Die St. Matthäus Kirche im Herzen Münchens ist für eine evangelische Kirche ungewöhnlich imposant. Der hohe, helle Raum, halb umschlossen von einem ausladenden Balkon, wird nur von dunklen Säulen unterbrochen. Befreit von Tand schmückt das Gotteshaus eine Orgel, zwei moderne Kronleuchter und, sicherlich das optische Herzstück der Kirche, eine überlebensgroße Jesus-Figur, genagelt an ein mehrere Meter hohes Kreuz, die freischwebend über dem Altar hinunterblickt auf die Geistlichen, die Sünder und Heiligen und die erfürchtigen Seelen gleichermaßen. Welcher dieser Kategorien FAUN zuzuordnen sind, mag für das Publikum Spekulation bleiben, doch unumstritten passen die Folk-Musiker mit Harfe, Nyckelharpa und Drehleier ausgesprochen gut in die traditionsreiche Kirchenatmosphäre.
Trotz bis auf den letzten Platz gefüllter Bänke kann man bei gedämpftem Licht eine Stecknadel fallen hören, wenn Oliver s. Tyr die Hände an seine Harfe legt – und genau mit dieser Andacht verzaubert die Musik der FAUNE ganz besonders. Mit den ersten Klängen von “Ne Aludj El” haben die Pagan-Folker auf Abwegen ihr Publikum bereits in ihren Bann gezogen. Es sind viele FAUN-Neulinge in der Kirche, die sich wohl von der Prämisse “Medieval Ballads” haben anlocken lassen, und die, nicht nur messbar am Umsatz des Merchandise-Standes, ganz offensichtlich sehr schnell von der Musik und deren Präsentation begeistert sind. Mit Stücken unterschiedlichster Sprache, Alter und Herkunft webt die erfahrene Band einen wundervollen Klangteppich – immer unter sanfter Beobachtung der Holzfigur, die direkt über ihnen schwebt. “Wir müssen heute ein bisschen aufpassen, was wir über die Kirche sagen”, schmunzelt Oliver mit einem kurzen Blick nach oben. Dennoch lassen sie es sich nicht nehmen, neben christlichen Stücken wie “Adam Lay Ybounden” oder “Cuncti Simus” auch Musik aus der Welt der Mythen und Sagen zu spielen und heidnische Bräuche zu besingen. So beschäftigt sich besonders das neue Album “Midgard” mit diesen Themen, von dem sie Stücke wie “Lughnasad”, benannt nach dem irischen Fest zum Beginn der Erntezeit, oder “Alswin” akustisch interpretieren.
Anders als bei den verstärkten Konzerten der Band wirken besonders die beiden Sängerinnen Katja und Fiona deutlich zusammengehöriger. In der ruhigen Kirchenatmosphäre ohne große Bühnenshow glänzen ihre sehr unterschiedlichen Stimmen gleichermaßen – sowohl bei Solostücken wie “Era Escuro”, als auch in ergreifenden Duetten und Harmonien. Ebenso ergreifend: Oliver an seiner Harfe. Der leider selten gewordene Anblick ist nicht nur für Fans ein Grund zur Freude, spielt doch kaum jemand inniger sein Instrument. Konkurrenz hat er da bandintern vor allem in Stefan Groth gefunden, dessen Drehleierspiel immer wieder fasziniert. Leider lassen dieses Mal die Songs der Setlist kein Solo für Stefan zu. Eintönig oder langweilig wird es dennoch zu keiner Sekunde, denn besonders nach der Pause sorgen die FAUNe für reichlich Abwechslung: So gibt es nicht nur einen Instrumental-Block inklusive Percussion-Solo, sondern auch eine kurze Erzählung zum Nachdenken, von Oliver mit sanfter Stimme vorgetragen. Das ganze Konzert ist durchzogen von der guten Laune aller Musiker, die trotz der festlichen Stimmung gerne scherzen und lachen, und gerade mit der Mischung aus fröhlich, andächtig und anrührend können sie ihr Publikum ganz für sich einnehmen und die harten Kirchenbänke vergessen lassen.
Mit dem “Sigurlied” und dem rein a cappella vorgetragenen “Sabrali” als letzte Zugaben entlassen FAUN ihre Zuhörer wieder in die kalte Novembernacht. Zweifellos haben sie bewiesen, warum sie – trotz aufkeimender Skepsis und Kritik der letzten Jahre auf ihren Vorstoß in Richtung Medienpräsenz – immer noch zu den besten ihres Faches gehören. Und man hat das Gefühl, wenn nicht gar die Gewissheit, dass auch die Musiker mit dieser Art der Präsentation ihrer Fähigkeiten nicht nur mehr als zufrieden, sondern ganz besonders auch glücklich sind.