Für die „Death To False Metalcore Tour“ haben sich die Szenegrößen der frühen 2000er-Jahre UNEARTH und DARKEST HOUR für eine Co-Headliner-Tour durch Europa zusammengeschlossen. Mit von der Partie sind die beinahe in Vergessenheit geratenen MISERY SIGNALS, die Hardcore/Thrash-Kombo MALEVOLENCE und LEFT BEHIND. Dass das Konzert selbst vom Backstage Werk in die kleinere Halle verlegt wurde ist zwar schade für die Bands, letztendlich aber unter Berücksichtigung der Anzahl an Fans die richtige Entscheidung. Dass dies der Stimmung keinen Abbruch tut, sondern sie eher fördert, ist dabei sogar ein netter Nebeneffekt. So können sich alle Anwesenden auf einen Abend zwischen Melodie und Breakdowns freuen.
Um 18:30 betritt mit LEFT BEHIND die erste Band des Abends die Bühne. Dass man es zu solch früher Uhrzeit als erste von fünf Bands schwer hat, Anklang zu finden, müssen die Mannen aus West Virginia leider schnell feststellen. So ist das Backstage nicht annähernd zur Hälfte gefüllt und auch der brachiale, teilweise in Richtung Beatdown abdriftende Sound kann die anwesenden Zuschauer nicht mitreißen. Für LEFT BEHIND sind die 25 Minuten Stage-Time somit ein hartes Pflaster, obwohl der Sound gut durch die Boxen knallt und sie ein engagiertes Auftreten an den Tag legen. Man merkt sichtlich, dass das Publikum sich heute aufgrund von Melo-Death-Riffs und nicht wegen einer Aneinanderreihung von Breakdowns zusammengefunden hat. So endet der kurze Auftritt zwar mit anerkennendem Applaus, jedoch wären LEFT BEHIND in einem anderen Line-Up deutlich besser aufgehoben gewesen.
Selbes Kriterium mag auch auf die nachfolgenden MALEVOLENCE zutreffen. Zwar finden sich in ihrem Sound einige Soli und technisch anspruchsvollere Passagen, letztendlich zielt jedoch jeder Song darauf ab, einen möglichst brutalen Breakdown als Höhepunkt anzubieten. Die schnellen, thrashiges Passagen laden vereinzelt zum Headbangen ein und wer vorher noch still stand, wippt bei den fünf Briten zumindest im Takt mit. Das Ganze ist solide dargeboten und kann zumindest stellenweise musikalisch überzeugen. Für das negative Highlight des Konzertabends sorgen jedoch einige Fans: Das Geschehen vor der Bühne gleicht weniger einem Moshpit als einem MMA-Fight und so sind sich eigentlich alle bis auf fünf Hanserl einig, dass man lieber Haare als Füße im Gesicht hat… Abgesehen davon muss man MALEVOLENCE für ihren energetischen Auftritt Respekt zollen, auch wenn sie musikalisch leider zu oft das Motto „Stumpf ist Trumpf“ verfolgen.
Sechs Jahre nach MISERY SIGNALs letztem Album „Absent Light“ und einer Comeback-Tour im Jahre 2017 in Originalbesetzung in den Vereinigten Staaten dürfen sich nun auch die europäischen Fans auf die Rückkehr der Kanadier freuen. Dementsprechend groß ist die Vorfreude auf das, was einen in den folgenden 40 Minuten erwartet. Und das ist eine bunte Mischung aus allen Alben der Bandgeschichte mit einem bestens aufgelegten Jesse Zaraska am Mic. So keift er über die melancholisch-melodischen Riffs Ryan Morgans und Comeback Kid-Gitarrists Stu Ross, wobei es keine Rolle spielt, ob diese vom ersten und einzigen Album mit Zaraska als Frontmann stammen oder von den anschließenden Platten. Als Schmankerl haben MISERY SIGNALS neben den Klassikern „The Failsafe“ oder „The Year Summer Ended In June“ auch einen neuen Song namens „Sunlifter“. So kann man sich einerseits auf den wohl noch dieses Jahr anstehenden Release freuen und währenddessen auch das überzeugende Comeback auf den europäischen Bühnen feiern.
- Set in Motion
- The Failsafe
- Luminary
- The Year Summer Ended In June
- Worlds & Dreams
- Sunlifter
- Weight Of The World
- A Certain Death
- A Victim, A Target
- Five Years
Anschließend an das tolle Set der Kanadier darf mit DARKEST HOUR der erste Headliner auf die Bühne der Backstage Halle. Die Mitbegründer des Metalcore können derweilen Songs aus neun Alben schöpfen, was es natürlich nicht einfach macht, eine passende Setlist für (nur) eine knappe Stunde Spielzeit zu erstellen. Dies gelingt der Band aus der amerikanischen Hauptstadt aber genauso gut wie ihr Auftritt selbst: Von „Undoing Ruin“ bis zur aktuellen Scheibe „Godless Prophets & The Migrant Flora“ dürfen sich Fans über Songs aus jeder Schaffensphase freuen. Der Auftritt der Band wirkt dabei absolut routiniert, ohne das Gefühl zu vermitteln, dass DARKEST HOUR nur ihr Ding durchziehen wollen. So ist der Mix super abgestimmt, Gitarren, Drums und Bass drücken gleichermaßen fett durch die Lautsprecher und das in der Zwischenzeit sehr gut gefüllte Backstage findet großen Spaß am Headbangen und (zum Glück diesmal fairen) Pits. Die Hauptstädter wissen exakt, was sie machen müssen, um die Menge bei Laune zu halten und auch das politische Statement mit dem Dead-Kennedys-Cover „Nazi Punks Fuck Off“ fügt sich gut in den Auftritt ein. DARKEST HOUR haben über die Jahre nichts an ihrer Energie verloren und an ihrer Qualität sowieso nicht und stellen nach diesem Auftritt UNEARTH vor eine große Aufgabe, das Niveau zu halten.
- Knife In The Safe Room
- Convalescence
- In The Name Of Us All
- Savor The Kill
- The Sadist Nation
- Rapture In Exile
- No God
- Nazi Punks Fuck Off (Dead Kennedys Cover)
- With A Thousand Words To Say But One
- Demon(s)
- Tranquil
Aber UNEARTH wären nicht sie selbst, wenn sie davon eingeschüchtert wären. Viel mehr machen sie nahtlos dort weiter, wo ihre jahrelangen Weggefährten aufgehört haben: mit traditionellem Metalcore, eingängigen Riffs und markanten Shouts. Zum ersten Mal bringen die Amis ihr neuesten Werk „Extinction(s)“ mit nach Europa und beginnen ihr Set auch mit „Incinerate“ und „Survivalist“ von ihrer aktuellen CD. Die neuen Songs werden vom Publikum genauso herzerwärmend angenommen wie die Klassiker „This Lying World“ oder „Giles“. Buzz McGrath spielt seine Soli einwandfrei vor, Trevor Phipps ist gewohntermaßen ein Tier am Mikrophon und auch der Rest der Band überzeugt sowohl an den Instrumenten wie auch beim Stageacting. So folgt vor der Bühne auf einen Circle Pit der nächste Two-Step-Part, die Haare fliegen durchgehend durch die Luft und es wird sich fröhlich rumgeschubst und mitgesungen. Mit den Gassenhauern „My Will Be Done“ und „The Great Dividers“ beschließen UNEARTH ihr Set und lassen ein wunschlos glückliches Backstage zurück. So kann sich jeder Besucher mal wieder eines sicher sein: Wo UNEARTH drauf steht ist UNEARTH drin und dabei stehen sie immer für eins – Qualität.
- Incinerate
- Survivalist
- This Lying World
- Never Cease
- Endless
- Giles
- Zombie Autopilot
- Dust
- Watch It Burn
- My Will Be Done
- The Great Dividers
Ein anfangs etwas zäher Konzertabend endet somit um Punkt 23:00 Uhr mit zwei absoluten Highlights. Während LEFT BEHIND und MALEVOLENCE ihre Sache zwar keineswegs schlecht machen, wirken sie im Line-Up der „Death To False Metalcore Tour“ leider etwas fehl am Platz. MISERY SIGNALS hingegen überzeugen mit einem engagierten Comeback auf den Bühnen Europas während sich die Co-Headliner DARKEST HOUR und UNEARTH nichts schenken und mit ihrem Old-School-Metalcore auf ganzer Linie überzeugen. Einzig und allein ließe sich die relativ kurze Stagetime der beiden Hauptacts ankreiden, was dazu führt, dass Songs wie „Grave Of Opportunity“ zu kurz kommen. Die Darbietung der Musik lässt derweilen aber keinerlei Wünsche offen und so kann man hoffen, dass beide Bands an ihre über 20-jährigen Karrieren noch einige weitere Jährchen dranhängen.