Unter dem Motto „Folk of the World“ versammeln sich beim FESTIVAL-MEDIAVAL XIV am Selber Goldberg an insgesamt vier Tagen sowohl bekannte Gesichter als auch viele, neue Bands aus aller Herren Länder. Weltoffenheit, Toleranz und ein großes Miteinander werden dabei nicht nur auf der Bühne zelebriert, sondern auch auf dem gesamten Gelände, auf dem es abseits der Musik viel zu entdecken gibt.
Die obligatorische Begrüßung durch Veranstalter Bläcky und den Selber Bürgermeister findet dieses Jahr an der kleineren der beiden Hauptbühnen in angenehm kompakter Form statt: Die Anmoderation übernimmt das Gaukler-Duo BASSELTAN, die besonders mit Blick auf das Line-Up 2024 die gesamte Menge für „Meister“ Bläcky vor der Bühne knien sehen wollen – das klappt spontan allerdings nicht so richtig und wird kurzer Hand auf das Mediaval XV verschoben. Bläcky richtet anschließend noch einige emotionale Worte an die Besucher und spricht unter anderem über seinen Vater, der vor kurzem verstorben ist und ohne den es das Festival in dieser Form nicht gäbe.
Mit NARRENGOLD beginnt der musikalische Teil des Donnerstags direkt schwungvoll und vielversprechend – obwohl die Österreicher viel improvisieren müssen. Mit Sackpfeifenspielerin Filia fällt eines der Gesichter und zentralen Elemente der Band kurzfristig aus, Geiger Ronny kämpft mit einem Gips an seiner Hand. Fronter Rian benennt die Combo für heute in „Narrengold minus 1,5, das Invalidenprojekt“ um und zu viert holen die verbleibenden Musiker zusammen mit dem Publikum alles heraus. Frisch, folkig und mit viel guter Laune spielen NARRENGOLD erfolgreich gegen alle Widrigkeiten an und dürfen sich unter anderem über fünf Tänzerinnen freuen, die nach etwas Überredungskunst von Rian sogar nach vorne an die Bühne kommen und dort vom Publikum mit Getränken versorgt werden.
Mit TOMMY KRAPPWEIS im Hafenviertel und BRAN auf der großen Bühne folgt direkt die erste unglückliche Überschneidung des Festivals, da beide Acts auf komplett unterschiedliche Art begeistern: TOMMY KRAPPWEIS entpuppt sich allein mit seiner Gitarre, kleinen Anekdoten über Bernd das Brot und viel Sinn für Improvisation wieder einmal als absolute Rampensau, die die Rolling Stones covert, kurzfristig einen Drummer von Reikas Tanz herbeizaubert und „Long Train Running“ mit einer solchen Inbrunst schmettert, dass es die Doobie Brothers zusammen nicht besser hinbekommen würden. Auch als akustische One-Man-Show wäre diese Performance für die größeren Bühnen eine wahre Bereicherung. Den tschechischen BRAN gelingt es wiederum, die sanften Töne so gefühlvoll zu treffen, dass sie mit ihren teils traditionellen und teils modernen Vertonungen berühren. So werden die wohlbekannten „Son Ar Chistr“ und „Ye Jacobites By Name“ zu einem dynamischen musikalischen Kleinod und mehr als nur Begleitmusik für Met und Knoblauchbrot.
Das Trio VIOLONS BARBARES ist mit seiner Weltmusik bereits am Eröffnungstag 2016 am Goldberg zu Gast gewesen. Zwei weitere Alben hat die Truppe in der Zwischenzeit veröffentlicht und seinen einzigartigen Stil damit weiter verfeinert, zuletzt „Monsters and Fantastic Creatures“ in diesem Jahr. 2019 waren die drei Musiker sogar beim Wacken Open Air zu sehen. Mit ihrem extravaganten Instrumentarium und Gesang passen VIOLONS BARBARES gefühlt aber besser zum Festival-Mediaval als auf den Holy Ground, besonders beim diesjährigen Motto. Prägend für die Musik sind Einflüsse aus Bulgarien und der Mongolei, die sich sowohl in den Instrumenten mit Pferdekopfgeige oder Gadulka als auch im (Oberton-)Gesang widerspiegeln. Die Kompositionen entstammen primär der Feder von Dimitar Gougov und funktionieren am besten in ihrer Gesamtheit. Ihre 90-minütige Spielzeit füllen VIOLONS BARBARES abwechslungsreich und kurzweilig.
Deutlich spezieller und gleichförmiger wird es bei CARMINHO als nominellem Headliner des Donnerstags. Dem portugiesischen Fado verschrieben, widmet sich Sängerin Maria mit ihrer Stimme einzig dieser Musikrichtung. In ihrer Heimat Portugal zählt sie damit zu den musikalischen Größen und landete mehrere Nummer-Eins-Alben mit Warner Music als Label. Vor einiger Zeit trat sie sogar live vor dem Papst auf. Maria freut sich auch ganz offenkundig sehr darüber, beim Festival-Mediaval zu Gast zu sein. Das wird besonders in ihren sehr persönlichen Ansagen deutlich. Die Inszenierung der Band gerät wahnsinnig stimmig, besonders anfangs mit starken Schwarz-Weiß-Kontrasten und später mit gezielt eingesetzten Scheinwerfern. Beim Fado an sich scheiden sich die Geister: Einige Besucher verlassen die Schlossbühne schnell, andere entdecken eine neue musikalische Welt. Einen Mittelweg scheint es dafür nicht zu geben. Auf dem Platz vor der Burgbühne liefern indes AD ABSURDUM mit ihrer umjubelten und faszinierenden Feuershow noch ein non-musikalisches Highlight der Extraklasse.
Wer das Programmheft genauer studiert, findet schnell heraus, dass die ehemaligen Contest-Gewinner KAPEIKEN als einzige Band zwar erwähnt werden, aber keine Spielzeit in den Bühnenplänen zugewiesen bekommen haben. So spielt die muntere LARP-Truppe aus Hamburg dann auch erwartungsgemäß das rund einstündige geheime Nachtkonzert. Im Vorjahr durften die Hansestädter noch das Programm auf der Schlossbühne am Sonntag eröffnen; keine 365 Tage später entwickelt sich die Stimmung im prallgefüllten Hafenviertel zu später Stunde so prächtig, dass das Konzert aus Lärmschutzgründen relativ abrupt abgebrochen werden muss. Leider sind die KAPEIKEN auch 2023 nicht vollzählig, da erneut eine der beiden Musikerinnen ausfällt. Dies fällt allerdings nicht weiter ins Gewicht. Wer die Band an diesem Abend verpasst, kann sie an den weiteren Tagen als Walking Act (oftmals mit eher wenig Walking) erleben.
So kann, darf und sollte ein Festival beginnen. Passend zum Motto gestaltet sich der Auftakt zum FESTIVAL-MEDIAVAL XIV bunt, vielfältig und von Beginn an unterhaltsam. Das Mediaval beweist dabei wieder einmal, dass es inzwischen so viel mehr ist als eine Musikveranstaltung, sondern auch gesellschaftlichen Themen, Literatur und vielem mehr einen Platz und ein Forum bietet.
Ein super Bericht von Euch beiden – danke für s wieder zurückschweben in Erinnerung an das FM XIV. Viele tolle Bands, liebe Menschen, super Gespräche und eine ganz besondere Atmosphäre.
Freue mich auf das nächste Zusammentreffen mit Euch und dem ganzen anderen Rest.