Festivalbericht: Dark Easter Metal Meeting 2023

08.04.2023 - 09.04.2023 München, Backstage (Werk, Halle, Club)

Seit 2012 steht das Osterwochenende im Backstage München im Zeichen von Black- und Death Metal. Auch in seiner nunmehr zehnten Auflage lockt das DARK EASTER METAL MEETING mit einem Billing, das exquisiter kaum sein könnte: 32 Bands aus 15 Ländern stehen auf dem Programm – verteilt auf alle drei Backstage-Locations (Werk, Halle, Club). Kein Wunder also, dass das DEMM X bereits lange im Vorfeld ausverkauft ist.

Samstag, 08.04.2023

Wie groß die Vorfreude der Metal-Community auf das Event ist, zeigt sich bereits, als um 13:00 Uhr die Tore zum Gelände öffnen: Sogleich füllt sich das Areal mit Fans, die dann auch direkt um 14:00 Uhr ins Werk strömen, um der musikalischen Eröffnung des Festivals beizuwohnen.

Als Opener eröffnen dort um 14:30 Uhr IN APHELION das Festival – eine perfekte Besetzung für diesen Slot, da die Band zwar vergleichsweise neu ist, als Side-Project von Necrophobic aber das Interesse vieler Black-Metal-Fans auf sich zieht. Dass das Werk als größte der drei Locations bereits zu diesem frühen Zeitpunkt wirklich voll ist, überrascht aber sogar die Band selbst. Umso dankbarer zeigen sich IN APHELION für diesen starken Support zur frühen Stunde. Top motiviert legen Sebastian Ramstedt und seine Mitstreiter – inklusive Aushilfs-Bassist Tobias Cristiansson von Grave – eine mitreißende Performance hin. Dass die Soundanlage fürs Publikum erst ab dem zweiten Song ihren Dienst tut, nimmt nur dem Einstieg etwas den Drive. Danach begeistern IN APHELION – etwa mit der Live-Premiere von „Wrath Of A False God“ – auf ganzer Linie. [mg]

Anschließend geht es auch in Halle und Club los: Während im kleineren Club ENDONOMOS ihren Doom-Metal präsentieren dürfen, beweisen die Newcomer GROZA, dass sie der 500er-Kapazität der Halle (zumindest im Rahmen eines Festivals) bereits entwachsen sind: Schon vor Showbeginn ist die Halle gesteckt voll, wenig später muss sogar ein kurzzeitiger Einlassstop vehängt werden, um die Überfüllung zu verhindern. Dass die erst 2016 gegründete Band heute krankheitsbedingt nur als Trio auftritt, nimmt dem stark von Mgła inspirierten Black Metal nichts von seiner Wucht – entsprechend euphorisch werden die Kapuzenträger aus Mühldorf am Inn abgefeiert. [mg]

Bereits zur zweiten Band im Werk zeigen sich Segen und Fluch eines ausverkauften DARK EASTER METAL MEETINGs: Für Bands und Veranstalter ist der von Beginn an riesige Andrang der Idealfall, für die Besucher bedeutet dies allerdings auch mühsames Gedränge. Sich einen vernünftigen Platz zu erobern, lohnt sich bei SULPHUR AEON dennoch: Dem mit Fantasy-Lyrics versehenen, angeschwärzten Death Metal wurde ein satter und druckvoller Sound verliehen, der gerade in den ersten Reihen, vereinzelt allerdings auch im hinteren Bereich des Werks für Headbangen sorgt. Hier und dort lockern die Westfalen ihre schnelle und aggressive Musik durch verträumte Melodien, Klargesang und Soli auf, wobei letztere in der Abmischung neben der krachenden Rhythmus-Sektion leider etwas untergehen. Nichtsdestoweniger zeigt sich das Publikum zufrieden und würdigt den insgesamt gelungenen Auftritt mit entsprechendem Applaus. [sd]

Während im Club UPRISING, das Black-Metal-Projekt von Waldgeflüster-Fronter Winterherz, ihren einzigen Auftritt 2023 abliefern, steht mit DARVAZA in der Halle Black Metal der ganz traditionellen Art auf dem Programm: Obwohl Mastermind Omega aus Italien kommt, wird die Band ihres norwegischen Sängers Wraath dem „Nidrosian Black Metal“ zugeordnet, der vielleicht authentischsten Black-Metal-Strömung unserer Tage. Wie schon bei seiner mittlerweile aufgelösten Band One Tail, One Head liefert Wrath auch mit DARVAZA eine packende Performance ab: Seine bitterböse Bühnenpräsenz verleiht dem spärlich illuminierten Auftritt eine Stimmung, die dieser Tage nur noch wenige Black-Metal-Bands heraufbeschwören können. Dass sich die Halle dennoch über den Verlauf der Show merklich leert, ist eher dem Songmaterial selbst anzukreiden, das sehr simpel und roh und damit wohl einfach nicht jedermanns Sache ist. [mg]

Nachdem BETHLEHEM ihren Auftritt auf dem DARK EASTER METAL MEETING aufgrund gesundheitlicher Probleme ihres Bandkopfes Jürgen Bartsch schon vor einigen Wochen absagen mussten, wurden DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT verpflichtet. Ein naheliegender Ersatz, ist Frontfrau Onielar doch in beiden Bands aktiv. Das deutsch-polnische Kollektiv sorgt schon mit seiner Bühnendeko für Aufsehen: Ein umgedrehtes Pentagramm und zwei Rinderschädel erheben sich hinter der Gitarre spielenden Sängerin. Auch sonst ist es eher die Optik, die von der Show In Erinnerung bleibt: Die Fronterin wirkt in ihrem weißen Kleid fast wie eine Elfe – wäre da nicht die zu Ostern passende Dornenkrone auf ihrem Kopf. Die restliche Band performt in schwarzer Lederkluft und teilweise oberkörperfrei. Bis zum Ende des Sets ist allerdings auch vom Weiß des Kleides nicht mehr viel übrig: Onielar erbricht gleich mehrfach im Laufe des Auftritts Schweineblut über ihr Outfit und färbt dieses tiefrot. Die Musik rückt dabei fast in den Hintergrund: Der traditionelle, raue Black Metal des Quartetts dürfte vor allem Puristen erfreuen – wer nach mehr Melodien und Atmosphäre sucht, hat hier kurz Pause, ehe er sich zwischen Halle und Club entscheiden muss. [sd]

  1. In The Land Of The Mountains Of Trees
  2. Das All-Eine
  3. In The Hue Of Night
  4. Imperishable Soulless Gown
  5. … To Necromancy

Denn mit der finnischen Atmospheric-Black-Metal-Newcomerin VERMILIA (im Club) einerseits beziehungsweise AGRYPNIE (in der Halle) andererseits geht es dort musikalisch deutlich abwechslungsreicher weiter. Letztere, bekanntermaßen das Post-Black-Metal-Projekt um Nocte-Obducta-Sänger Torsten Hirsch, setzen auf düstere Melodien, die von rasenden Passagen und stellenweise gar breakdown-artigen Parts durchbrochen werden. Während der Sound in der Halle (wie das gesamte Festival über) hervorragend ist, scheint die Band selbst gerade zu Beginn und zum Ende mancher Songs leichte Abstimmungsprobleme zu haben. Die kleinen Timing-Probleme nehmen der Musik glücklicherweise weder die Wirkung, noch stören sie das Gesamtgeschehen. Und so können sich Fans der Hessen nicht nur über 50 Minuten vollkommen der Musik hingeben, sondern auch Zeuge der Live-Premiere des bisher unveröffentlichten Tracks „Meer ohne Wasser“ werden. Die sorgsam kreierte Atmosphäre kann nur Sänger Torsten selbst durchbrechen, indem er etwa in einer seiner seltenen Ansagen darauf hinweist, wie sehr er sich darauf freut, sich nach dem Auftritt mit den Fans zu betrinken. [sd]

Nach der Warmup-Show mit IN APHELION am frühen Nachmittag steht nun für Sebastian Ramstedt, Johan Bergebäck und Tobias Cristiansson der zweite Auftritt des Tages an: der Prime-Time-Gig mit NECROPHOBIC. Und tatsächlich könnten die Rahmenbedingungen kaum besser sein: So voll wie das Werk um 20:00 Uhr ist, müsste das restliche Backstage-Areal eigentlich ausgestorben sein. Drinnen herrscht jedenfalls – angefeuert von einer neuerlich beeindruckenden Performance – beste Stimmung. Der Sound lässt den traditionell sehr melodischen schwedischen Black Metal der Schweden in voller Pracht erklingen und jeder einzelne der fünf Musiker wirkt maximal motiviert. Auch an der Songauswahl gibt es absolut nichts zu kritisieren: Die neun Stücke des heutigen Sets sind sieben verschiedenen Alben entnommen – umfassender kann man seine Diskografie kaum präsentieren. Kein Wunder also, dass NECROPHOBIC hier und heute wie ein (erster) Headliner gefeiert werden. [mg]

  1. Taste Of Black
  2. The Call
  3. The Infernal Depths Of Eternity
  4. Into Armageddon
  5. Sacrificial Rites
  6. The Crossing
  7. Blinded By Light, Enlightened By Darkness
  8. Tsar Bomba
  9. The Nocturnal Silence

Im Club gibt es mit HYPNOS um kurz vor 21 Uhr tschechischen Death Metal – mit SKYFORGER steht in der Halle derweil die vielleicht exotischste Band des Tages auf dem Programm. Denn in lettischer Sprache vorgetragene Texte und mit Folk-Elementen gespickter Pagan-Metal erwarten die zu Beginn des Sets gut gefüllte Halle. Während im vorderen Bereich ausgiebig getanzt wird und fleißig Körper umhergeschubst werden, leert sich der hintere Teil der Halle im Laufe des Sets nach und nach. An der Performance der Balten dürfte das aber nicht liegen: Musikalisch fallen vor allem die stellenweise vorkommenden A-cappella-Passagen äußerst positiv auf und auch die Lieder an sich laden grundsätzlich dazu ein, in Feierstimmung zu kommen – und mit ihrer Verurteilung des russischen Krieges gegen die Ukraine und einer zeitweise blau-gelb gehaltenen Lichtshow setzen SKYFORGER ein wichtiges Zeichen. Dass gerade vor dem letzten Track des Sets nur noch ungefähr die Hälfte der Halle gefüllt ist, haben sich SKYFORGER dann allerdings doch selbst zuzuschreiben: Mit einem Song weniger im Set wäre die Überschneidung mit dem Headliner CANDLEMASS vermeidbar gewesen. [sd]

Alle, die die Halle früher in Richtung Werk verlassen haben, sollten Recht bekommen. Denn bei den inzwischen fast 60-jährigen Schweden von CANDLEMASS lohnt sich wahrlich jede Minute. Johan Langquists Stimme klingt äußerst kraftvoll und zieht die Besucher des DARK EASTER METAL MEETINGS in ihren Bann. Bassist Leif Edling schöpft aus vierzig Jahren Bühnenerfahrung, greift dabei ganz tief in die Posing-Kiste und wirkt mit seinem beeindruckenden Bart auch noch unverschämt cool. Und auch als Ganzes spielt sich die Band, unterstützt von Entombed-Drummer Olle Dahlstedt, mit Bravour durch ein mit Klassikern gespicktes Set: Bis auf „Sweet Evil Sun“ vom aktuellen gleichnamigen Album stammen sämtliche Songs von den ersten drei Platten der Band, die allesamt noch in den 1980er-Jahren erschienen. Nicht umsonst erwähnt Langquist mit einem Augenzwinkern, dass sie am heutigen Abend einige Songs spielen, die älter sind als viele Personen im Publikum. Doch obwohl der Auftritt der Doom-Metaller wirklich hervorragend ist, leert sich auch das Werk noch vor Mitternacht merklich. Ob einige aufgrund der Absage von GRAVE bereits frühzeitig den Heimweg antreten oder der epische Doom der Schweden für das überwiegend Black-Metal-affine Publikum einfach nicht über die volle Länge trägt, ist nicht auszumachen. Wer bis zum Ende bleibt, erhält mit dem Meilenstein „Solitude“ allerdings das krönende Ende eines Gänsehaut-Auftritts, der der Headliner-Position definitiv würdig ist. [sd]

  1. Mirror Mirror
  2. Bewitched
  3. Under The Oak
  4. The Bells Of Acheron
  5. Dark Are The Veils Of Death
  6. Samarithan
  7. Sweet Evil Sun
  8. Crystal Ball
  9. The Well Of Souls
  10. A Sorcerer’s Pledge
  11. Solitude

Im Anschluss an diesen Ausflug in den Doom gibt es überall wieder härtere Klänge: Den Abschluss im Club dürfen die Newcomer von KVAEN gestalten. Das Projekt des Schweden Jacob Björnfot zieht zur späten Stunde nochmal ordentlich Publikum in die kleinste Location des Backstage und zeigt sich dabei beeindruckend gut aufeinander abgestimmt und gleichzeitig auch äußerst nah- und dankbar. Die intime Atmosphäre, gepaart mit der druckvollen Musik, sorgt zum Ende des Tages so nochmal für ein kleines Highlight. [sd] In der Halle stehen zeitgleich die Brasilianer THY LIGHT auf der Bühne. Deren Auftritt wird bereits im Vorhinein als ein Highlight des Festivals gehandelt – nicht zuletzt, weil es die erste Deutschlandshow der Band ist. Tatsächlich liefert die international besetzte Formation (inklusive dem deutschen Schlagzeuger Michael Koch) eine herausragende Show ab: Mit Corpsepaint und Kapuzenkutten treten THY LIGHT sehr traditionell auf, und auch ihr Depressive Black Metal orientiert sich stark an Genrestandards – die Atmosphäre, die THY LIGHT dabei in die abermals zum Bersten gefüllte Halle zaubern, sucht dennoch ihresgleichen. Dass sich die Musiker der Band ausgerechnet auf einer der vergangenen Ausgaben des Dark Easter Metal Meeting kennengelernt haben, ist Ironie des Schicksals – aber auch das i-Tüpfelchen auf dieser rundum stimmigen Show. [mg]

Wie am Nachmittag bekanntgegeben wurde, fällt der Auftritt der schwedischen Death-Metal-Instanz GRAVE als Tagesabschluss aus gesundheitlichen Gründen ausfallen. Als Ersatz konnten kurzerhand noch SCHIRENC PLAYS PUNGENT STENCH gewonnen werden. Was zunächst nach einer Notlösung klingt, entpuppt sich am Ende tatsächlich als ein guter Ersatz – nicht zuletzt, weil die Band mal wieder Humor zeigt und sich kurzerhand mit „Alright Munich – We are Grave from Visby and this one is called ‚Into The Grave’“ vorstellt – dann aber doch den bandeigenen Song „Pungent Stench“ spielt. Zumindest vom Härtegrad her kann das Oldschool-Set, das Martin „El Cochino“ Schirenc, Bassist Danny Vacuum und Schlagzeuger Flo Musil, der zuvor schon bei Agrypnie auf dem Drumhocker saß, vorbereitet haben, mit der schwedischen Death-Instanz mithalten. Aus der Not heraus ein gelungener Abschluss! [mg]

So ist zwar schade, dass ausgerechnet Grave, die seit fast zehn Jahren nicht mehr in München waren, dieses triste Jubiläum nun wohl voll machen – gegen all die tollen Eindrücke des rundum stimmigen ersten Festivaltags bleibt das aber eine Randnotiz.

Sonntag, 09.04.2023

Ermüdungserscheinungen? Fehlanzeige. Auch am zweiten Tag füllt sich das Gelände des Backstage rasch. War man am Samstag aufgrund anhaltenden Niselregens heilfroh, dass es sich beim DARK EASTER METAL MEETING um ein Indoor-Festival handelt, kommt am frühen Nachmittag des Sonntags dank Sonnenschein und angenehmen Temperaturen doch ein bisschen Open-Air-Stimmung auf.

Bei diesem Wetter widerstrebt es einem fast, sich für die Konzerte nach innen zu begeben – doch obschon noch nicht ganz so viele Fans da sind wie am Tag zuvor, können HERETOIR totzdem vor zahlreich erschienenem Publikum den Startschuss für Tag zwei geben. Mit lieblichen Melodien und schwarzmetallischem Kontrastprogramm sorgen die bayerischen Blackgazer dabei gleich zum Start für reichlich Gänsehautmomente. Dabei stechen besonders die sanften Gitarrenklänge kombiniert mit Frontmann Eklatanz‘ berührendem Klargesang hervor, die einigen Fans buchstäblich die Tränen in die Augen treiben. Als Opener für den zweiten Tag des DARK EASTER METAL MEETING hätte man sich somit kaum eine bessere Band als HERETOIR aussuchen können: Alle Anwesenden werden von einem tollen Auftritt verzaubert und alle, denen die Musik der Augsburger zu sanft ist, können einfach eine Dreiviertelstunde später kommen und mit den Black-Deathern von FUNERAL PILE im Club in den Tag starten. [sd]

In der Halle geht es derweil eher atmosphärisch zu: Die Italiener ENISUM streichen im Gegensatz zu HERETOIR zwar den Klargesang aus ihrer Musik, allerdings muss dem Black Metal des Quartetts ein großen „Melodic“ vorangestellt werden. Und schon zum ersten Song ist die Halle wieder bis auf den letzten Quadratmeter gefüllt. Der Weihrauchduft kitzelt einem beim Betreten der Location in der Nase und bis auf kahle Zweige, die als Mikrofonständer dienen, ist die Bühne ohne weitere Deko oder Backdrop in schwarz gehüllt. Nicht nur durch das Ambiente, auch durch die äußerst akkurat gespielte und verträumte Musik, gelingt es den Turinern, das Publikum beinahe in Trance zu versetzen. Mit der Kombination aus HERETOIR und ENISUM als Einstieg in den zweiten Festivaltag dürften somit vor allem jene wunschlos glücklich sein, die Post- und Shoegaze-Einflüsse in ihrem Black Metal mögen.

Für die Doom-Metaller 1914, denen bedauerlicherweise die Ausreise aus der Ukraine unmöglich gemacht wurde, springen kurzerhand ihre Kameraden von KANONENFIEBER in die Bresche. Die Bamberger fahren heute die ganz großen Geschütze auf: Mit Stacheldraht und Sandsäcken wird die Bühne gesichert, auf der sich Noise und Konsorten durch Nebel und Schnee (!) kämpfen, um ihre Songs möglichst eindringlich darzubieten. Für die einen mag das schon fast sabatonsche Züge annehmen, für die anderen ist es eine schlichtweg perfekte Inszenierung der Musik. Fakt ist: Kalt lässt dieser Auftritt höchstens Fronter Noise, der in den beiden aufeinander folgenden „Füsilier“-Teilen nur dank einer Lagerfeuerlampe vor dem Erfrieren gerettet werden kann. Dass so viel „Singspiel“ im Metal nicht jedermanns Sache ist, ist nicht weiter überraschend. Zumindest haben KANONENFIEBER jedoch die ungeteilte Aufmerksamkeit eines Großteils der Festivalbesucher:innen und können sich – dem anschließenden Andrang am Merch nach zu urteilen – mit ihrer eindrucksvollen Performance so manchen neuen Fan erkämpfen. [mg]

  1. Die Feuertaufe
  2. Dicke Bertha
  3. Die Schlacht bei Tannenberg
  4. Grabenlieder
  5. Die Fastnacht Der Hölle
  6. Der Füsilier I
  7. Der Füsilier II
  8. The Yankee Division March

Im Club präsentieren anschließend ERIDU ihr neues Album „Enuma Elish“. Zwar ist der Saal ansehnlich gefüllt – als einzige Münchner Band im Billing hätten ERIDU vom Status der Lokalmatadoren aber wohl noch mehr profitiert, hätten sie nicht ausgerechnet gegen SEAR BLISS antreten müssen: Spontan für WHITE WARD eingesprungen (die das gleiche Schicksal wie 1914 ereilt hatte) machen die Ungarn das Beste aus der Situation und nutzen die Show als Verschnaufpause von der Studioarbeit am nächsten Album. So bekommen die Fans neben diversen Klassikern in bester Metallica-Manier schon mal einen unbetitelten Song zu hören, den Fronter András Nagy kurzerhand „Eastersong“ betitelt. Ob alt oder neu: Der Mix aus Zerrgitarren, Doublebass und Posaune funktioniert heute, auch dank des extrem guten Sounds, perfekt. So mausern sich SEAR BLISS im Verlauf der Show vom Nachrücker zu einem weiteren Highlight des Festivals! [mg]

Mit der dritten Band im Werk kommen nun auch endlich Old-School-Fans auf ihre Kosten: Mit den für NIFELHEIM nachverpflichteten Black Metallern SACRAMENTUM steht eine schwedische Kult-Band der 1990er-Jahre auf dem Programm. Kein Wunder also, dass die nach langer Pause reaktivierte Truppe stilistisch an alte Dissection erinnert. Das Auftreten der Band ist irgendwo zwischen kultig und peinlich einzuordnen: Zwischen der mit Lederwesten bekleideten, muskelbepackten Saitenfront stolziert Frontmann Nisse Karlén oberkörperfrei über die Bühne, bekleckert sich (und alles, was er anfasst) mit Kunstblut aus einem goldenen Kelch und wirkt mit seinen wilden Gestiken wie ein aufgescheuchter Dirigent. Leider sind seine Vocals deutlich zu leise abgemischt, sodass sie neben den wuchtigen Gitarren weit in den Hintergrund rücken – diese zumindest treffen mit ihren klassisch „schwedischen“ Riffs und Melodien bei vielen Fans auch einen Nerv. Für Fans der ersten Stunde ist außerdem die Setlist ein wahres Schmankerl: SACRAMENTUM spielen ihr Debüt „Far Away From The Sun“ von 1996 in voller Länge, überschreiten damit allerdings ihre geplante Spielzeit um fast zehn Minuten. Was bei den Anhängern der Band für Freude sorgt, beschert der Stage-Crew und den nachfolgenden NAGLFAR allerdings Zeitdruck und eine stressige Umbau- und Feudelpause. [sd]

  1. Fog’s Kiss
  2. Far Away From The Sun
  3. Blood Shall Be Spilled
  4. When Night Surrounds Me
  5. Cries From A Restless Soul
  6. Obsolete Tears
  7. Beyond All Horizons
  8. The Vision And The Voice
  9. Outro-Darkness Falls For Me/Far Away From The Sun (Part Two)

Während SACRAMENTUM im Werk ihr Set zu Ende spielen, geht es andernorts schon düster und rasend zur Sache: In der Halle legen um 19:05 Uhr LUCIFER’S CHILD los. Mal mit treibenden Blast-Beats und schnellem Tremolo-Picking, mal mit finsteren Melodien und stampfenden Rhythmen, zieht die äußerst sympathisch wirkende Truppe um ex-Rotting-Christ-Gitarrist George Emmanuel das Publikum in ihren okkulten Bann. Die Griechen verzichten auf jeglichen Firlefanz und lassen die Musik für sich sprechen. Obwohl es dieser für eine Spielzeit von 50 Minuten etwas an Variantenreichtum fehlt, liefern LUCIFER’S CHILD einen guten Auftritt ab. [sd] Mit DREAD SOVEREIGN spielt derweil von der breiten Masse quasi unbeachtet niemand geringeres als Alan Averill (Primordial) als singender Bassist einen mitreißenden Auftritt im Club: Der dreckige Death-Doom des Trios ist eine erfrischende Abwechslung zwischen all dem Schwarzmetall und hätte definitiv eine größere Zuhörerschaft verdient. Das Ambiente einer Secret-Show steht dem Gig allerdings gut zu Gesicht – wohl dem, der diese Performance nicht verpasst hat. [mg]

Im Werk bleibt das Thema noch für eine weitere Show „Swedish Melodic Black Metal“: Zur Primetime stehen hier die ebenfalls seit Anfang der 1990er-Jahre aktiven NAGLFAR auf dem Programm. Anders als ihre Landsmänner von SACRAMENTUM setzt die Band aber nicht auf eine klischee- und bluttriefende Inszenierung sondern einfach auf die Wirkung ihrer Songs. Anders als SACRAMENTUM haben NAGLFAR aber auch nicht Ende der 1990er-Jahre aufgehört, Musik zu veröffentlichen. So gibt es hier vornehmlich Black Metal deutlich jüngeren Datums zu hören: Mit drei Nummern ihres aktuellen Albums „Cerecloth“, drei von „Harvest“, zwei von „Pariah“ und obendrein dem eher selten gespielten „Blades“ von „Diabolical“ mischen NAGLFAR geschickt brandneue Nummern, Band-Hits und selten gespieltes. Dass der Sound hier nicht ganz so transparent ausfällt wie bei den meisten anderen Shows im Werk kann die Wirkung dieser Stücke kaum mindern: Der Saal ist bis in die letzte Ecke gefüllt – und die Reaktionen auf die inbrünstige Darbietung insbesondere von Fronter Kristoffer Olivius lassen nichts zu wünschen übrig. Genau so muss schwedischer Black Metal klingen! [mg]

  1. Blades
  2. Cerecloth
  3. And The World Shall Be Your Grave
  4. The Darkest Road
  5. Vortex Of Negativity
  6. Feeding Moloch
  7. Like Poison For The Soul
  8. A Swarm Of Plagues
  9. Harvest

Nach diesem Abriss geht es in Club und Halle schwarzmetallen weiter – im Club mit MERRIMACK aus Frankreich, in der Halle mit MEPHORASH, die wie Naglfar aus dem schweischen Uppsala angereist sind. Dieses Duell gewinnen eindeutig die Schweden: Während im Club so viel Platz ist wie nur selten an diesem Wochenende, steht das Pubikum in der Halle dicht gedrängt, um der Zeremonie von MEPHORASH beizuwohnen. Mit beigen Roben und dämonischen Masken betritt die Band die mit astronomischen Symbolen und Feuerkelchen ausgestattete Bühne. Mithilfe von Orchester und Chören als Backing-Tracks wird der symphonische Black Metal des Quintetts mit einer epischen Note versehen. Das Publikum lauscht mucksmäuschenstill dem Geschehen auf der Bühne und so vermittelt die Musik in Kombination mit dem Auftreten MEPHORASHs das Gefühl, tatsächlich an einem dämonischen Ritual teilzunehmen. Beeindruckend ist dabei nicht nur die Vielschichtigkeit des Songmaterials, das von filigranen Klängen bis zu monströsen Symphonien reicht, sondern auch, wie Schlagzeuger Tephra Brabeion von seiner übergroßen Bekleidung völlig unbeeindruckt sein Instrument malträtiert. Bevor im direkten Anschluss mit TRIUMPH OF DEATH der mit Spannung erwartete Headliner loslegt, sorgen MEPHORASH mit ihrem Auftritt somit schon mal für ein weiteres Highlight des Festivals. [sd]

Dass der ursprünglich angekündigte Gig des NAGLFAR-Nebenprojekts BEWITCHED schlussendlich nicht realisiert wurde, war neben der Absage von NIFELHEIM für Fans rockig-roher Klänge im Vorfeld des Festivals eine herbe Enttäuschung – bei TRIUMPH OF DEATH kommen diese nun aber wirklich voll auf ihre Kosten: Unterstützt von einer fast jugendlich anmutenden Band haucht Szene-Ikone Tom „Warrior“ Fischer den Songs der Celtic-Frost-Vorläuferband HELLHAMMER neues Leben ein. Und wie: Der extrem simple „Proto-Black-Metal“ drückt mit solcher Wucht aus den Boxen, dass sich direkt ein wilder Moshpit entwickelt, dazwischen lockert Tom „Warrior“ die Atmosphäre immer wieder mit lässig-sympathischen Ansagen auf: Die „Uh!“-Sprechchöre des Publikums beendet er mit einem humorigen „Na, wenigstens für irgendwas bin ich bekannt“ – die „Martin“-Sprechhöre hingegen lässt er ehrlich ergriffen wirken. Dass die Zeit bei einer so perfekten Performance wie im Flug vergeht, wundert nicht – dass der Gig bis zum letzten Ton von des namensgebenden „Triumph Of Death“ extrem kurzweilig wirkt, liegt aber auch daran, dass TRIUMPH OF DEATH nur 60 statt der angekündigten 75 Minuten spielen. Vermutlich ist damit so ziemlich das gesamte relevante Repertoire der Demo-Band HELLHAMMER dargeboten – fairerweise hätte man die Show dann allerdings auch entsprechend mit 60 Minuten ankündigen können. [mg]

  1. The Third Of The Storms (Evoked Damnation) – (Hellhammer-Cover)
  2. Massacra (Hellhammer-Cover)
  3. Maniac (Hellhammer-Cover)
  4. Blood Insanity (Hellhammer-Cover)
  5. Decapitator (Hellhammer-Cover)
  6. Crucifixion (Hellhammer-Cover)
  7. Reaper (Hellhammer-Cover)
  8. Aggressor (Hellhammer-Cover)
  9. Revelations Of Doom (Hellhammer-Cover)
  10. Messiah (Hellhammer-Cover)
  11. Visions Of Mortality (Celtic-Frost-Cover)
  12. Triumph Of Death (Hellhammer-Cover)

Mit MISÞYRMING steht in der Halle zu guter Letzt nochmal ein Brocken für Hartgesottene an. Die Isländer, gekleidet in mit Schlamm beschmierte weiße Hemden, gehen äußerst rabiat zur Sache und bieten zur späten Stunde alles andere als gemütliche Einschlafmusik. Während der Sound und die Abstimmung zwischen den Musikern vollkommen stimmig ist, wird die Musik selbst nach spätestens 20 Minuten allerdings ziemlich eintönig. Schade, denn nach vielen hervorragenden Auftritten in der Halle bleibt ausgerechnet der letzte eher blass. Deutlich spannender geht es derweil im Club nebenan zu: Ist der avantgardistische Death Metal von IMPERIAL TRIUMPHANT auf Platte wirklich schwer verdauliche Kost, so ist der Live-Auftritt des Trios mit seinen goldenen Masken durchaus faszinierend. Mit verwunderlicher Leichtigkeit spielen die New Yorker ihre hochkomplexen Songs und zeigen sich dabei auch noch äußerst bewegungsfreudig. Neben dem musikalisch souveränen Auftritt sucht die Truppe auch stets Kontakt zum Publikum: Gitarrist und Sänger Zachary Ezrin lässt wortwörtlich die Korken knallen und verteilt Sekt an die ersten Reihen, und Bassist Steve Blanco steigt sogar von der Bühne herunter und scheut sich nicht davor, inmitten der Menge zu performen. Da im Anschluss keine weitere Band mehr auftritt, zieht es aber glücklicherweise keinen organisatorischen Rattenschwanz nach sich, dass IMPERIAL TRIUMPHANT am Ende sogar noch um eine viertel Stunde überziehen – stellt die Fans allerdings vor die schwere Entscheidung, ob sie diesen Auftritt bis zuletzt auskosten oder das gesamte Set von ROTTING CHRIST miterleben wollen. [sd]

Wer dachte, dass mit der im Werk vorangegangenen Show von Triumph Of Death alles gesagt war, irrt – denn ROTTING CHRIST haben sich augenscheinlich vorgenommen, da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Anders ist kaum zu erklären, wie motiviert die vier Griechen hier und heute auftreten: Gehören ROTTING CHRIST bereits seit Jahren zu den besten Live-Bands im extremen Metal, zeigen die Gebrüder Tolis und ihre beiden so jungen wie dynamischen Mitstreiter heute noch stärker als gewöhnlich: Perfekte Sound- und Lichtverhältnisse untermalen einen vor Kraft nur so strotzenden Auftritt. Dass ROTTING CHRIST hier nochmal wirklich alles reinschmeißen, was sie zu bieten haben, bleibt nicht ohne Wirkung: So aktivieren sie mit Hits wie „Apage Satana“ oder „Non Serviam“ beim Publikum zu später Stunde noch die letzten Energiereserven: Dass allen Anwesenden zwei volle Festival-Tage in den Knochen stecken, merkt man nicht im Ansatz – im Gegenteil: In der Summe wird bei dieser letzten Show sogar mehr gemosht und gejubelt als bei so ziemlich jeder anderen Band des Festivals. Wer bei dieser Darbietung von ROTTING CHRIST noch an dessen Auferstehung glaubt, muss wirklich eingefleischter „Walking Dead“-Fan sein. [mg]

  1. 666
  2. Kata Ton Daimona Eaytoy
  3. Fire, God And Fear
  4. Dub-Sag-Ta-Ke
  5. Apage Satana
  6. Elthe Kyrie
  7. Demonon Vrosis
  8. Societas Satanas (Thou-Art-Lord-Cover)
  9. Non Serviam
  10. In Yumen-Xibalba
  11. Grandis Spiritus Diavolos
  12. The Raven

So endet das DARK EASTER METAL MEETING 2023 mit einem Auftritt, den man ohne Übertreibung als krönenden Abschluss bezeichnen kann – und der doch exemplarisch ist für nahezu jeden der 32 Auftritte an diesem Wochenende: Im rundum stimmigen Setting dieses Festivals wirken Musiker wie Fans extra motiviert und kreieren gemeinsam mitreißende Auftritte mit großartiger Atmosphäre.

Ermöglicht wird das durch die nahezu perfekte technische Umsetzung des Festivals mit durchweg sehr gutem Sound, stimmigen Lightshows und einem fast immer minutengenau eingehaltenen Zeitplan, sodass ungeplante Überschneidungen zwischen Werk und Halle/Club mit ganz wenigen Ausnahmen kein Thema waren. Dass die zeitgleichen Auftritte in den beiden kleinen Locations fast immer beide sehenswert gewesen wären, ist der Wermutstropfen bei 32 Bands – auf der anderen Seite kann man sich bei der gebotenen Qualität des Billings zu keiner Zeit falsch entscheiden.

Das ist insofern praktisch, als es gerade in der Halle mehrfach extrem voll wird. Bei einem bis an seine Kapazitätsgrenze gefüllten Backstage-Areal lässt sich das organisatorisch aber ebenso wenig verhindern wie Schlangen an den mittlerweile immerhin vier Essensständen in den Stoßzeiten. Wer etwas antizyklisch unterwegs ist, oder sich gegebenenfalls auf die Alternativband einlässt, kommt darum aber gut herum und macht im besten Falle noch eine spannende musikalische Neuentdeckung.

Dass ausgerechnet der mit Spannung erwartete Auftritt von SACRAMENTUM eher peinlich als kultig ausfällt, ist deshalb schlussendlich ebenso unbedeutend wie der Ausfall von GRAVE – die Erinnerung an das zehnte DEMM prägen nämlich andere: KANONENFIEBER etwa, die in Sachen Show alle übertrumpfen, Alan Averill, der sich mit DREAD SOVEREIGN nicht für eine in besten Sinne räudige Clubshow zu schade ist, oder CANDLEMASS, die selbst eingefleischten Black-Metallern für eine gute Stunde Doom-Rock á la Black Sabbath schmackhaft machen. Das funktioniert gerade deswegen, weil es aufs große Ganze betrachtet auflockernde Ausnahmen gleiben: Zu allererst ist und bleibt das DARK EASTER METAL MEETING auch 2023 ein Black-Metal-Festival und hat mit NECROPHOBIC, NAGLFAR, DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCLUT oder THY LIGHT in dieser Hinsicht so viele Hochkaräter zu bieten, dass sich das DARK EASTER METAL MEETING ohne Weiteres international mit allen Indoor-Festivals messen kann. Die Münchner Metal-Szene mag klein sein – aber mit dem DEMM hat sie ein Event hervorgebracht, das nicht nur in Deutschland seinesgleichen sucht. [mg]


Die Bilder von Tag 1:

Die Bilder von Tag 2:

Publiziert am von und Silas Dietrich

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