Konzertbericht: Dark Tranquillity w/ Moonspell, Wolfheart, Hiraes

07.11.2024 München, Backstage (Werk)

DARK TRANQUILLITY gehören zu den am härtesten arbeitenden Bands im Metal – zumindest wenn man dies an der Tour-Aktivität misst: Beeindruckende 122 Shows hat die Band im Jahr 2022 absolviert – und nach dem Release ihres Albums „Endtime Signals“ haben die Schweden für 2024 immerhin auch schon wieder über 60 Shows auf dem Zähler – die rund 30 Shows, die Mikael Stanne mit seinen anderen Bands gespielt hat, nicht eingerechnet. Doch zumindest bislang geht der Plan auf und das Publikumsinteresse lässt nicht nach – im Gegenteil.

Auf ihrer aktuellen Europatour werden DARK TRANQUILLITY von MOONSPELL, WOLFHEART und HIRAES begleitet. Ein Package, das offenkundig den Nerv der Fans trifft: Obwohl der Tour-Tross in München an einem Donnerstag Halt macht, ist das Backstage Werk schon fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als um kurz vor 19:00 Uhr HIRAES den Abend eröffnen.

HIRAES im November 2024 in MünchenSo viel Publikumsinteresse scheint auch die Death-Metaller aus Osnabrück zu überraschen – dass es sich bei den erst 2020 gegründeten HIRAES nicht um Newcomer im eigentlichen Sinne handelt, könnte eine Erklärung sein: Während die Instrumentalfraktion komplett aus den ehemaligen Dawn Of Disease besteht, hat sich Fronterin Britta Görtz unter dem Spitznamen „Elchkuh“ als Sängerin von Cripper bis zu deren Auflösung 2018 einen guten Namen gemacht. Auch als HIRAES vereint liefert das Quintett eine für einen Support-Act bemerkenswerte Show ab: Von den Bühnenkostümen über die Performance (einen Song performt die Sängerin vom Mischer in der Hallenmitte aus) bis zum Sound wirkt an dem Auftritt alles wohldurchdacht. Vor allem aber kommen HIRAES mit ihrer sympathischen Fronterin beim Publikum an. „Fühlt sich nicht an wie eine Supportband“ zieht Görtz zwischendurch Bilanz. Das kann man so auch aus Publikumssicht nur unterschreiben.

  1. Through The Storm
  2. About Lies
  3. Under Fire
  4. We Owe No One
  5. Undercurrent

WOLFHEART im November 2024 in MünchenEbenfalls ziemlich durchgestylt kommen WOLFHEART daher: Von 19:45 Uhr an darf der finnische Tausendsassa Tuomas Saukkonen für 35 Minuten sein derzeitiges Hauptprojekt präsentieren. Wie bei seinen anderen (teils ehemaligen) Projekten Before The Dawn, Dawn Of Solace oder Black Sun Aeon steht auch WOLFHEART im Zeichen typisch finnischen Melodic Death Metals. Der erinnert – nicht nur in Anbetracht der aufgepumpten Körper von Saukkonen und Gitarrist Vagelis Karzis (ehemals Rotting Christ) an Insomnium auf Steroiden – bleibt ansonsten aber in etwa so austauschbar wie die Deko und Bühnengrafiken (Schädel & Geweihe). Kraftvoll abgemischt sorgen WOLFHEART trotzdem für ordentlich Schwung – und während er alle anderen Ansagen Bassist Lauri Silvonen (Bloodred Hourglass) überlässt, beweist Saukonnen mit seiner einzigen Ansage Humor, in der er mathematisch herleitet, warum er für das abschließende „Grave“ einen Circlepit auf circa 80 km/h braucht: „If I calculated correctly we can cool down the whole venue.“ Der Effekt bleibt zwar aus – einen rasend schnellen Circlepit bringen WOLFHEART so aber zumindest wirklich in Gang.

  1. Strength And Valor
  2. Zero Gravity
  3. Burning Sky
  4. Ghost Of Karelia
  5. Evenfall
  6. The King
  7. Grave

MOONSPELL im November 2024 in MünchenUm 20:30 Uhr steht mit MOONSPELL eine Szenelegende auf dem Programm, die ironischerweise 1995 mit einem Album namens „Wolfheart“ debütierte. Ansonsten haben die Portugiesen aber wenig bis nichts mit dem bisherigen Programm des Abends zu tun. Dafür überraschen die Gothic-Metaller optisch und in Sachen Songauswahl: Statt mit Pestmaske, Laternen und anderem Klimbim tritt Fernando Ribeiro heute im klassischen Metal-Look auf – und auch sonst tun MOONSPELL, als hätte es die letzten Alben nie gegeben: „Hermitage“ und „1755“ bleiben gänzlich unberücksichtigt, die neuesten Stücke im Set (von „Extinct“) haben fast zehn Jahre auf dem Buckel. Dafür geht es weit zurück – bis zum erwähnten „Wolfheart“-Debüt, von dem nicht nur der Klassiker „Alma Mater“, sondern hier und heute zum ersten Mal seit längerem auch „Love Crimes“ gespielt wird. Stilistisch sind die Goth-Rocker mit dem Knödelgesang zwar fraglos Geschmackssache – mit ihrer engagierten, einstündigen Performance können MOONSPELL das Publikum aber unbestreitbar überzeugen.

  1. Opium!
  2. Awake
  3. Love Crimes
  4. Extinct
  5. Night Eternal
  6. Finisterra
  7. Everything Invaded
  8. Breathe (Until We Are No More)
  9. Alma Mater
  10. Fullmoon Madness

DARK TRANQUILLITY im November 2024 in MünchenDass DARK TRANQUILLITY ihren Umbau hinter einem Vorhang vollziehen, wirkt im Backstage Werk ein wenig übertrieben – zumal eigentlich nur weggeräumt wird: Als der Vorhang um Punkt 22:00 Uhr wieder aufgezogen wird, ist die Bühne bis auf Drumkit und Keyboard, sowie vier LED-Leinwände leer. Für Gemütlichkeit müssen also Mikael Stanne und Konsorten über die Stimmung sorgen. Im Großen und Ganzen gelingt das den Schweden auch heute gut – und trotzdem bleibt die Show (für DARK TRANQUILLITY-Verhältnisse) etwas blass: Vergleichsweise wenig und knappe Ansagen, vor allem aber der Umstand, dass zwischen fast allen Songs das Licht erlischt und die Band die Bühne verlässt, lassen Musiker und Fans heute nicht ganz so eng zusammenrücken wie man es von DARK TRANQUILLITY-Shows sonst gewohnt ist.

DARK TRANQUILLITY im November 2024 in MünchenMusikalisch indessen liefern die Schweden auf allerhöchstem Niveau ab: Wie bei den Kollegen von In Flames hat auch der Live-Performance von DARK TRANQUILLITY die Frischzellenkur extrem gutgetan: Nicht, dass die Band in der vorherigen Besetzung schlecht gewesen wäre, aber das technische Level, auf dem insbesondere die beiden Gitarristen Johan Reinholdz und Peter Lyse Hansen, aber auch Christian Jansson (Bass) und Joakim Strandberg-Nilsson am Schlagzeug zusammenspielen, hat man DARK TRANQUILLITY noch nicht erlebt. Und auch die Band scheint sich sicherer denn je zu fühlen: Erstmalig überhaupt steht 2024 der „Fiction“ Song „Empty Me“ auf der Setlist – und auch „Cathode Ray Sunshine“ und „Hours Passed In Exile“ von „Damage Done“ spielen DARK TRANQUILLITY erst seit dem Lineup-Wechsel 2022 wieder live. Dass das neue Material nicht nur merklich ruhiger ist, sondern kompositorisch weniger Tiefgang hat, fällt bei einer so bunt gemischten Setlist zwar deutlich auf, aber auch weniger ins Gewicht.

    1. The Last Imagination
    2. Nothing To No One
    3. Wayward Eyes
    4. Unforgivable
    5. Hours Passed In Exile
    6. The Dark Unbroken
    7. Final Resistance
    8. Cathode Ray Sunshine
    9. Atoma
    10. Shivers And Voids
    11. Not Nothing
    12. Empty Me
    13. Our Disconnect
    14. Phantom Days
    15. ThereIn
    16. The Wonders At Your Feet
    17. Lost To Apathy
    18. Misery’s Crown

DARK TRANQUILLITY im November 2024 in München

Obwohl DARK TRANQUILLITY ihr Set heute vielleicht eine Nuance zu routiniert abspulen, lässt die Performance selbst keine Wünsche offen: In 90 Minuten und mit Material von acht Alben kommt wirklich jeder Fan auf seine Kosten. Drei Vorbands, davon mit MOONSPELL sogar eine Art Co-Headliner mit 60-Minuten-Set, fordern allerdings ihren Tribut: Nach 60 Minuten DARK TRANQUILLITY ist beim Großteil der Anwesenden die Luft so langsam raus; erst zum finalen Hit „Misery’s Crown“ mobilisieren nochmal alle ihre letzten Kräfte. Am Ende wäre weniger wohl trotzdem mehr – und zwar sowohl hinsichtlich der Anzahl an Shows, die die Band pro Tour herunterreißen muss, als auch in Bezug auf die Anzahl der Bands, die in einen Konzertabend gepackt werden – oder zumindest deren Spielzeit.

DARK TRANQUILLITY im November 2024 in München

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