Konzertbericht: Evile w/ Dr. Living Dead, Portrait

17.01.2012 München, Backstage Club

Ein Konzert dreier zwar internationaler, jedoch dennoch relativ unbekannter Bands, an einem Dienstag in München – viel schlechter könnten die Grundvoraussetzungen für den München-Gig der britischen Thrash-Newcomer EVILE auf ihrer zweiten Headliner-Tour eigentlich kaum sein, ist doch erfahrungsgemäß eigentlich jeder dieser drei Aspekte für sich genommen schon ein potentieller Konzert-Tod. Doch offenbar habe ich die Thrash-Szene zumindest in diesem Fall unterschätzt – füllt sich der Backstage Club im Laufe des Abends doch zumindest soweit, als dass man sich ausnahmsweise nicht für die heimische Szene beziehungsweise ihre Stubenhocker fremdzuschämen hat. Doch der Reihe nach.

Den Anfang machen heute die schwedischen Debütanten DR. LIVING DEAD, welche unlängst erst über High Roller Records ihr selbstbetiteltes Erstlingswerk veröffentlicht haben… und sie machen ihn gut. Nach klassischem Hardcore-Dresscode gekleidet, sind es wohl vor allem die schicken – und natürlich mit Stirnband versehenen – Totenkopfmasken, die rein optisch gesehen für Aufsehen sorgen. Doch auch musikalisch macht die Truppe einiges her: Bei besten Soundbedingungen bolzen die Skandinavier ihr Hardcore-Thrash-Death-Gebräu in den Club, als wäre die Antwort „Schweden“ auf die Frage der Herkunft niemals eine echte Alternative zu „West Coast!!!“ gewesen.
So wundert es wenig, dass musikalisch der durch Style und Bandshirt von Gitarrist Dr. Toxic gezollte Respekt vor Szene-Legende Suicidal Tendencies durchaus auch in der Musik wiederzufinden ist – auch, wenn man hier deutlich direkter und schnörkelloser, um das etwas arg negativ konnotierte Wort „primitiver“ zu vermeiden, zu Werke geht.
Dass auch „Opener“ funktionieren kann, wenn man die richtigen Fans hat, beweisen DR. LIVING DEAD ganz nebenbei: Knapp zehn hardcore-affine Jungspunde reichen hier völlig aus, um dem Club den ersten Moshpit des Abends zu verpassen – doch auch die übrigen Anwesenden scheinen von DR. LIVING DEAD positiv überrascht, so dass diese nach einer guten halben Stunde Spielzeit mit anerkennendem Applaus verabschiedet werden.

Überrascht werden die Zuschauer auch von PORTRAIT – allerdings nicht eben positiv. Was nun folgt, ist nämlich per se, wie auch im Kontext des Konzertabends betrachtet, an Skurrilität kaum zu überbieten:
Sieht man einmal davon ab, dass eigentlich jede Heavy-Metal-Band in diesem Billing ein Exot wäre, schaffen es die Schweden wirklich völlig aus dem Rahmen zu fallen… wobei ich an dieser Stelle anmerken möchte, dass ich mir nicht sicher bin, ob diese Truppe in einem Heavy-Metal-lastigeren Billing besser aufgehoben wäre – passt hier doch eigentlich musikalisch wie optisch schon bandintern nichts so richtig zusammen: Während sich die Saitenfraktion bekleidungstechnisch alle Mühe macht, dem truen Heavy Metal zu huldigen und sich trotz guten 15 Kilo Übegewicht pro Mann und Nase geschlossen in Spandex-Jeans und Polyester-Leggins zwängt, frönt Sänger Niklas Svensson unbeirrbar seinem Faible für Black-Metal-Ästhetik: Mit schwarzer Schminke um die Augen, einem großen umgedrehten Kreuz um den Hals, sowie einem Porzellan-Totenschädel in der Hand könnte man dessen Gebaren problemlos auch von jeder beliebigen Black-Metal-Band glaubhaft synchronisieren lassen – was wohl nicht nur ein stimmigeres Gesamtbild ergeben hätte, sondern – und darin liegt das eigentliche Problem – vermutlich auch musikalisch eine Verbesserung zur Realität gebracht hätte.
Denn was PORTRAIT musikalisch abliefern, ist in ihren besten Momenten belanglos… immer dann nämlich, wenn die black-thrashigen Riffs dezent an Riffs wirklich cooler Bands wie Bewitched oder Aura Noir erinnern, und daran, um wie viel lieber ich diese grade sehen würde.
Wie dem Black-Metal-Look des Sängers und dem dreckig-rockigen Charakter der Riffs zum Trotz wird hier nämlich nicht etwa rotzräudig gesungen, sondern in bester Mercyful Fate- bzw. King Diamond-Manier in den obersten Tonlagen geträllert. Dass bei alledem weder die bewegungsfaulen Musiker, noch der wie berauscht bedeutungsschwer gestikulierende Sänger technisch so gut sind, wie sie zu glauben scheinen, verkommt bei alledem fast schon zur Randnotiz.
Kaum auszuhalten, denkt sich da offenbar auch der auf dem Verstärkerturm abgestellte Tonschädel und stürzt sich beherzt in die Tiefe, um durch sein so spektakuläres wie tragisches Ende als Scherbenhaufen der Show wenigstens für kurze Zeit Unterhaltungswert zu verleihen. Nach der vom Publikum zwar nicht über das Maß der Höflichkeit hinaus eingeforderten, jedoch dennoch dargebotenen Zugabe in Form des Maiden-Covers „Phantom Of The Opera“ ist schließlich Schluss und POTRTRAIT verabschieden sich mit der tiefgründigen Ansage „München PORTRAIT Satan!“ – ohne böse klingen zu wollen – endlich vom ratlos dreinblickenden Publikum.

Nach kurzem Umbau ist es schließlich Zeit für die Headliner des Abends und ihr viertes Gastspiel in München. Über die technischen Fähigkeiten der Hochgeschwindigkeits-Shredder brauchen wir an dieser Stelle eigentlich nicht zu reden… haben sie diese doch live wie auch auf Album oft genug eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Beeindruckend ist trotzdem, wie perfekt die Band heute zusammenspielt: Hier sitzt jeder Ton, selbst die schnellsten Riffs und Licks klingen so sauber, als wären sie bei moderaten 120bpm eingespielt und im Tempo hochgedreht. Auch sonst geben sich die Herren keine Blöße: Mit einer starken Setlist mit Fokus auf der ersten und der aktuellen Platte, weniger auf dem eher experimentellen „Infected Nation“-Album, bewaffnet, macht sich das Quartett sogleich daran, den Club in Schutt und Asche zu legen. Belohnt wird das Engagement und die Spielfreude der jungen Truppe durch eifriges Headbangen, einen Moshpit und einige Stagediver – hier lässt sich festhalten: Es haben beide Seiten Spass.
Nach dem finalen „Infected Nation“ ist um punkt Elf schließlich ohne Zugaben Schicht im Schacht… wirklich traurig sollte das jedoch niemanden stimmen, ist für heute doch eigentlich wirklich alles gesagt.

Eigentlich kann man EVILE an diesem Abend nur gratulieren – ist die selbstgestellte Aufgabe, mit einem Metalkonzert in München unter der Woche einen Club halbwegs zu füllen, doch tatsächlich keine allzu einfache. Die Briten meistern diese gemeinsam mit DR. LIVING DEAD jedoch spielend – dass tatsächlich jemand wegen PORTRAIT gekommen sein könnte, vermag ich mir beim besten Willen nicht vorzustellen. Von diesem Aussetzer abgesehen, bekommt man hier aber für wenig Geld (15€) ein wirklich sehenswertes Package zweier sympathischer Newcomer-Bands. Hingehen und supporten!

An folgenden Terminen bietet sich dazu in den kommenden Tagen noch die Gelegenheit:

 

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Publiziert am von

Fotos von: Moritz Grütz

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