Als DEAD CROSS 2017 ihr Debütalbum ankündigten, klappten die Kinnladen Fans härterer Musik gesammelt nach unten: Mike Patton am Gesang, Dave Lombardo am Schlagzeug, Justin Pearson am Bass und Michael Crain an der Gitarre versprachen eine gesalzene Ladung abgefahrener Musik. Ihr schwindelerregendes Debütalbum lief dann allerdings – zu Unrecht – etwas unter dem Radar. Während eine Überraschungsshow der vier Musiker in London sich innerhalb einer Stunde ausverkaufte, ist der Zuspruch in München offenbar geringer: Vom Backstage Werk wurde das Konzert schließlich ins deutlich kleinere Strom verlegt. Eine intensive Atmosphäre ist somit garantiert.
Nur 15 Minuten, nachdem sich die Türen des Strom für die Konzertbesucher geöffnet haben, beginnt auch schon die Musik. Oder besser gesagt: der Sound. Denn als Musik ist der Noise, den JÉRÔME NOETINGER und ANTHONY PATERAS, im wahrsten Sinne des Wortes, fabrizieren, nur schwer zu bezeichnen. Zwar dauert es zunächst einen Moment, ehe das Publikum realisiert, dass die industriellen Klänge live hergestellt werden, da das französisch-australische Duo sein Instrumentarium nicht auf der Bühne, sondern beim Mischpult aufgebaut haben. Dann schart sich allerdings zumindest ein Kreis interessierter Zuhörer um das mitunter skurrile, analoge Equipment der beiden Soundbastler. Ein anstrengender, in seiner Art aber faszinierender Einstieg.
Etwas konservativer geht es anschließend bei ZEUS zu: Zwar handelt es sich hier ebenfalls um ein Duo, allerdings in der instrumentellen Besetzung Bass plus Schlagzeug. So ist der Noise-Rock der Italiener mit viel Rhythmus und – trotz starker Verzerrung des Fünfsaiters – mit etwas Melodie deutlich eingängiger als das zuvor gehörte. Direkt einprägsam oder leicht zugänglich sind die Songs der beiden aber auch nicht: Auf beeindruckendem technischen Niveau bieten die beiden Musiker vertrackte Rhythmik, die bisweilen (auch des Sounds wegen) an Meshuggah erinnert. Mangelnden Abwechslungsreichtum kompensieren ZEUS dabei mit viel Spielfreude und beeindruckender Präzision, so dass der Auftritt auch über 45 Minuten hin nicht langweilig wird. Zum ersten Mal richtig Stimmung kommt auf, als Dead-Cross-Bassist (und The-Locust-Sänger) Justin Pearson bei einem kurzen Gastauftritt als Sänger direkt einen wilden Moshpit anzettelt: In diesem Moment lässt sich erahnen, worauf der Abend zusteuert. (MG)
Obwohl der Abend mit einer überschaubaren Zuschauerzahl begann, ist das Strom nach einer weiteren Umbaupause um 22:15 Uhr schließlich doch sehr anständig gefüllt. Ohne großes Brimborium betreten DEAD CROSS zu lautem Jubel die Bühne und bereits zu den ersten Takten des Openers „Seizure And Desist“ nimmt Mike Patton direkt das erste Bad in der Menge. Die schiere musikalische Urgewalt, die über die Münchner hereinbricht, ist zunächst noch etwas arg schwammig abgemischt, weswegen der Gesang des Ausnahmekünstlers stellenweise etwas untergeht. Den Sound dominiert eher das treibende, extrem präzise Schlagzeugspiel von Dave Lombardo: In der Folge sprühen DEAD CROSS nur so vor Energie, was direkt auf das wild feiernde Publikum abfärbt.
Auf eine Rückfrage von Mike Patton an das Publikum, welche Songs sie gerne hören würden, ertönt nach einer knappen halben Stunde lediglich ein lauter Schrei, was die Band direkt aufgreift: „We’re kind of doing that already, but don’t worry, you’ll get more!“. Von ähnlich kurzen Ansagen unterbrochen ballern sich DEAD CROSS durch ihr Debütalbum und Songs ihrer EP, sodass die Zeit nahezu wie im Flug vergeht. Mike Patton stellt seine Bandmitglieder schließlich als „Arschloch“, „Schweinehund“ und „Senor Kinderficker“ vor, bevor das Set mit „Church Of The Motherfuckers“ sein Ende findet. Als Zugabe feuern DEAD CROSS noch den Dead-Kennedys-Klassiker „Nazi Punks Fuck Off“ ab, bevor Dave Lombardo einen bei Slayer-Fans legendären Rhythmus anklingen lässt, zu dem sich Mike Patton mit skurrilen Geräuschen über den Boden rollt. Als schließlich die ersten Töne von „Raining Blood“ erklingen und das Publikum kurz vorm Ausrasten steht, zeigen DEAD CROSS ihre eigene Version des Rickrollings: Der Refrain von Faith No More’s „Epic“ erklingt und mit der Textzeile „You want it all but you can’t have it“ findet die Show nach 45 Minuten ein Ende. (BL)
- Seizure And Desist
- Idiopathic
- Obedience School
- Shillelagh
- Skin Of A Redneck
- Bela Lugosi’s Dead (Bauhaus-Cover)
- Divine Filth
- Grave Slave
- The Future Has Been Cancelled
- My Perfect Prisoner
- Gag Reflex
- Church Of The Motherfuckers
- Nazi Punks Fuck Off (Dead-Kennedy-Cover)
- Raining Blood / Epic (Slayer- / Faith-No-More-Cover)
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Ein Abend voll von experimenteller, anstrengender Musik in ihren verschiedenen Facetten. Während zunächst noch interessiertes Zusehen das Geschehen bestimmte und schließlich vertrackte Rhythmen für erste nickende Köpfe sorgten, konnte DEAD CROSS mit ihrem vertonten Wahnsinn für ein schweißtreibendes, begeisterndes und kurzweiliges Konzert sorgen. Die intime Atmosphäre im Strom trug sicher ihren Teil zur ausgelassenen Stimmung bei – und der abschließende Ausruf „See you next time“ lässt hoffen, dass diese Supergroup nicht gleich wieder Geschichte ist.