Konzertbericht: Das Niveau

25.10.2013 Backstage, München

Hier kommt DAS NIVEAU! Zum ersten Mal auf eigener Tour. Ohne Support und lediglich mit einem simplen Banner bewaffnet ziehen Martin Spieß und Sören Vogelsang nach mehrmonatlichem Crowdfunding zum ersten Mal durch die Bundesrepublik. Mit dabei haben sie ihr neues Werk namens „Das Niveau rockt!“. Und auf diesem überraschen die beiden Musiker mit ernsteren Themen.

Wer sich zunächst an das „Lose Album“ bzw. das „Volle Album“ erinnert und mit jenen Erwartungen an das Konzert herangeht, dürfte reichlich verwundert gewesen sein. Zwar darf DAS NIVEAU natürlich weiterhin „Ficken!“ sagen, doch bis zu jenem Programmpunkt am Ende vergeht einige Zeit. Diese füllt das hochmotivierte und sympathische Duo mit einer gehörigen Portion Improvisation sowie anspruchsvollem Liedgut ihrer dritten Scheibe. „Hasskappe“, „Griechenland“ und „Der kleine Nazi“ stehen dabei exemplarisch für einen neuen Kurs, der die beiden Musiker immer weiter weg davon führt, sich selbst, den exzessiven Alkoholgenuss und das heitere menschliche Zusammenspiel zwischen zwei Laken zu besingen. Die Themen werden ernster, die Melodien dazu bodenständiger. Passend dazu gibt es mit „Ein Problem“ und „Frischhaltefolie“ zwischenzeitlich auch zwei Songs der ersten beiden Alben, welche nicht die gängigen Klischees bedienen. Die neue Ausrichtung steht den talentierten Berlinern durchaus zu Gesicht, wenngleich sich langjährige Fans an die neue Gangart wohl erst gewöhnen müssen. Wem das Duo von diversen Festivals und Märkten kein Begriff ist, der kann unvoreingenommen an DAS NIVEAU herangehen und erlebt Vielseitigkeit – oder auch Niveaulimbo. Für Spaßbremsen der Gattung „Political Correctness“ sind viele der zahlreichen Gags rund um die deutsche Vergangenheit von 1930 bis 1945 und ihr politisches Oberhaupt zur damaligen Zeit nicht geeignet. Gleiches gilt für die Sprüche und Wortspiele, bei denen sich Spieß/Vogelsang einige Inspirationen von Serdar Somuncu holten, der ebenfalls bekannt für derben Humor ist.

SONY DSC

Im Vergleich zum Deutschtürken agiert DAS NIVEAU deutlich musikalischer. Im Laufe des Konzerts entwickelt sich die Stimmung im Backstage Club auch prächtig: Das Publikum stimmt lauthals in die bekannteren Texte wie „Niwowoniniwowa“ ein und mittendrin entern sogar einige Metalheads zum gemeinsamen Bangen die Bühne. Dieses illustre Schauspiel gipfelt schließlich in einem weiblichen Fan mit Gipsarm, der auf der Bühne kurzzeitig blank zieht. München zeigt sich ausnahmsweise von seiner frech-frivolen Seite und die beiden Hauptprotagonisten wissen dies zu schätzen. Neben all den ernsten Themen ihres dritten Silberlings bietet dieser mit dem Titeltrack „Das Niveau rockt!“ auch eine anständige Rocknummer, die genau wie die Niveauisation für die nötige Abwechslung und Kurzweil sorgt. Niveauisation!? Darunter verstehen die beiden Künstler eine Improvisation, bei der das Publikum einerseits die Tonart und andererseits das Thema vorgibt. Erwartungsgemäß sind die Ergebnisse qualtitativ schwankend, doch am Talent fehlt es DAS NIVEAU nicht.

SONY DSC

Unter dem Strich bleibt ein gelungener Abend mit einer Mischung aus Konzert und Kabarett, der im Vergleich zu anderen Bands besonders dadurch punktet, dass er eben nicht aus einer vorgefertigten Show besteht, die in jeder Stadt der Reihe nach Punkt für Punkt abgearbeitet wird. DAS NIVEAU improvisiert, knutscht, singt und ist über alle Maßen interaktiv. Ab und an rockt es dann sogar. Wenngleich das mehr eine Zugabe zum Gesamtpaket ist, welches sich mit seiner neuen Ausrichtung etwas von den mittelalterlichen Marktbühnen verabschiedet.

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert