Konzertbericht: Ensiferum w/ Chthonic

2007-11-30 Hamburg, Markthalle

Endlich, nach dem dritten Studioalbum, sind ENSIFERUM diesen Herbst auf einer Headlinertour zu bewundern. Nachdem sie schon im April einige Konzerte des ersten Teils der „Tour Towards Victory“ gespielt hatten, sollte man nun auch in Hamburg Station machen.
Nachdem Sänger/Gitarrist Petri und Bassist Sami bereits vorher im örtlichen Saturn-Markt am CD-Regal stöberten und dabei eine mächtige Wodka-Fahne hinterließen, hatten wir noch bis knapp 21 Uhr vor der Markthalle auf unseren Fahrer zu warten, der von Wind und Wetter auf der Anfahrt aus Lübeck aufgehalten wurde.

Zu diesem Zeitpunkt standen bereits die Exoten von CHTHONIC auf den Brettern der schon prächtig gefüllten Markthalle. Der melodische Black Metal der Taiwanesen verzückte dabei nicht nur die zahlreich erschienenen Metaller, sondern auch eine auffällige Gruppierung taiwanesischer Patrioten mit geschwenkter Landesfahne. Ich ließ mich zu einem spontanen Kurzinterview mit einer Frau mittleren Alters hinreißen:
Ich: „Gefällt ihnen die Musik?“
Frau (grinst und nickt): „Ja, ja, ja.“
Ich: „Oder sind sie nur hier, weil die Band aus Taiwan kommt?“
Frau (grinst und nickt): „Ja, ja, ja.“
Großer Spaß. Aber zurück zur Band: Die Musik – eine Art Schnittmenge zwischen Dimmu Borgir und Cradle Of Filth – war schlichtweg nicht besser oder schlechter als der europäische Vergleich. Eine starke Nummer ist jedenfalls das eingesetzte Saiteninstrument, das auch ohne Keyboardunterstützung für eine irre Klangfarbe der Band sorgt. Im Laufe des Konzertes gab Sänger Freddy eine wutentbrannte Kampfansage an die UN zum Besten, die – leider, man muss es einfach sagen – vom Publikum ohne jedes Wissen um die politische Situation blind geschluckt und bejubelt wurde. Die Stimmung im Saal war allerdings gut, und gegen Ende waren zahlreiche gereckte Fäuste und fliegende Mähnen zu beobachten.

Nun war erstmal Pause, und sogleich gab es ein weiteres Kuriosum: Eine Gruppe von vier so jungen Knaben, die noch nicht einmal als „Kiddies“ zu bezeichnen sind, lief im Foyer und später auch im großen Saal herum. Auf Nachfrage entpuppten sich die Kerlchen als 12-15 Jahre alt und dennoch schon voll dabei. Da wurde einem richtig warm ums Herz, dass sich der Nachwuchs bereits so früh die Haare wachsen lässt und sich vor allem ohne bewusste Selbstprofilierung zum Metal bekennt.

Gegen 22 Uhr betrat dann auch der lang ersehnte Headliner die Bühne. Die Finnen traten in aus Suomi-Fahnen geschneiderten Röcken auf, wie immer mit Streifen im Gesicht und Petri mit dem obligatorischen und unglaublich hässlichen Kuhfellhut. Das Intro der „Victory Songs“ wurde dann natürlich vom Opener des jüngsten Albums „Blood Is The Price For Glory“ gefolgt. Obwohl sofort das Publikum – mich selbst nicht ausgeschlossen – in Extase verfiel und die Häupter schüttelte, fiel jedoch früh der miese Sound auf, der sich im Laufe des Gigs nicht bessern sollte. Die Vocals waren viel zu hintergründig und teilweise kaum auszumachen, während die Gitarren übersteuerten, wo sie nur konnten. So kam es dazu, dass verdammt gute Passagen leider total untergingen und der Genuss deutlich eingeschränkt war.

Der Showaspekt kam jedoch nicht zu kurz. Die gut gemischte Tracklist, in der bis auf einen alle Songs des neuen Albums sogar in ihrer richtigen Reihenfolge auftauchten, wurde immer mal wieder von coolen Einlagen unterbrochen. So lieh sich Petri von einem Fan aus der ersten Reihe ein Trinkhorn, um „One More Magic Potion“ mit einer Aufforderung zum Trunke zünftig anzukündigen. Für „Iron“ sollte das Publikum dann den Schluss des Hauptriffs mit seinen Stimmen wiederholen, was zu einem gigantischen „Dadadadaaaa dadadadaaaa“-Chor wurde. Ebenso bläuten die Schwert- bzw. Rockträger ein, „Ahti“’s Namen laut herauszuschreien, was allerdings im Soundbrei etwas unterging. Die Livedarbietung bewies aber, dass die tiefen Growls – wie ich vermutet hatte – gar nicht aus der Kehle von Schmalhans Petri, sondern vom fülligen Sami stammen.

Zwischendurch gab es noch mal als kleinen Gag den Anfang von „Enter Sandman“ zu hören, ansonsten hielt man sich glücklicherweise nicht mit zu viel Gesabbel auf, sondern setzte den Fokus ganz eindeutig auf die Musik. An der Setlist gab es beinahe nichts auszusetzen, nur „Battle Song“ hätte ich mir noch sehnlichst gewünscht. Aber insbesondere der – nur nicht sehr umfangreiche – Zugabenblock versetzte mich in helle Freude. Mit „Guardians Of Fate“ fand mein absoluter Lieblingssong zum Abschluss noch einen würdevollen Platz, als dann nach fast eineinhalb Stunden effektiver Spielzeit Sense war.

Leider blieb nach einem eigentlich gelungenen Konzert die Feststellung, dass Ensiferum sich irgendwie auf einem absteigenden Ast befinden. Vielleicht lag es auch vornehmlich an den Klangproblemen, aber meinem Eindruck nach vermochten die neuen Songs sich auf der Bühne nicht mehr zu steigern. Selbst gesangslastige Nummern wie „Wanderer“ oder der „Victory Song“ hielten bei diesem Gig niemals Granaten wie dem „Battle Song“ noch vor dreieinhalb Jahren am selben Orte stand, auch wenn Ensi damals nur Vorband für Finntroll waren. Dieser Abend war auf gar keinen Fall ein schlechtes Konzert, aber die Messlatte, die Ensiferum für sich selbst enorm hoch gesetzt haben, können sie offensichtlich nicht mehr erreichen.

Tracklist Ensiferum:
Ad Victoriam
Blood Is The Price For Glory
Deathbringer From The Sky
Token Of Time
Into Battle
Ahti
Old Man
One More Magic Potion
Finnish Medley
Wanderer
[„Dadadadaaa Dadadadaaaaa“]
Iron
[angespieltes Enter Sandman]
Little Dreamer
The New Dawn
Victory Song
——–
Treacherous Gods
Tale Of Revenge
Guardians Of Fate

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