Konzertbericht: Coppelius w/ Carpe Noctem

04.04.2014 München, Backstage

Sie hätten es sich einfach machen können: Mit größtenteils eingängigen Melodien überzeugten die Kammercore-Musiker von COPPELIUS bei ihrem letztjährigen Gastspiel im Münchener Backstage. Ein ähnliches Konzert – die wenigsten hätten es den Männern mit Frack, Zylinder und Vatermörder verübelt. Doch Coppelius wären eben nicht Coppelius, wenn sie dem beliebten Prinzip anderer Musikgruppen folgen würden und der Wiederholung frönten. So drehten die Musiker gewaltig am Songkarussell und am Ende entstand ein Set, bei welchem wohl einem Teil des Auditoriums der Kopf dröhnte und die Ohren klingelten. Alle anderen durften sich über die Vinyltonträgerveröffentlichungsfrühjahrskonzertreise in vergangene Zeiten gefreut haben.

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Bevor die Meister des „Heavy Wood“ die Bühne betreten, eröffnen die Straßenmusiker CARPE NOCTEM den Abend. Dabei geraten die rein instrumentalen Kompositionen deutlich gelungener als der etwas spröde Bandname. Zu Geiger Friedel gesellen sich zwei Celli sowie ein Schlagzeug und eine E-Gitarre, die angenehm gleichberechtigt agieren. Dass das Quintett ein Händchen für den Aufbau ihrer Songs hat, ist von Beginn an spürbar. So zieht sich eine angenehme Dynamik und ein deutlicher Spannungsbogen durch den Auftritt und die einzelnen Lieder der aktuellen CD „op. 2 allegro con fuoco“. Lediglich für ein Stück holen sich die Musiker Unterstützung im Gesang, von niemand Geringerem als Coppelius-Butler Bastille, der zusammen mit CARPE NOCTEM eine Coverversion von System of a Downs „Toxicity“ zum Besten gibt. Bis auf den etwas zu leisen Gesang an dieser Stelle ein rundrum gelungener Supportgig.

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Der Hauptact des Abends eröffnet vergleichsweise harmlos: Nach dem Intro ist „Bitten Danken Petitieren“ ein vertrauter Gast bei den copplianischen Gastspielen. Doch bereits dann leiten COPPELIUS vermehrt auf jenes Albendrittel von „Extrablatt“ über, das beim letztjährigen Tourblock vernachlässigt wurde. Zurecht, wie manche sagen würden. Die Absinth-Hymne „Geschwind“ ist selbst für Coppelius-Verhältnisse sehr speziell und im Duo mit dem überladenen Iron Maiden-Cover „Killers“ werden die Gäste im Süden der Republik schnell auf eine erste Belastungsprobe gestellt. „Glaubtet Ihr?“ und „Glanz und Eleganz“ richten sich ebenfalls mehr an eingefleischte Fans der Berliner als an diejenigen, welche die Herren auf CD und/oder live eher über die eingängigeren „Diener 5er Herren“ oder „Gumbagubanga“  kennengelernt haben.

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Die ruhigen Ausrufezeichen versteht die Kapelle allerdings auch auf ihrer aktuellen Tour zu setzen: „Black Is The Colour“, im Original von Christy Moore und an jenem Abend gesungen von Butler Bastille, erreicht zwar nicht ganz den Level des Subway to Sally-Klassikers „Maria“ aus dem Vorjahr, beweist aber erneut die unglaublichen Gesangskünste des eigentlichen Dieners.

Coppelius-05Nach dem atmosphärisch-dunklen “Locked Out” verlieren COPPELIUS ihr Auditorium anschließend aber spürbar. So ist „Keine Kamera“ rein kompositorisch nicht auf dem Level anderer Werke und spätestens mit der Kombination aus „Ein Gedicht“/“Olimpia“ bedienen die Kammermusiker mehr die Fans der ersten als der letzten Stunde. Ein legitimer Schritt, wenngleich zumindest in München wohl die wenigsten mit einer derartigen Songauswahl gerechnet haben. Dazu gesellen sich einige ungewohnte Ablaufschwierigkeiten sowie eine nicht optimale Soundkulisse, die den Gesamteindruck etwas schmälern. Für den Lacher des Abends sorgt wiederum erneut Bastille, der das Motto der aktuellen Tournee für gefühlte fünf Sekunden in das eigentliche Konzert einbaut, indem er mit Schallplatte vor die Menge tritt und stolz „Wir haben Vinyl!“ verkündet, nur anschließend sofort wieder zu verschwinden und den folgenden Song anzustimmen.

Das Ende des regulären Konzerts mit „Ma Rue A Moi“ und dem Klassiker „Schöne Augen“ dürfte wiederum alle Fangruppen versöhnlich stimmen. Im obligatorischen Da Capo finden sich mit „Risiko“ und „Reichtum“ (inklusive verbrannten Geldscheinen) schließlich zwei weitere Livekracher, bevor COPPELIUS nach dem dritten Iron Maiden-Remake „Running Free“ zu einem Outro von der Bühne verschwinden. Ohne „Ade Mein Lieb“ und – sehr zum Leidwesen von Le Comte Caspar – auch ohne Blubberblasen.

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Kein „Operation“, kein „Gumbagubanga“, kein „Diener 5er Herren“, kein „Die Glocke“, kein „Time – Zeit“, kein „Habgier“ und so weiter und so fort. COPPELIUS verzichten auf ihrer 2014er Tour auf Bewährtes und setzen dafür auf Experimentierfreude. Dabei beraubt sich das Sextett jedoch unnötig oft seiner prägnantesten Stärken, wie beispielsweise dem vierstimmigen Gesang, der bei der aktuellen Songauswahl längst nicht so sehr zum Tragen kommt wie in den Jahren zuvor. Andererseits gebührt Le Comte Caspar, Max Copella und Co. ein großes Lob für den Mut, viel bis dato Nichtgespieltes oder lange Verschmähtes auszukramen. Und allein die Klarinettensoli der beiden Erstgenannten beweisen jedes Mal aufs Neue, welche musikalischen Kaliber hinter den Verkleidungen stecken, selbst wenn die aktuelle Setliste mehrheitlich ein coppelianisch geschultes Gehör erfordert.

Coppelius-06Setlist:
Intro
Bitten Danken Petitieren
Mitten ins Herz
Spieldose
Geschwind
Killers (Iron Maiden-Cover)
Glaubtet Ihr?‘
Glanz und Eleganz
Black is the Colour (Christy Moore-Cover)
Locked Out
Keine Kamera
I’d Change Everything
Ein Gedicht
Olimpia
Coppelius hilft!
Ma Rue A Moi
Schöne Augen

Risiko
Phantom of the Opera (Iron Maiden-Cover)
Esc. I

Reichtum
Running Free (Iron Maiden-Cover)
Outro (Zuckerfee)

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Ein Kommentar zu “Coppelius w/ Carpe Noctem

  1. Ich empfand das Coppelius-Konzert als genial. Natürlich ist die Musik sehr speziell, aber genau das schätze ich an Coppelius so: sie fallen komplett aus dem Kommerz-Raster, sind originell, witzig, anspruchsvoll. Ich habe lange nach solcher Musik gesucht, und nun endlich habe ich sie gefunden. Danke für dieses furiose Konzert! Und von wegen, das Publikum entglitt der Band – Coppelius, so schien es, dirigierte das Auditorium von der Bühne aus mit guter Laune und enormer Spielfreude. Sehr schön, Jungs, weiter so!

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