Festivalbericht: Eisenwahn Festival 2013 (Tag 2)

27.07.2013 - 28.08.2013 Obersinn

Eisenwahn-2013

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Samstag, 27.07.13:

DEFLORATION eröffnen den Samstag mit einer weiteren Portion harten, direkten Death Metals, der hier und da mit dem Grindcore liebäugelt. Hartgesottene gönnen sich die Songs vom aktuellen Album „Abused With Gods Blessing“ auch in sengender Mittagshitze, viele Fans sparen sich den Anheizer indes angesichts der vorherrschenden Temperaturen und verpassen somit eine solide Show der Thüringer.
[Marius Mutz]

Zuwachs verzeichnet die Crowd dann bei CARNAL DECAY, die noch etwas kompromissloser an das anschließen, was Defloration begonnen haben. Ob man mit dem 2011er Output „On Top Of The Food Chain“ allerdings tatsächlich an die Extreme-Metal-Nahrungskette anführen kann, bleibt zweifelhaft. Den individuellen Touch, der einer jeden Band gut zu Gesicht steht, sucht man hier leider weitgehend vergebens, da helfen auch die bisweilen auftauchenden Groove-Passagen wenig.
[Marius Mutz]

Nach dem Todesblei-Doppelpack, mit dem der Freitag startete, ist es nun Zeit für etwas Brutal Death Metal, und zwar mit den Holländern von PROSTITUTE DISFIGUREMENT, die bereits letztes Jahr gebucht waren und dann kurzfristig von Leng T’Che vertreten werden mussten. Dass ihre Musik nicht die abwechslungsreichste ist, war wohl allen Besuchern des Festivals vorher klar und so überrascht es nicht, dass die Holländer die ihnen zustehenden 30 Minuten hauptsächlich mit fiesem Hochgeschwindigkeits-Geballer füllen, aus dem man, wenn überhaupt, nur wenige Variationen heraushören kann. Macht aber nichts, zum Warmwerden ist das genau das Richtige.
[Pascal Stieler]

Mit DEW-SCENTED spielen ein paar alte Bekannte in Obersinn, denn die Herrschaften waren nicht nur bereits 2010 auf dem Eisenwahn zu Gast, sondern sind mit mittlerweile 21 Jahren Geschichte auch wahre Veteranen der deutschen Metal-Szene. Nach einem astreinen Death-Metal-Hattrick bekommen die Besucher nun also eine saftige Portion Teutonen-Thrash um die Ohren gehauen und scheinen sich über die Abwechslung zu freuen. Genug frisches Material zur Live-Präsentation haben DEW-SCENTED ja, schließlich kam erst 2012 das Studioalbum „Icarus“ auf den Markt, gefolgt vom diesjährigen Jubiläums-Output „Insurgent“, der ebenso mit teils neuen Tracks glänzt. Das Quintett wird seinem Ruf als knallharte Live-Band erneut gerecht, Fronter und einziges Gründungsmitglied Leif Jensen bedauert zwischen den dargebotenen Songs aber auch mal wehmütig das Ende des Eisenwahns.
[Markus Frey]

IMG_4716Als nächstes betreten die Frankfurter Chaoten A.O.K. die Bühne und verkünden sogleich, dass sie sich heute leider nicht ausziehen dürfen, was im Wesentlichen bedeutet, dass sie die Salatköpfe, die sie in der Regel bei „Satan, Hölle und Salat“ ins Publikum werfen, vorher nicht an ihren Pullern reiben können. Auch bei „Baguette Attack“ hat es heute lediglich für Tiefkühlbrötchen gereicht. Ich bin enttäuscht! Ansonsten bekommt man den üblichen Mix aus schlechten Witzen und billigen Wortspielen geboten, deren Unterhaltungswert irgendwo zwischen An-die-Wand-starren und Dem-Gras-beim-Wachsen-zusehen liegt. Das einer Band anzukreiden, deren Konzept seit jeher genau darin besteht, sich total zum Affen zu machen und neue Tiefstniveaus zu erreichen, ist freilich genau so sinnfrei wie der Auftritt von A.O.K. selbst, denn direkt im Anschluss spielt mit den Grindfuckers eine weitere Spaßgruppe, die ihre Coverversionen wenigstens tight darbieten kann. Und so will während der Show auch nicht so recht Stimmung aufkommen, denn A.O.K. performen zu schlecht, um sie zu feiern, aber zu gut, um sie wegen totalem Dilettantismus auszulachen. Lediglich, als einer der Sänger runter in den Publikumsbereich hüpft, um einen Pit zu starten, lassen sich ein paar untote Bierleichen zu halbgarem Gehüpfe überreden. Ansonsten haben A.O.K. mal wieder eindrucksvoll bewiesen, dass man, sobald man Kultstatus erreicht hat, irgendwann nur noch von der eigenen Legende lebt, denn warum sonst sollte ein Veranstalter so was noch buchen?
[Markus Frey]

Die EXCREMENTORY GRINDFUCKERS irritieren in der Folge mit ihrer Setlist. Wo für viele Fans der Reiz der Truppe gerade darin liegt, dass sie Schlager- und Pop-Songs in aufgemotzter Version, aber dennoch sehr kompetent nachspielt, um diese dann in Grind-Infernos ausklingen zu lassen, dürften hier und heute nur jene auf ihre Kosten kommen, die sich tatsächlich an der Knüppel-Seite der Band laben können. Denn die melodischen Elemente fehlen heute abseits der unverzichtbaren „Vater Morgana“ und „The Final Grinddown“ beinahe vollständig, stattdessen regiert der pure Grindcore. Eine ungenutzte Chance, möchte man meinen, wäre gerade das melodische Element es doch gewesen, was die Band von den meisten anderen Acts auf dem EISENWAHN abgehoben hätte.
Hinzu kommt, dass man den Ausfall von Keyboarder und Sänger Him nur leidlich kompensieren kann, weder am Mikrofon noch an den Tasten ist man in der Lage, die Lücke zu schließen. Selbst die Ansagen wirken selten so herrlich sinnfrei, wie man das gewohnt ist. Und wenn die Titelmelodie von „The Final Grinddown“ auf Keyboard statt auf Trompete dargeboten wird, verliert auch dieser Song, der diesmal ohnehin keineswegs überzeugt, noch weiter an Reiz.
Was bleibt von den EXCREMENTORY GRINDFUCKERS nach mäßiger Performance und einer Menge Grindcore übrig, wo ist das Alleinstellungsmerkmal einer Band, die sich schon von außen betrachtet so sehr von den anderen Bands auf dem Eisenwahn unterscheidet? Man weiß es nicht, muss man zugeben, und wartet nach einem Schulterzucken auf Debauchery.
[Marius Mutz]

IMG_4822Nach zweimal „gewollt witzig“ folgt nun „unfreiwillig komisch“ … anders lässt sich die Show der Death-Metaller DEBAUCHERY jedenfalls kaum umschreiben. Wie gewohnt kunstblutüberströmt betritt das Trio um Thomas Gurrath die Bühne und legt auch gleich mächtig los – leider mächtig belanglos. Die Songs klingen samt und sonders austauschbar und wissen (zumindest im Rahmen eines extremen Metal-Billings wie das des Eisenwahns) dem Gesamtbild des Festivals nichts mehr hinzuzufügen. An diesem Eindruck ändert auch die quasi obligatorische Stripshow-Einlage zu „Butcher Of Bitches“ nichts, in deren Verlauf sich die Dame von Kopf bis Fuß mit Kunstblut übergießt. Viel eher erweckt auch diese Einlage den Eindruck, als sollte auf diese Weise von der musikalisch langweiligen und auch hinsichtlich der Darbietung völlig uninspirierten Show abgelenkt werden. Zumindest für meinen Geschmack ein etwas zu plumpes Konzept. Nach der traditionellen Huldigung an den Blood-God ist die Show dann vorbei – einen bleibenden Eindruck hat die Band dabei jedoch trotz Blut und Brüsten auch dieses Mal nicht hinterlassen.
[Moritz Grütz]

IMG_4874FLESHGOD APOCALYPSE sind eine Band, die häufig sehr aus dem Billing hervorsticht – so auch beim diesjährigen Eisenwahn. Bereits 2012 war die Band kurzfristig für Aborted eingesprungen, dieses Jahr standen die Italiener schon frühzeitig als Teil des Billings fest. Auch das bandeigene Line-Up ist inzwischen ein anderes, hat man sich doch eine Opernsängerin mit ins Boot geholt, die in ein weites Gewand gekleidet und wie die anderen Bandmitglieder im Gesicht weiß und schwarz bemalt ist. Leider zieht sich der Soundcheck der Band aus Gründen, die von außen unersichtlich sind, ewig in die Länge, sodass das Konzert schließlich erst mit einiger Verzögerung beginnt und der Techniker mit den Worten „okay, entweder funktioniert es jetzt oder halt nicht“ das Zeichen zum Start gibt.
Die selbst auf einem Festival wie dem Eisenwahn wohl unangefochten schnellste Band des Billings legt wie immer mit dem „Agony“-Intro „Temptation“ los, um dann mit „The Hypocrisy“ den Blastbeat-Reigen zu eröffnen. Die Mischung aus extrem heftigem und technischem Death Metal und dem hohen Gesang des Bassisten der Band ist zwar – wie immer – sehr eigenwillig und für viele wohl auch gewöhnungsbedürftig bis unanhörbar. Fakt ist aber, dass der Auftritt 2013 wesentlich besser rüberkommt als im Vorjahr, wo die Band über keinen guten Sound verfügte. Auch das Zusammenspiel zwischen Bassist und Sängerin funktioniert. Als FLESHGOD APOCALYPSE schließlich mit „The Betrayal“ und „The Violation“ und dem atmosphärisch dichten, klavierlastigen „The Forsaking“ ihre beiden bekanntesten Lieder anstimmen, gibt es in der Menge kein Halten mehr – es wird geheadbangt, als gäbe es kein Morgen. Zwar ist die Musik von FLESHGOD APOCALYPSE von der Atmosphäre her natürlich besser für eine kleine Halle als für ein großes Open Air im Sommer geeignet. Davon hat man dieses Jahr aber wenig gemerkt.
[Pascal Stieler]

IMG_4947Ein Kontrastprogramm zum symphonischen Black Metal von Fleshgod Apocalypse bieten nun die Ungarn EKTOMORF. Mit ihrem simplen, aber effektiven Mix aus Thrash und Hardcore, den wir alle bereits von einer gewissen brasilianischen Band kennen, eignen sich die Osteuropäer ideal als Festival-Party-Truppe und dementsprechend geht es während des Gigs vor der Bühne auch ab. Manche Anwesende sind zwar der Ansicht, dass angesichts der relativ langen Spielzeit von EKTOMORF der Bogen irgendwann überspannt ist, allerdings schafft es das Quartett, die Stimmung bis zum Ende zu halten, sodass auch Tracks wie „Fuck You All“ und „Outcast“ noch gebührend gefeiert werden – zumal Frontmann Zoltán Farkas die Menge immer wieder mit aggressiven Ansagen zum Mitmachen anstachelt.
[Markus Frey]

IMG_4992Ganz schön lange auf sich warten lässt der Co-Headliner ANNIHILATOR, der für die ursprünglich geplanten Napalm Death eingesprungen ist. Fast eine Dreiviertelstunde muss sich das Publikum aufgrund von technischen Problemen beim Umbau gedulden, dann geben die Kanadier aber gleich Vollgas und machen mit erstklassigem Sound alles wieder gut. Hervorragend gelaunt und voller Energie startet die Thrash-Institution in ihr Set und hat so die Besucher im Handumdrehen auf seiner Seite. Geboten wird eine Mischung aus Klassikern der ersten drei und neueren Nummern der letzten beiden Alben – als Einstieg stellt der Vierer jedoch den brandneuen Track „Smear Campaign“ der noch unveröffentlichten, kommenden Scheibe „Feast“ vor. Bandchef Jeff Waters grinst bis über beide Ohren, wenn er nicht gerade Grimassen schneidend soliert – was bei ANNIHILATOR bekanntlich sehr oft vorkommt – während sich Hauptsänger Dave Padden, der nun auch schon seit zehn Jahren zum festen Lineup gehört, zwischen den Songs immer wieder dankbar für die Feierlaune der Fans zeigt. Die amüsieren sich angesichts der Spielfreude von ANNIHILATOR bestens, moshen und bangen ausgelassen mit, und als mit dem obligatorischen Rausschmeißer „Alison Hell“ das letzte Lied ausklingt, ist der eine oder andere wohl gar nicht so traurig, dass statt der Deathgrind-Legende aus Birmingham die Nordamerikaner an diesem Abend in Obersinn gespielt haben, und zwar eine der stärksten Shows des diesjährigen Eisenwahns.
[Markus Frey]

Setlist ANNIHILATOR:
01. Smear Campaign
02. King Of The Kill
03. Betrayed
04. Clown Parade
05. No Way Out
06. Set The World On Fire
07. W.T.Y.D.
08. No Zone
09. Fiasco
10. The Fun Palace
11. I Am In Command
12. Alison Hell

IMG_5015Die darauffolgende längere Pause wird diesmal kreativ genutzt, denn eine Besucherin nutzt die Gelegenheit, um ihrem langjährigen Partner auf der Bühne erfolgreich einen Heiratsantrag zu machen. Anschließend sind die Erwartungen hoch, immerhin beschließt mit ICED EARTH eine absolute Traumband der Veranstalter das letzte Eisenwahn-Festival. Doch schon in den ersten Sekunden des Openers „Dystopia“ gibt es kein Halten mehr und das Publikum feiert die im Denim-Partner-Look auftretenden US-Amerikaner frenetisch. Sänger Stu Block, der seit 2011 zur Mannschaft gehört, hat seine Feuerprobe längst hinter sich und setzt den Songs mit seinem mächtigen Organ und einer gekonnten Performance die Krone auf. Ganze vier Tracks des aktuellen Albums „Dystopia“ haben es in die Setlist geschafft, die ansonsten von live erprobten Knallern wie „Pure Evil“ und „Prophecy“ bestimmt wird. Das neuere Material, das von Tim Owens und dem zwischenzeitlich wiedergekehrten Matt Barlow eingesungen wurde, klammern ICED EARTH dabei diskret aus, der Stimmung tut dies freilich keinen Abbruch – im Gegenteil. Die Truppe um Mastermind Jon Schaffer legt einen Durchmarsch sondergleichen hin, lässt die Zuschauer mit den ruhigeren Nummern „I Died For You“ und „Watching Over Me“ aber auch mal durchatmen. Dementsprechend ernten ICED EARTH nach der finalen Darbietung ihrer namensgleichen Bandhymne euphorischen Beifall, ehe kurze Zeit später ein viertelstündiges Feuerwerk den letzten Höhepunkt des dreitägigen Open Airs bietet. Der anschließende Abschied der Veranstalter zu den Tönen von Metallicas „Nothing Else Matters“ fällt dann auch erwartungsgemäß emotional aus, sodass das Eisenwahn-Wochenende sowohl für Crew-Mitglieder als auch Besucher mit einem lachenden und einem weinenden Auge endet.
[Markus Frey]

Setlist ICED EARTH:
01. Dystopia
02. Dark Saga
03. Pure Evil
04. Burning Times
05. I Died For You
06. V
07. Question Of Heaven
08. Dracula
09. Prophecy
10. Anthem
11. In Sacred Flames
12. Boiling Point
13. Watching Over Me
14. Iced Earth

Mit den letzten Tönen der Iced-Earth-Show geht eine Dekade EISENWAHN zu Ende. Was für die einen ein stilistisch etwas monotones Underground-Knüppel-Festival darstellte, wurde für viele, die die unvergleichlich familiäre Atmosphäre hier erlebt haben, einmal im Jahr zu einem zweiten Zuhause. Man darf zurückblicken auf eine Reihe Shows hochkarätiger Bands aus dem Hartwurstsektor, vor allem aber auf zehn Wochenenden, an welchen man sich Jahr für Jahr als Metaller heimisch fühlen konnte – eine willkommene Abwechslung zur unpersönlichen, aggressiven bis skurrilen Umgebung auf vielen größeren Festivals. Da spielte es auch keine Rolle, wenn einen ganzen Tag lang keine Minute ohne Blastbeat vergeht.
Man hat das Gefühl, dass das Konzept des EISENWAHNs immer aufgegangen ist, und nachdem es auch dieses Jahr geklappt hat, kann man nur in der Hoffnung verbleiben, dass Karl & Laudi trotz des herzlichen Abschieds still und heimlich bereits ihr Comeback als Veranstalter planen. Wir würden uns freuen!
[Marius Mutz]

Publiziert am von , Marius Mutz, Pascal Stieler und

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