Konzertbericht: Everlast w/ Dan Patlansky

29.10.2013 Backstage, München

Inzwischen sind sie durch den Castingwahnsinn immer mehr vom Aussterben bedroht: die echten Musiker. Eben jene Künstler, die sich nur mit einer Gitarre bewaffnet und einem Kaltgetränk in der Hand auf einen Stuhl inmitten einer leeren Bühne setzen – und ihr Publikum dennoch fesseln. Einer der letzten dieser “Dinosaurier” des Musikbusinesses ist Erik Schrody aka EVERLAST aka Whitey Ford. Und auf seiner zweiten Akustik-Tour beweist der Crossover-Musiker erneut, aus welchem Holz er geschnitzt ist.

SONY DSC

Den Abend eröffnet der südafrikanische Singer-Songwriter DAN PATLANSKY. Wohl allen Besuchern gänzlich unbekannt, liefert der Musiker ein mehr als überzeugendes Warm-Up bei seinem München-Debüt. Seine raue Stimme, wahlweise begleitet von bluesigen, rockigen oder folkigen Gitarrenmelodien, lässt die Blicke der Zuschauer trotz spartanischem Bühnenbild unweigerlich nach vorne wandern. Die unterschiedlichen Facetten seiner Musik stehen Patlansky dabei allesamt gut zu Gesicht. Seine langjährige Bühnenerfahrung mit und ohne Rockcombo im Rücken ist dabei spürbar, wenngleich er sich auf Solopfaden in angenehmer Zurückhaltung übt und seine Musik für sich sprechen lässt. „Wooden Thoughts“ hat der Mützenträger sein erstes und einziges Akustikalbum getauft, welches er in der bayerischen Landeshauptstadt vorstellt. Ähnlich wie Drawing Circles im Vorjahr bietet Everlast im Vorprogramm erneut einen überaus gelungenen und vor allen Dingen passenden Einstand in den folgenden Abend.

SONY DSCDiesen bestreitet der Meister in den kommenden zwei Stunden selbst: EVERLAST kommt in Begleitung eines Keyboarders, dessen Name er mehrfach durch das Mikrofon nuschelt, der dem Autor dieser Zeilen aber bis zum Ende unverständlich bleibt. Und seine neue Begleitung hat der Veteran nicht zufällig gewählt: Früh zeigt sich, wie kongenial das Duo bei den Songs vom neuen Album „The Life Acoustic“ harmoniert. Das Schauspiel erinnert sehr an das Vorjahr mit dem Afro-Amerikaner Derek Brassel an der Seite von Whitey Ford, nur eben 2013 nicht mit zwei Gitarren, sondern einem variierten Instrumentarium. Und das Keyboard als begleitender und manchmal auch führender Gegenpol passt beinahe erschreckend gut zu den gitarrenlastigen Kompositionen.

SONY DSCLetztes Jahr terminierte EVERLAST die Veröffentlichung seiner Akustikplatte auf „Whenever the fuck I want to“. Seit Mitte 2013 ist sie nun erhältlich. Der Live-Sound im Münchner Backstage ist dabei klar und wuchtig. Einzig und allein Schrodys Südstaatenakzent führt dazu, dass seine wenigen Anekdoten zwischen den Songs nicht komplett zu verstehen sind. Seine Gitarren und das Keyboard sprechen hingegen eine universelle Sprache. Und spätestens bei “Stone In My Hand” wissen auch die letzten, wer hier gerade in Pullover, Cargojeans, dicker Hornbrille und Dockermütze vor ihnen sitzt.
EVERLAST weiß zu jeder Sekunde, was er tut – nur schroffe Zwischenrufe und Raucher duldet er nicht. Zurecht. „We don’t feed the monkeys!“ entgegnet er mehrfach, als das Publikum immer wieder seine bekannten Klassiker fordert, die er sich größtenteils für den rund halbstündigen Zugabenblock aufspart. Zunächst widmet sich der US-Amerikaner seinem aktuellen Werk sowie dessen Vorgänger „Songs Of The Ungrateful Living“. Darauf finden sich neben kleineren Füllern auch einige Perlen wie zum Beispiel „Little Miss America“, indem er die Karrieregeilheit der Eltern auf Kosten ihrer Töchter anprangert.
Es ist die Melancholie und Sensibilität, die unter anderem aus diesem Stück oder “White Trash Beautiful” spricht, und eben auch von kurzen Momenten der Stille lebt, wenn die letzten Akkorde ausklingen. Und dem Duo gelingt ein Kunststück, welches manche Rockbands selbst mit Schlagzeug, zwei E-Gitarren und einem Bass nicht hinbekommen: Sie fesseln.

SONY DSCMitten im Set huldigt EVERLAST noch Johnny Cash mit seiner “Folsom Prison Blues”-Coverversion. Diese gerät sehr speziell und etwas frei, aber diese Freiheiten verzeiht man dem Gitarrero gerne. Die reguläre, handgeschriebene Setliste auf dem Bühnenboden verkommt schnell zu einer Randnotiz, würfelt Whitey Ford seine Songauswahl spontan komplett neu. Nur die akustische Version von „Jump Around“ scheint er sich bewusst bis kurz vor Ende des Auftritts aufgehoben zu haben. Und es ist ein durchaus amüsanter Anblick, langhaarige Metaler und Kuttenträger zu einem Hip Hip-Stück „bouncen“ zu sehen. Im Zugabenblock geben sich dann die Hits die Klinke in die Hand: „Black Jesus“, „What It’s Like“, „Ends“ und schließlich „Put Your Lights On“ stimmen auch die ungeduldigsten „Monkees“ zufrieden. Dazwischen mischt sich mit „My Medicine“ noch ein überaus überzeugender Track neueren Baujahres. Doch fällt es schwer, die Highlights auf einzelne Songs zu beschränken. Zu überzeugend gerät das Gesamtpaket.

SONY DSCSeine Botschaften trägt EVERLAST ganz ohne Pathos und Klischees nach außen, sondern durch die Macht seiner Musik und eine brummende Erzählstimme. Zwar erreicht der Auftritt insgesamt nicht ganz den Level des Vorjahres, doch wäre jedes Wort der Kritik jammern auf sehr hohem Niveau. Einzig und alleine für das feierwütige Partyvolk war dieser Auftritt ungeeignet. Doch auch dieses könnte und sollte ab und an zur Ruhe kommen – am besten an Abenden wie diesen.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert