Konzertbericht: Die Kammer w/ Pauline Paris

19.01.2017 München, Backstage

Im Rahmen ihrer „Carnival of the Peculiar“-Tour kehrte DIE KAMMER 2017 nach München zurück. Ein Jahr nach dem Auftritt im Spectaculum Mundi fehlen dem akustischen Alternativ-Orchester zwar echte Neuerungen, doch in ihren ganz eigenen Klangwelten bewegen sich die Musiker immer noch meisterhaft – ein anständiges Soundkleid vorausgesetzt.

Nach DELVA im Vorjahr eröffnet beim diesjährigen Konzert die Französin PAULINE PARIS den Abend. Ende 2016 veröffentlichte die burschikose Dame ihr letztes Album „Carrousel“, welches sie – ganz allein mit ihrer Gitarre – im Backstage Club vorstellt. Im Bereich der melodischen Chansons ist PAULINE keine wirkliche Ausnahmeerscheinung, die Club-Atmosphäre wirkt darüber hinaus nicht ganz stimmig – ein Park mit Blumen und Wiesen passt vor dem geistigen Auge besser zu rund der Hälfte der Kompositionen. Im anderen Teil überzeugt die französische Singer-Songwriterin, sozusagen jedes Mal wenn sie den Fuß etwas aufs Gaspedal legt und dort belässt. Dann entwickelt ihre Akustikgitarre ein paar Ecken und Kanten im Klang, genau wie ihre Stimme. Das steckt an und überzeugt letztlich am meisten. Im krassen Gegensatz dazu steht ihr simulierter Orgasmus mitten im Set, der für einige Fragezeichen sorgt.

Was sich 2016 im Spectaculum Mundi bereits angedeutet hat, belegt der kammermusikalische Abend im Backstage weniger als ein Jahr später: Matthias Ambré (Ex-ASP) und Marcus Testory (Ex-Chamber) machen mit DIE KAMMER eben jene Musik, die aus ihren Herzen spricht und ihnen an eben jenem liegt. Das beweisen die Kompositionen aus insgesamt drei veröffentlichten Alben und das Ergebnis ist in dieser Form sicherlich kein Massenprodukt. Früh ergreift Marcus zu diesem Thema das Mikro und beschreibt den musikalischen Ansatz: Es ginge ihnen nicht darum, „cool“ zu sein, sondern um gute Shows für alle, die es hören wollen. Das sind in der bayerischen Landeshauptstadt weniger Menschen als in Frankfurt oder Wien.

Dazu leidet der Auftritt in München unter meist suboptimalem Sound, der einerseits die Bandbreite des Instrumentariums (anfangs besonders der Streicher) nicht einfängt und auch die hervorragend ausgebildete Bass-Stimme von Marcus erst gegen Ende richtig zur Geltung kommen lässt. Schnell zeigt sich, dass DIE KAMMER mit ihrem Instrumentarium bestehend aus Geigen, Cello, Tuba, Melodica und vielem mehr auf einen ausdifferenzierten Klang deutlich eher angewiesen ist als andere Kapellen mit Bass, Schlagzeug, Gitarre und Gesang. So fehlen am Ende immer ein paar Prozent, wenn sich das Orchester mit seinen vertonten Geschichten von düster-morbide über herzergreifend-romantisch bis augenzwinkernd-amüsant bewegt.

Kompensiert werden die klanglichen Mängel unter anderem durch Synchronsprecherin Sabine Bohlmann, die Sophie als Hauptprotagonistin des musikalisch-aufbereiteten Zirkus live einspricht. Einzelne Vorzeigestücke wie das launige „Slipping Around The Corner“, das hypnotische „Intoxication Intravenous“ oder „The Orphanage“, mit dem 2011 die Reise der Kammer begann, funktionieren im Backstage ungeachtet der Soundkulisse. Zu „The Line of Last Resistance“, „Solace In Sanity“ und dem namensgebenden „Carnival of the Peculiar“ wiegen sich wiederum viele Körper im Takt. Auch Pauline Paris feiert für ein paar Songs ihr Comeback auf der Bühne und singt zusammen mit Markus einerseits das wenig überzeugende „Au Lit“ und andererseits ein grandioses „Black As Coal“ als finalen Abschluss.

Trotz ausbaufähigem Klang ist die Grundidee von DIE KAMMER immer noch eine mehr als unterstützenswerte. Ambré und Testory als Köpfe hinter dem Projekt agieren mutig und feinsinnig zugleich – umso schader ist es, dass es wieder nur für eine sehr kleine Location reicht. Als Gast wünscht man sich an einem Abend wie diesen, dass sich auch die anderen Konzertgänger im Dunstkreis von großen Folkcombos oder Bands wie ASP zu diesem Projekt verirren und dem liebevoll gestalteten Kleinod eine (oder am besten mehrere) Chancen geben. Frischer Wind ist garantiert.

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von:
Helge Roewer / http://www.hr-pictures.de – dort findet ihr unter anderem die vollständige Galerie zu diesem Konzert!

 

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Ein Kommentar zu “Die Kammer w/ Pauline Paris

  1. „Kompensiert werden die klanglichen Mängel unter anderem durch Synchronsprecherin Sabine Bohlmann, die Sophie als Hauptprotagonistin des musikalisch-aufbereiteten Zirkus live einspricht.“

    Sabine Bohlmann hat Sophie auf dem Album eingesprochen, sie war zwar in München als Zuschauerin live dabei aber ihre eingesprochenen Parts kamen beim Konzert vom Band, jeder der wie ich beim Konzert live dabei war wird dies bestätigen können….

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