Heimat wieder als Taktgeber fungieren konnte. Und auch das Equipment fand einen Tag später seinen Weg vollständig in die bayerische Metropole. Ende gut, alles gut!? Mehr als das.

Doch nicht nur das Ende überzeugt, auch der Anfang. Die Südtiroler MAINFELT eröffnen den Abend mit ihrem zweiten Auftritt in München. Dabei liefern die vier Musiker ein Paradebeispiel dafür ab, wie sich ein Support sein Publikum sukzessive erspielen kann: anfangs noch ein wenig verhalten und mit relativ simplen Melodieführungen im Folk-Country-Stil steigert sich das Quartett immer weiter und parallel dazu wächst die Menge vor der Bühne sowie der Zuspruch. „Backwards Around The Sun“ heißt das neue Album, das die Italiener Anfang Februar veröffentlichen, und ihre Show macht unverschämt viel Lust auf den bunten Stilmix, der gesanglich vereinzelt an Placebo erinnert und sich insgesamt an Mumford & Sons orientiert. Allerdings verkörpern sowohl die Musiker als auch ihre Kompositionen so viel Eigenleben und handgemachte Energie, dass jedwede Vergleiche immer unangebrachter erscheinen, je mehr MAINFELT mit Gitarrensoli und komplexeren Stücken die Herzen des Backstage-Publikums erobern. Eine völlig verdiente Zugabe krönt den Auftritt und dürfte der Truppe einige Fans mehr für ihre eigene Clubtour bringen.

Ursprünglich in der Tonhalle im Osten Münchens geplant, profitiert das Konzert schnell von der Verlegung in den Hexenkessel Backstage, der genau richtig gefüllt ist für eine fette Irish-Folk-Party. Mit „Leaving Of Liverpool“ eröffnen FIDDLER’S GREEN den Abend mit dem einzigen Traditional auf dem aktuellen Album „Devil’s Dozen“, bei dem es allerdings bereits eher modern als traditionell zugeht. Apropos „Devil’s Dozen“: Die Fiddlers scheinen großes Vertrauen in ihr neues Werk zu haben, denn ganze neun der insgesamt 13 neuen Lieder finden den Weg in das Live-Set – und funktionieren. „Bottoms Up“ vermittelt die pure Lust am Leben, während sich die süddeutschen Szeneveteranen in „Perfect Gang“ (nach über zehn Jahren in der jetzigen Besetzung) im besten irisch-folkpunkigen „Boys Of Summer“-Wohlfühlstil selbst feiern. Das teuflische Duzend als 13. Album der Bandgeschichte strotzt nur so vor Kreativität und Live-Tauglichkeit, einschließlich eines hervorragenden Styx-Cover von „Boat On The River“, zu dem der an diesem Abend ansonsten beschäftigungslose Wolfram als zweiter Mann an der Percussion begleitet. Gleich zu Beginn zeigen sich FIDDLER’S GREEN bei „Down“ inspiriert von Rockgrößen früherer Jahre und greifen Melodien von Simon & Garfunkels „El Condor Pasa“ auf, ehe wieder der irische Folkrock dominiert. Die Kombination als Alt und Neu funktioniert über die gesamte Show außerordentlich gut, so dass bereits früh beste Stimmung in der Halle herrscht und auch Albis neuestes verspieltes Experiment namens „Mr. Tickle“ seine Zuhörer findet.

Zu „Yindy“, einem der überraschendsten Hits der Bandgeschichte, springt fast die gesamte Halle im Takt und damit noch mehr Anwesende als zu Beginn bei „Mrs. MacGrath“, das im Refrain ebenfalls zur kollektiven Ekstase einlädt. Mit „Victor And His Demons“ sowie „Old Dun Cow“ sorgen weiteren Live-Granaten für wirklich laute Reaktionen und Remmidemmi an einem schwungvollen Abend, bei dem vor allem die neuen Live-Kracher viele der guten bis sehr guten Vorgänger beinahe vergessen machen. Unterbrochen wird die Dauerparty nur selten von ruhigeren Momenten wie „Blame It On Me“ oder einem Geigen/Percussion-Solo mit geloopten Violinspuren bekannter Melodien a la „Smoke On The Water“. Zu „Bad Boys“ startet dann (um eine bemitleidenswerte Mitte herum) der erste amtliche Circle Pit des Abends. Dieser beschränkt sich glücklicherweise auf all diejenigen, die daran Spaß haben. Das neue Album der Süddeutschen ist teilweise nicht weit von Combos wie den Dropkick Murphys entfernt und das hört man nicht nur, sondern sieht man in diesen Minuten auch. Im verbleibenden Teil des Konzerts findet die Menge weiterhin regelmäßig Spaß am Prügeltanz, wobei die Fiddlers „Life Full Of Pain“ und „Sporting Day“ zu einem auch ohne Pit schweißtreibenden Medley verquicken, bei dem ordentlich mitgetanzt oder im Refrain des Zweitgenannten eingestimmt wird.


Als die Irish Speedfolker mit „The Night Pat Murphy Died“ zum Endspurt ansetzen, bildet sich um zwei muskulöse Jugendliche eine größere Freifläche, die diese ausgiebig zum Tanzen nutzen. Nicht unbedingt das beste Timing, doch spontan addieren die sichtlich irritierten Albi, Pat, Rainer, Stefan, Frank und Tobi noch einen Refrain, zu dem dann alle ein letztes Mal ordentlich abgehen können. Nach einem kurzen Solo-Intermezzo von Pat läutet „Rocky Road To Dublin“ die Zugaben ein und die Wall Of Folk gleicht an diesem Abend eher einer Wall Of Death, da kaum die von der Band sonst gewünschten Zuneigungen ausgetauscht werden. Müssen sie auch nicht, denn am Ende schwenken trotz ordentlicher Rempeleien alle Tanz- oder Feierwütigen wieder gemeinsam ihre T-Shirts und Oberteile. „The More The Merrier“ denken sich anschließend vermutlich alle Besucher und so endet der Abend erst nach einem weiteren Doppelpack mit dem obligatorischen „Blarney Roses“ als Abschluss im Konfettiregen.

Ohne „Donkey Riding“, einen Ausflug der Musiker in die Menge und andere probate Live-Rituale der Vergangenheit begeistern FIDDLER’S GREEN durch ein ungemein live-taugliches „Devil’s Dozen“. Zwar konzentriert sich das Set ausschließlich auf die jüngere Bandgeschichte, doch gerade in dieser stilistischen Ausprägung des Irish Speedfolk liegen die aktuellen Stärken der Kapelle. Auch subtoptimale Voraussetzungen in der Vorbereitung und ein Locationwechsel können die sechs Vollblutmusiker nicht stoppen, die ohne Durchhänger vielleicht ihre beste München-Show aller Zeiten abliefern. Die magische 13 könnte am Ende sogar ein Glücksfall in der Bandvita sein. Let’s go, Fiddlers! 

 

 

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