Konzertbericht: Exodus w/ Sweeping Death, Battlecreek

29.07.2024 München, Backstage (Werk)

Thrash Metal war nie für seine Progressivität bekannt – in den letzten Jahren lässt sich jedoch ein echter Retro-Trend erkennen. Dem schließen sich auch EXODUS an: Nicht nur, dass die Alben seit Steve „Zetro“ Souzas Rückkehr wieder „klassischer“ klingen – als aktuellen Release bringen EXODUS zudem ein 1989 aufgenommenes Live-Album mit auf Tour. Deutlich jünger als dieses sind die heutigen Support-Acts: Im Rahmen des Free&Easy Festivals werden EXODUS von SWEEPING DEATH und BATTLECREEK unterstützt – gegründet 2012 beziehungsweise 2004.

Dank des Grundkonzepts des Backstage-Festivals, rund zwei Wochen lang fast ausschließlich Shows mit freiem Eintritt anzubieten, dürfen sich schon BATTLECREEK über ein beachtliches Publikum freuen: Bei voller Größe, also mit geöffnetem Seitenbereich, ist das Werk bereits so voll, dass man sich nurmehr zur Bühne respektive Bar durchschlängeln kann. Die Truppe aus dem Bayerischen Schnaitsee gibt für frühes Erscheinen aber auch allen Anlass: Mit ihrem energetischen Thrash liefert der Vierer den perfekten Sound zum Headbangen und Moshen. Mit der Feststellung „München, jetzt wird’s aber mächtig heiß!“ fasst Fronter Berne die Situation dann auch perfekt zusammen. Spätestens, als im Publikum auf einmal unzählige bunte Luftballons herumfliegen, ist klar: Hier und heute wird Party gemacht.

Warum genau SWEEPING DEATH nach BATTLECREEK spielen dürfen, erschließt sich anhand der Hardfacts nicht, ist die Band (ehemals Order Of Priority) unter dem heutigen Namen doch erst seit 2016 aktiv, hat erst ein Album veröffentlicht und passt auch musikalisch nicht so gut zu EXODUS wie der Opener. Der Meinung scheint jedenfalls so mancher Fan sein: Längst nicht alle, die eben noch bei BATTLECREEK abgefeiert haben, sind vom Luft schnappen zurückgekommen. Vor allem aber bleibt – trotz einer astreinen Darbietung der Band – wohlwollendes Mitnicken das höchste der Gefühl(sausbrüch)e: Zu mehr Bewegung können SWEEPING DEATH das Publikum nicht einmal mit der Ansage motivieren, dass heute ein Musikvideo gefilmt wird. Der Heavy-Thrash mit Metallica-Anleihen ist aber auch eher Hey-Hey-als Moshpit-Metal, von Stagedives gar nicht erst zu reden. Zum Glück, sonst würden am Ende noch die mit Trockenblumen geschmückten Duftkerzen umfallen! Dass SWEEPING DEATH sämtliche ruhigen Passagen (inklusive Piano-Parts) komplett live spielen, verdient im Zeitalter der Backing-Tracks Respekt – ob es deswegen aber zum Ende des Sets hin wirklich noch ein ganzes Instrumental gebraucht hätte, sei dahingestellt. Die „Sweeping Death“-Rufe vor und nach dem finalen, wieder deutlich schmissigeren „Astoria“ geben der Band jedoch recht.

Dass stimmungsmäßig gleich anderes zu erwarten ist, merkt man bereits in der Umbaupause: Trotz der brütenden Hitze meint der Großteil der Fans vor der Bühne, um EXODUS entgegenzufiebern. Warum genau sich die Bay-Area-Thrasher „Zehn kleine Jägermeister“ von den Toten Hosen als Intro ausgesucht haben, bleibt ihr Geheimnis – bei allen folgenden Songs hingegen ist völlig klar, warum sie auf dem Zettel stehen: Weil es Hits sind, und zwar ausnahmslos. Los geht es direkt mit dem Klassiker „Bonded By Blood“ – und erwartungsgemäß kommt bereits hier ein Moshpit in Gange, der die nächsten 90 Minuten über nicht nennenswert zur Ruhe kommt. Wie auch: Gary Holt und Konsorten feuern in einem Tempo Track um Track raus, als gäbe es kein Morgen.

Der Umstand, dass Holt – trotz der anstehenden Slayer-Shows – mit von der Partie ist, ist ein Segen für EXODUS. Schließlich macht seine Bühnenpräsenz einen guten Teil des Charakters dieser Band aus. Doch auch Fronter Steve Souza scheint seine neue-alte Rolle nochmal neu erfunden zu haben: Statt, wie noch vor wenigen Jahren, auf der Bühne den dicklichen Clown zu mimen, wirkt „Zetro“ mit nunmehr 60 Jahren körperlich fitter und in der Interaktion mit dem Publikum souveräner. Mehrfach bedankt er sich beim Münchner Publikum, lobt die deutsche Metal-Szene sowie die traditionsreichen Live-Clubs hierzulande, von denen es, wie er erzählt, in den USA kaum noch welche gäbe. Extrapunkte für ihren Sympathiewert erarbeiten sich EXODUS dann, als sie spontan einen Song einschieben, der beim Zusammenstellen der Setlist laut Zetro vergessen wurde: „Lession In Violence“. Dieses Gratis-Schmankerl nehmen die Münchner Fans natürlich gerne an. Und tatsächlich fügen EXODUS den Track zusätzlich ein – nicht, wie sonst oft gängig, anstelle eines anderen.

  1. Bonded By Blood
  2. R.E.M.F.
  3. Blood In, Blood Out
  4. Iconoclasm
  5. And Then There Were None
  6. Piranha
  7. Deathamphetamine
  8. Blacklist
  9. Prescribing Horror
  10. The Beatings Will Continue (Until Morale Improves)
  11. Impact Is Imminent
  12. Brain Dead
  13. A Lesson In Violence
  14. Fabulous Disaster
  15. The Toxic Waltz
  16. Strike Of The Beast

Nach nunmehr 90 Minuten feinstem Bay-Area-Thrash aus nahezu 40 Jahren EXODUS – inklusive Songs aus der Dukes-Ära und Live-Raritäten wie „Impact Is Imminent“ – ist bei den heutigen Temperaturen wirklich jeder bedient: Mehr geht nicht, muss aber auch nicht. Zumal auch beide Vorbands auf hohem Niveau geliefert haben, kann dieser Abend nur als rundum gelungenes Thrash-Fest verbucht werden. Und das, man muss es noch einmal erwähnen, für lau.

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Fotos von: Moritz Grütz

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