Konzertbericht: Cradle Of Filth w/ Ne Obliviscaris (Darkest Horizon)

15.11.2015 Hamburg, Markthalle

Mitten im schmuddelig verregneten Herbst nehmen CRADLE OF FILTH die Hamburger Markthalle ein. Auf der letzten deutschen Station ihrer Tour „Inquisitional Tourture 2015“ stellen sie noch einmal ihr neues Album „Hammer Of The Witches“ vor. Unterstützt werden sie dabei von NE OBLIVISCARIS und DARKEST HORIZON.

DARKEST HORIZON haben zum offiziellen Konzertbeginn um 20 Uhr ihre Zeit auf der Bühne leider bereits hinter sich. Es ist bedauerlich, ihren interessanten Melodic Death Metal mit Power-Metal-Elementen verpasst zu haben. Ein Eindruck von DARKEST HORIZON lässt sich auf dem aktuellen Album „The Grand Contunuum“ gewinnen.

IMG_2876Den Verlust lassen dann allerdings NE OBLIVISCARIS schnell wieder vergessen. Denn selbst wenn es im Bereich des Extreme Metals nicht ungewöhnlich ist, dass die Musik mit Krach verglichen wird, wundert es dann doch, wenn man als ausgesprochener Extreme-Metal-Fan ebenfalls streckenweise zu diesem Urteil kommt. Doch bei den konzentrierten Australiern auf der Bühne ist das überwiegend gewollt. Sie treiben die Progressivität ihrer extremen Klänge beeindruckend – wenn auch etwas anstrengend – weit. Die gewohnte Stimmung aus Angst, Trauer und Wut des Black Metals wird in eine Komplexität hineingepresst, die einem beim Zuhören die Gehirnwindungen verknotet. Zu den Saiten von zwei Gitarristen und einem Bassisten gesellt sich eine Geige, die mal jaulend, mal schreiend das transportierte Grundgefühl der massiven akustischen Überforderung auf die Spitze treibt. NE OBLIVISCARIS sind perfektionierter Lärm – was heute Abend vielleicht auch ein bisschen auf der weit weniger perfekten Abmischung beruht. Das nicht besonders zahlreiche Publikum ist begeistert, doch es wird nicht gesprungen, gemosht oder geheadbangt. Der passende Tanz für die Musik von NE OBLIVISCARIS muss erst noch erfunden werden – Vorschlag: wippend in der Ecke sitzen und mit dem Kopf gegen die Wand schlagen. Was für eine konsequente Weiterführung des Extreme-Metal-Gedankens, ohne dabei die Grenzen zur Unhörbarkeit oder Lächerlichkeit zu überschreiten! Das 2014er Album „Citadel“ ist also eindeutig zu empfehlen – wenn auch eher nicht für den Firmenaufzug oder das romantische Diner zu zweit – oder vielleicht doch?

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Es ist bedrückend leer für ein Konzert von Extreme-Metal-Größen wie CRADLE OF FILTH. So kommt Sänger Dani Filth auch ohne viel Aufregung und ohne große Vorankündigung auf die Bühnte. Am Mikrofonständer, auf einem langen Stab in seiner Hand und auf seinem Kopf befinden sich Hörner. Sein Gesicht ist weiß mit schwarzen Streifen, er gekleidet in eine Lederrüstung mit langen spitzen Nieten und behangen mit Lumpen. So macht er den Eindruck eines Schamanen. Dieses Bild verfestigt sich, wenn mehrmals eine fast nackte Tänzerin auf die Bühne kommt, die schmutzig bemalt und mit Vogel-Totenkopf-Maske mystisch-laszive Bewegungen vollführt. Der düster-brutale, mitunter auch symphonische bis elektronische Extreme Metal erzeugt eine Atmosphäre, die von etwas weniger grellem Scheinwerferlicht profitieren würde. Doch gerade die grüne oder rote Beleuchtung der beiden gekreuzigten Skelettkrieger im Bühnenhintergrund passt sehr gut. Danis schrille Schreie, die er auf seine charakteristisch-einzigartige Weise zwischen dem Growling platziert, führen dann IMG_2981endgültig zum Aufstellen der Nackenhaare der Fans von CRADLE OF FILTH. Vor allem bei Songs wie „Lord Abortion“ und „Right Wing Of The Garden Triptych“ findet immer wieder auch der opernhafte Gesang der Keyboarderin Lindsay Schoolcraft Einzug in die langen Songs. Die Fans werfen die gehörnten Hände in die Luft und schütteln ihre Haare oder wenigstens Köpfe, aber langsam verschmiert Danis Make Up, und im Vergleich zum diesjährigen Auftritt auf dem Wacken Open Air wirkt das Konzert klein und unbedeutend. Dennoch werden über 30 Minuten lang Zugaben gespielt und auch die Tänzerin kehrt mit Flammen auf den Händen zurück auf die Bühne. Besonders gefeiert werden die Songs „Her Ghost In The Fog“ und der Klassiker „Nymphetamine“. Ansonsten stammen viele der gespielten Titel vom aktuellen CRADLE-OF-FILTH-Album „Hammer Of The Witches“.

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Ein Abend im Zeichen des Extreme Metal: Wer pünktlich zu Konzertbeginn erschien, verpasste den episch-melodischen Death Metal von DARKEST HORIZON. Progressiv-gewaltige Höchstleistung bei leider nur mittelmäßiger Abmischung lieferten NE OBLIVISCARIS. CRADLE OF FILTH wirkten – wie das Publikum – heute ziemlich klein. Das macht sie musikalisch nicht schlecht, aber lässt schon eine etwas demotivierte Haltung der Musiker spüren. Die Fans kamen dennoch auf ihre Kosten, weil CRADLE OF FILTH auch beim vorerst letzten Konzert in Deutschland noch immer ihren ganz eigenen qualitativ hochwertigen Extreme Metal abliefern.

Publiziert am von Jazz Styx (Gastredakteur)

Fotos von: Jan Termath

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