Festivalbericht: Eisenwahn Festival 2009

24.07.2010 - 25.07.2010 Obersinn

FREITAG:

Den musikalischen Auftakt des Festivals lieferten KAIN mit ihrer Mischung aus melodischem Death und Black Metal, der zwar recht wuchtig durch die Boxen kam, allerdings kaum neues bieten oder wenigstens eigene Akzente setzen konnte. Eine halbe Stunde routinierte Extrem-Metall-Unterhaltung, mehr kann man da nicht raus ziehen.

Ganz im Gegensatz zu UNHEIL, die auf dem diesjährigen Eisenwahn ihren letzten Gig aller Zeiten absolvierten. Katastrophaler Sound und halbgare Kompositionen sorgten für den einen oder anderen „Löst euch schneller auf“-Zwischenruf, der zwar nicht besonders nett aber leider um so treffender war.
[Christian Heckmann]

FUCK YOUR SHADOW FROM BEHIND hatten dann deutlich mit ihrer zu schnell gewachsenen Bekanntheit zu kämpfen, denn die Band gab sich zwar redlich Mühe, konnte aber weder musikalisch noch was die Bühnenpräsenz angeht der großen Stage gerecht werden.
[Marius Mutz]

THE VERY END waren dann die erste richtige Überraschung des Festivals. Frontmann Björn Gooßes (der mich an einen etwas massigen Tom Englund erinnerte) hatte die Menge vor der Bühne gut im Griff und punktete durch glasklare Gesangsleistung und sympathische Ansagen, die die 50 Minuten Spielzeit wie im Fluge vergehen ließen. Gerne mehr davon.
[Christian Heckmann]

CARNAL DECAY zogen dann eine konsequente, aber äußerst höhepunktfreie Präsentation des Brutal Death Metal durch: Mit drei Bandmitgliedern eher spartanisch in Sachen Besetzung zockten die beiden Jungs und das Mädel eine extrem räudige und kompromisslose Setlist aus purem Krach durch. Groove gab es in den seltenstem Fällen, das Gegurgel war zwar angemessen tief aber keinesfalls interessant und instrumental gings zwar teils ganz flott zur Sache (überwiegend bewegte man sich indes eher im gehobenen Midtempo), Akzente setzen konnte man aber auch hier nicht. Insgesamt gabs also gut aufs Ohr, aber was uns die Musik CARNAL DECAYs im Endeffekt dann schmackhaft machen soll, konnte nicht so ganz deutlich gemacht werden
[Marius Mutz]

DIARY ABOUT MY NIGHTMARES sind so eine Band, mit der ich persönlich gar nichts anfangen kann, denn obwohl ich dem eher brutaleren Death Metal nicht gerade abgeneigt bin, bin ich doch nach wie vor der Meinung, dass man irgend etwas innovativeres zu bieten haben sollte, als eine zierliche Blondine, die in den übelsten Gesangslagen ins Mikrofon röhrt. Das spricht nämlich nicht nur meinen Testosteronspiegel eher mäßig an, auch sonst waren D.A.M.N. so 08/15, wie man eigentlich nur sein kann.
[Christian Heckmann]

Black Metal am Nachmittag – ich kann mir beeindruckenderes vorstellen. Zumal die Herren von CREATURE nicht gerade für ihre mitreißenden Performances bekannt sind. Und so kann die Truppe die Fahne des ansonsten auf dem Eisenwahn 2009 leider nur schwach bis garnicht vertretenen Black Metal-Genres leider nur halbhoch halten: Der Auftritt ist grundsolide und routiniert, leider auch genauso emotionslos und durchschnittlich. Nette Abwechslung zwischen den ganzen Brutal Death-Kapellen, das ist aber auch schon alles…
[Moritz Grütz]

Mit DEBAUCHERY war dann ein weiteres Kuriosum der modernen Death Metal Landschaft mit am Start, eine Band, deren Erfolg den einen oder anderen hartgesottenen Kritiker in Staunen versetzt, ist ihre Musik doch denkbar monoton und abwechslungsarm (böse Zungen würden sogar „langweilig“ sagen), ihre Bühnenshow (abgesehen vom ausgeschütteten Blut) uninspiriert und auch ihr sonstiges Auftreten nichts, was irgendwie über solides Mittelmaß herausgehen würde. Ihre Fans feierten das blutüberströmte Quintett allerdings frenetisch. Und das waren gar nicht so wenige, die da vor der Bühne verweilten und der durchwachsenen Witterung trotzten. Die Band spielte ihre Setliste mit einem Mindestmaß an Bewegung und Begeisterung herunter, der Klassiker „Blood for the Bloodgod“ wurde auch zelebriert, davon abgesehen kann man die Show wohl nur „routiniert“ nennen und das ist in diesem Fall kein besonders freundliches Adjektiv.

Mit GRAVEWORM habe ich schon einige Höhen und Tiefen erlebt, auf CD gefällt mir ihre Musik, obwohl sie sich bestimmt keine Innovationspreise verdient, live waren sie bislang trotz überragender Präsenz von Stefan Fiori immer eine eher durchwachsene Sache. Auf dem Eisenwahn zeigten sie sich endlich mal in der Form, die ich mir immer bei ihnen gewünscht hatte. Keine Jahrhundertperformance, aber die Lieder gingen gut ins Ohr und die Stimmung im Publikum zog mit. Einzig der Sound hätte etwas besser ausfallen können.
[Christian Heckmann]

Der Tod, ein Meister aus Thüringen, zu Gast in Obersinn.
Als Freitags Co-Headliner betraten EISREGEN mit leichter Verspätung die Bühne. Die Masse an Eisregenfans die Tage zuvor auf dem Campground, aber vor allem die Masse vor der Bühne verriet, dass wohl ein Gros des Publikums den Weg ins beschauliche Unterfranken nur wegen den vier Thüringern angetreten ist.
Ihre Anreise sollte belohnt werden. Trotz kleiner technischer Soundprobleme, die M. Roth gekonnt mit seinem Charme -er saß während den zwei Minuten Funkstille ruhig auf der Bühne- überspielte, wurden sie bis zur letzten Sekunde gefeiert. Die Setlist umfasste die typischen Live-Klassiker der Marke „Elektro-Hexe“ über „Zeit zu Spielen“ bis zu den neu interpretierten Klassikern „Nonnen für die Schweine“ und „Leprakolonie“. „19 Nägel für Sophie“ und „Das Liebe Beil“ aus dem aktuellen Album „Knochenkult“ rundeten den Abend ab.
[Steffen D.]

Nachdem am ersten Festivaltag schon die eine oder andere junge Band auf die Bühne geklettert war, um (manchmal vergeblich) zu versuchen, der Menge in Obersinn einzuheizen, betraten als Krönung des Abends ein paar Herren älteren Semesters die Bretter, um den Jungspunden zu zeigen, wie das geht. Und niemand ballerte an diesem ersten Tag (und vielleicht auch am zweiten nicht) so sehr, wie NAPALM DEATH. Man muss schon irgendwie respekt haben, vor diesen vier Herren, die nach 27 Jahren immer noch so viel Energie vermitteln wie am ersten Tag und deren Musik einfach so gnadenlos brutal ist, dass man sich normalerweise ungläubig die Augen reibt, wenn man die Gestalten auf der Bühne sieht. Die Briten stellten in Obersinn keine neuen Qualitätsrekorde ab, es war eher ein durchschnittlicher, routinierter Napalm-Gig, aber was das bedeutet, das dürften Fans der Band ja eh wissen, die mit dem Auftritt mehr als zufrieden gewesen sein dürften.
[Christian Heckmann]

SAMSTAG:

Nachdem HAVOK den Konzerttag eröffnet hatten, geht es von einem Death-Metal-Act zum Nächsten:

Auch DEFORMED aus dem hessischen Schlüchtern liessen sich beim Eisenwahn blicken und sagten mir mit ihrem doch etwas mehr Old-School orientiertem Stil mehr zu als HAVOK. Gerade erst im Juni brachte man das erste Album „Concealed Alterations“ heraus (also nach 11 Jahren Bandbestehen!) und konnte gute Werbung für einen CD-Kauf machen. Das ganz grosse Highlight des Tages stellte man aber logischerweise noch nicht dar, doch ansehlich war der Auftritt alle mal.

Nach den – große Überraschung – Brutal Deathern von DISINFECT wird es ein weiteres Mal schwarzmetallen auf dem Eisenwahn:

Wenn man sich in der prallen Mittagssonne mit weiten Schlaghosen auf die Bühne stellt und seine Band dann als „Apocalyptic Black Metal“ ankündigt, dann hat man doch irgendwie schon verloren, oder? So war es aber nicht, es gab durchaus Publikum beim Auftritt von APOKRYPHA, welche zwar durchaus finsteren Schwarzmetall spielen, aber bei der Bezeichnung „Apocalyptic“ sollte man sich bloss keine Prügelei à la Marduk erwarten. Da legt man doch eher Wert auf Atmosphäre und so wirklich schnell wurde man also selten. Ich dachte ja eigentlich, dass man mal ein neues Album im Gepäck hat, „To The Seven“, welches einen ganz tauglichen Eindruck machte, hat nun ja immerhin auch schon fünf Jahre auf dem Buckel, aber noch ist da nichts neues draussen. Also Freunde, auf, auf ins Studio!
[Sebastian Schott]

Nach einer Portion Death und Black Metal wurde es mit DAVIDIAN nun wieder Zeit für eine gehörige Portion aggressiven Thrash Metal. Die fünf Jungs aus Baden-Württemberg, um ihren amerikanischen Frontmann Dave Hopkins legten den Schwerpunkt auf ihr aktuelles Album „Hear Their Cries“ und sorgten für die erste größere Menschentraube an diesem wettermäßig eher durchwachsanen Samstagnachmittag
[Steffen D.]

Den Death-Metal-Vierer am Samstag durften DESPONDENCY aus Niedersachsen eröffnen, bei denen ich meinte mich zu erinnern, dass sie mit einem Drumcomputer arbeiten. Ein Schlagzeuger war da, spielen konnte er auch, also ein Fehlglauben meinerseits. Der könnte jedoch zustande gekommen sein aufgrund der unglaublichen Schnelligkeit mit denen das Drumkit bearbeitet wurde. DESPONDENCY gehörten mit zum Härtesten und Brutalsten was das Eisenwahn geboten hat und so konnte sich der Sänger auch einen Kommentar zum am Vortag spielenden und wie eh und je Massen ziehenden Headliner EISREGEN nicht sparen. Ob das eher ein kleines Spässchen gewesen ist oder doch etwas Unverständnis für den Geschmack der Festivalbesucher kann ich jedoch nicht beantworten.
Zwischenzeitlich musste man ganz schön mit dem Wetter kämpfen, wenns runterkam, dann auch gleich richtig, doch man meisterte diese Bedingungen bravourös und ein Teil des Publikums dankte es mit dem Bleiben vor der Bühne bis zum Schluss.
[Sebastian Schott]

Dies gilt auch für JACK SLATER, die mit ihrem schwerst verdaulichen Brutal Death alles kurz und klein hackten und nicht nur durch einen aus dem Moshpit singenden Horn auch noch einiges an Sympathiepunkten erntete.
[Marius Mutz]

Ohne Horn, aber mit genau so viel Spielfreude legen MY DARKEST HATE gegen 20:00 Uhr los. Musikalisch teilweise an Bolt Thrower erinnernd, präsentieren die Jungs Songs von ihrem kommenden, noch unbetitelten Album, verzichten aber auch nicht auf altbewährte Nackenbrecher á la ‚The Principle Of War\‘, ‚They Shall Fall\‘ und ‚Bow Before Me\‘.
[Dennis Piller]

Noch bevor es mit DORNENREICH zum besinnlichen und düsteren Teil des Abends kam, waren SEVERE TORTURE an der Reihe. Die niederländischen fünf Brutal Deather um Sänger Dennis Schreurs brachten eine gehörige Portion Spielspaß und Brutalität mit auf das Eisenwahn. Die, für eine Band auf diesem Slot, recht überschaubare Menge vor der Bühne durfte sich während des Auftritts auf eine Zeitreise vom Debütalbum„Feasting on Blood“ bis hin zum 2007er Werk „Sworn Vengeance“ einstellen. Die etwas starre Bühnenpräsenz der Bandmitglieder wurde durch absolut einwandfreies Spiel weggemacht. Äußerst Präzise Doublebass traf auf kraftvolle Gitarren und Vocals. Spielerisch und soundtechnisch lieferten die Jungs in meinen Augen sicherlich einen der Besten, wenn nicht sogar den Besten Auftritt des Eisenwahn Festivals ab. Nur zu schade, dass es scheinbar nur wenige Leute interessierte, dass SEVERE TORTURE es endlich einmal etwas weiter in die Republik geschafft haben und einen nahezu perfekten Auftritt ablieferten.
[Steffen D.]

DORNENREICH wiederholen ihr Ragnarök-Debakel. Tatsächlich wirkte der Auftritt der drei Österreicher so, als hätte irgend jemand damals eine Kamera mitlaufen lassen und die Aufnahmen jetzt am Eisenwahn auf die Bühne projeziert. Exakt dieselbe Setliste (abgesehen davon, dass man „Wer hat Angst vor Einsamkeit?“ mutigerweise in die Zugabe verschob), exakt dieselbe Performance, ohne Gehörschutz war der Sound ein Graus und die Reaktion des Publikums kann man wohl auch nur als verhalten bezeichnen. Für mich persönlich sind DORNENREICH, die mit ihren ersten Alben großes leisteten, in der heutigen Form quasi nur noch ungenießbar.
[Christian Heckmann]

Im Gegensatz zu meinen Kollegen, die DORNENREICHs „Metal-Show“ schon auf dem Ragnarök-Festival gesehen hatten, war ich bisher, abgesehen vom Summer-Breeze 2007-Gig, nur in den Genuss von Akustik-Shows der Herren Eviga und Inve gekommen und somit noch unvoreingenommen – entsprechend groß war die Spannung, als die Show der nun wieder durch den zurückgekehrten Schlagzeuger Gilván verstärkten Truppe, näherrückte.
Und ich sollte nicht enttäuscht werden: Los geht es mit „Trauerbrandung“ und „Eigenwach“ vom „Her von welken Nächten“-Album. Zwar ist der Gitarrensound stellenweise noch etwas zu leise und geht im Schlagzeug unter, jedoch bekommen die Soundtechniker dies bis zur Mitte des Gigs gut in den Griff, so dass nach „Schwarz“ und „Flammentriebe“ mit „Der Hexe flammend Blick“ und dem, wie ich finde, genialen „Jagd“ die Show ihren Höhepunkt erreicht.
Hier zeigt sich, wie gut auch die neuen Songs auch als Metal-Stücke funktionieren: Mit einer eleganten Temposteigerung bei den Distortion-Parts im Wechsel mit ruhigen Cleanteilen entwickelt sich der Song fast noch mitreißender, als er es schon in der Album-Version ist. Beeindruckend dabei auch Evigas Performance: Kannte ich ihn bisher nur gedankenversunken mit seiner Akustik-Gitarre auf dem Schoß, gibt er sich hier inbrünstig und mitreißend: Die Texte kommen von Herzen, dazu wird, wo möglich, gehadbangt – man merkt dem Mann an, dass er für diese Musik lebt.
Nach „Lebend Lechtzend“ folgt mit „Wer hat Angst vor Einsamkeit“ noch eine (eingeplante) Zugabe – Was will man mehr, zumal auch das Wetter diesmal mitspielt und sich nach den Regengüssen des Nachmittags durchaus friedlich verhält…
[Moritz Grütz]

Den Abschluss fand das Eisenwahn schließlich zugleich mit einem seiner Höhepunkte, den Kanadiern CRYPTOPSY. Die Jungs, die es irgendwie nie geschafft haben, eine gewisse Schwelle im Bekanntheitsgrad zu übertreten, konnten dennoch eindrucksvoll unter Beweis stellen, warum sie als die ungekrönten Könige des technischen Death Metals gelten: Vertrackte, halsbrecherische Riffs der Gitarristen Raymond und Donaldson, dazu die wummernden Läufe des Bassisten Langlois. Über allem thronte wie üblich Flo Mounier, der als einer der einzigen Death Metal-Drummer auch einmal hören ließ, was seinen legendären Ruf rechtfertigt. Neben dem Band-Urgestein konnte allerdings auch der relativ neue Fronter Matt McGaghy überzeugen, der zwar nicht den Charme Lord Worms ausstrahlt, diesem aber gesanglich meilenweit überlegen ist. So durfte man sich über ein Feuerwerk anspruchsvollster Kracher freuen, bei welchen sich nur ein Fazit ziehen ließ: Verstanden hats wohl niemand so richtig, bei einer derartigen Vorführung an Technik und Härte blieben die Münder aber dennoch durchweg offen stehen.
[Marius Mutz]

Publiziert am von Marius Mutz und

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