Festivalbericht: Festival-Mediaval XV – Tag 1

06.09.2024 - 08.09.2024 Goldberg, Selb

15 Jahre FESTIVAL-MEDIAVAL – zum Jubiläum spielen auf den Hauptbühnen passenderweise 15 Acts, darunter neben einigen Rückkehrern auch neue Gesichter wie die Hamburger LORD OF THE LOST mit ihrem exklusiven Akustikprogramm. Am Freitag dominieren am Goldberg allerdings zunächst Altbewährtes und mit IN EXTREMO ein Headliner, dessen Strahlkraft für einen mehr als regen Andrang sorgt. Noch nie zuvor sah man pünktlich zum Einlass derartig lange Schlangen. Erwartungsgemäß führt dies zu längeren Wartezeiten und auch einigen InEx-Fans, die es nicht pünktlich zur Autogrammstunde schaffen.

Zur offiziellen Eröffnung richtet der Selber Bürgermeister Wolfgang Kreil einige Worte an die Menge und bestätigt unter anderem, dass das die Zukunft des Festivals auch für die nächsten Jahre gesichert ist. Groß ist die Freude vor der Hauptbühne und auch Veranstalter Bläcky freut sich offenkundig darüber, dass es das Mediaval zu dieser Größe und langjährigen Tradition gebracht hat. Passend zum Jubiläum gibt es dann auch die ersten Geschenke in Form von CDs, die zahlreich von der Bühne in die Menge geworfen und anschließend auch fleißig getauscht werden. Noch bevor die erste Band auf die Bühne tritt, ist die Stimmung unter den Gästen dadurch bereits mehr als gut und die Verzögerungen beim Einlass sind bei den Anwesenden spätestens jetzt vergessen.

Foto @ konzertreport.de

Das Festival musikalisch eröffnen die niederländischen Pagan-Folker SEED, die traditionelle Melodien aus Europa mit eigenen Ideen zu einem atmosphärischen Ganzen weben. Mit einer kurzen Begrüßung auf Deutsch stellen sich die Niederländer vor, bevor sie schließlich ihre tanzbaren und verträumten Stücke mit kleinen Anekdoten auf Englisch ankündigen. So gibt es Songs zu hören, die davon handeln, dass es in Ordnung ist, sich verloren zu fühlen. Stücke, die die Tiere ehren, die uns in unseren Leben begleiten und bereichern. Und Lieder, die die wandernden, frühen Hobbits gesungen haben könnten. Ein neuer Song namens „Wild Things“ wird das erste Mal überhaupt gespielt und findet mit den rhythmischen Klängen und einem kleinen Flötensolo viel Anklang. Die verspielten Melodien zaubern eine wunderschöne, einladende Atmosphäre auf den Goldberg und sind perfekt, um auf das Fesrtival-Wochenende einzustimmen. Speziell Omnia-Fans sollten hier auf ihre Kosten kommen, unter anderem da ehemalige Mitglieder zur Besetzung von SEED zählen.

Foto @ Oliver Richter

Es ist fast abstrus, aber auf dem Festival-Mediaval haben TOMMY UND SOPHIA KRAPPWEIS ihre erste gemeinsame Lesung. Sophia, die seit langem Tommys Bücher lektoriert und seine Leseauftritte managed, war bisher noch nie Teil seiner Auftritte gewesen. Das ändert sich nun im voll besetzten Literaturzelt. wo beide das Buch „Kohlrabenschwarz“ vorstellen – eine Hörspielreihe, die erst zu einer Serie (aktuell bei Magenta TV zu sehen) und nun schließlich zu einem Buch adaptiert wurde. Typisch für Tommys Auftritte dauert es aber ganze 30 Minuten, bis sie zur eigentlichen Lesung des ausgesuchten Kapitels kommen – gemeinsam schwelgt das Paar in Erinnerungen an vergangene Lesereisen und schwierige Momente bei der Entwicklung des neuen Buches. Die kurze Szene, die sie aus der Hörspielfassung vorlesen, spielen sie sehr authentisch. Sophia, die unter Long-Covid leidet, meistert ihren ersten Leseauftritt souverän und ergänzt Tommys komödiantisches Talent mit ihrem eigenen, sehr trockenen Humor. Hoffentlich wird es auch in Zukunft weitere Auftritte der beiden geben.

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„1000 Jahre Tanzmusik“ lautet der Titel des letzten Werks von CORVUS CORAX – und unter diesem Motto steht auch die diesjährige Show beim Festival-Mediaval. Ganz ohne Fantastical, Stromgitarren und andere Elemente konzentrieren sich die Spielleute auf das, was sie vielleicht am besten können: Spielmannsmusik. „Sauf noch einen“, „Venus Vina Musica“ und „In Taberna“ präsentieren die Berliner dieses Mal als dreifache Einladung zum gemeinsamen Umtrunk und einige Gäste heben dazu bereitwillig ihre Krüge, während andere das Tanzbein schwingen. Ältere Stücke wie „Sverker“ sind kompositorisch ausgefeilter, speziell im Vergleich zum aktuellen „Komm schenket ein“, doch das sind lediglich Details in einer insgesamt runden Show. Wer sich an den mittelalterlichen Melodien sattgehört hat, kann sich auf dem Goldberg problemlos anderweitig die Zeit vertreiben. Für all diejenigen, die am Ball bleiben, gibt es u.a. zu „Her Wirt“ noch die größte Drehleier der Welt zu sehen, einen weiblichen Gast auf der Bühne und traditionell Vielgespieltes wie die „Merseburger Zaubersprüche“.

Foto @ Oliver Richter

Fernab des Haupt-Acts lädt PURPUR-Mitglied TINI AKA GABRIA relativ spontan zu einer kleinen Release-Show von „Days Gone“ ein, welches am 10. Oktober erscheint. Dabei handelt es sich um ein Konzeptalbum rund um Schlaflieder, so dass es beim Auftritt mit allerlei Gästen naturgemäß ruhiger zugeht. Mit dabei sind neben ihrer Schwester Judith unter anderem auch Ella Zlotos (Saor) an der Flöte und Maria von Heiter bis Folkig an der Harfe. Wer Kontrastprogramm und gleichzeitig wertige musikalische Unterhaltung mit weiblichem Klargesang sucht, findet hier ein Zuhause für den Freitagabend.

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Der Andrang an der Hauptbühne macht wiederum genau wie die Schlange zum Festival-Beginn mehr als deutlich, für wen ein Großteil der Besucher heute gekommen ist: IN EXTREMO. Zwar mussten die Folk-Metaller die Veröffentlichung ihres aktuellen Albums um eine Woche nach hinten verschieben, doch mit „Wolkenschieber“ gibt es dennoch einen ersten Vorgeschmack auf das neue Werk mit dem gleichen Titel. Erwartungsgemäß hat sich an der Erfolgsformel der Berliner wenig geändert. 2017 spielten die IN EXTREMO bei ihrem ersten Gastspiel in Selb eine fulminante Show, die etwas überraschend zu den Highlights des gesamten Wochenendes zählte. Diesen Level erreichen Micha, Specki und Co. dieses Jahr nicht ganz, dafür wirkt der Auftritt am Ende zu routiniert, wenngleich die hervorragend abgestimmten Pyro-Effekte (und Seifenblasen) viel zum Live-Erlebnis beitragen. Leider schießen die Verantwortlichen bei der Lautstärke teils deutlich über das Ziel hinaus, so dass gerade zu Beginn einige vom mehr als lauten Knall sichtlich irritiert sind. Stimmig sind wiederum Michas Ansagen zum Festival, in denen er sich sichtlich darüber freut, wieder einmal auf einem, wie er es nennt, „Mittelaltermarkt“ zu spielen. Ihren eigentlichen (Markt-)Wurzeln sind IN EXTREMO im Laufe der Zeit immer mehr entwachsen. Die Setlist ist dafür ein angenehm bunter Mix aus neu und alt: Mit „Villeman og Magnhild“ gibt es sogar den gemäß Ankündigung ersten Song, den InEx je gemeinsam vertont haben, zu hören. Gefühlt werden die Klassiker wie „Herr Mannelig“ oder „Spielmannsfluch“ am Goldberg etwas mehr gefeiert und besser angenommen als das prollige „Sternhagelvoll“. Im Zugabenblock greift Micha schließlich für „Ai Vis Lo Lop“ selbst zum Dudelsack, ehe ein unerwartet großes Feuerwerk beim Abschluss „Pikse Palve“ den Freitag für viele Gäste beendet.

Foto @ Oliver Richter

Zu Unrecht, denn die Piraten-Party im Hafenviertel mit PYRATES gerät durchaus charmant und ebenso feiertauglich, wenngleich natürlich in einem überschaubareren Rahmen. Überaus überzeugend ist dann auch der tatsächliche Abschluss in Form einer Feuershow von AD ABSURDUM zu epischen instrumentalen Klängen von Stücken wie „O Fortuna“. Bereits letztes Jahr verzauberten die begnadeten Artist:innen den harten Kern der Besucher mit einer gekonnten Inszenierung im Nachthimmel.

Etwas überspitzt formuliert könnte man den Freitag des FESTIVAL-MEDIAVAL als IN EXTREMO mit Rahmenprogramm bezeichnen, ähnlich wie das „Weckt die Toten“-Festival wenige Wochen zuvor. Dafür geht die Preispolitik am Goldberg mit rund 75 Euro je Ticket in Ordnung. Wer nur für InEx den Weg nach Selb angetreten ist, bekommt gleichzeitig einen wunderbaren Vorgeschmack auf alles, was dieses Festival am gesamten Wochenende so besonders macht.

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