Konzertbericht: Combichrist w/ Priest, Circus Bizarre

25.07.2024 München, Backstage (Werk)

Nach zwei Warmup-Shows in Blokow und Bielefeld geht die „European Summer Tour 2024“ der Industrial-Metaller COMBICHRIST nun richtig los – mit einer Show auf dem FREE & EASY Festival im Backstage München startet die Truppe in den gut zweiwöchigen Hauptteil der Tour. Mit dabei: Das Dark-Synth-Pop-Trio PRIEST aus Stockholm und die deutsche Dark-Rock-Gruppe CIRCUS BIZARRE.

CIRCUS BIZARRE 2024 in MünchenMit Letztgenannten verhält es sich leider wie mit vielen deutschen Filmen: Hätte was werden können, wurde dann aber leider peinlich. Die Idee, mit im Schwarzlicht leuchtender Schminke, entsprechenden Outfits und Bühnendeko „Zirkusatmosphäre“ aufkommen zu lassen, ist an sich ja nicht schlecht. Bedauerlicherweise wirkt die gesamte Band außer Fronterin Jasmin Elisabeth Wanner, als wüsste sie mit ebendiesem Konzept nicht viel anzufangen. Besagte Sängerin wiederum überkompensiert das mit Ansagen, die wohl an eine Jahrmarkt-Ansagerin erinnern sollen, und grellem Gesang, der nicht erst nach 45 Minuten auf die Nerven geht. Das eigentlich Ärgerliche ist aber die Musik, die hier ganz offensichtlich nur Mittel zum Zweck ist: Die Riffs sind komplett generisch, die Beats ebenso – und dass ein guter Teil der Musik vom Band kommt, versteht sich von selbst. Der Wiedererkennungswert von CIRCUS BIZARRE beschränkt sich allein auf Optik und Show. Beides ist schon nur mäßig „entertaining“ (und auch nicht wirklich bizarr) – musikalisch interessant ist hier aber wirklich gar nichts.

Die Innovation höchstselbst haben PRIEST als Stilmittel nun auch nicht erfunden – und doch funktioniert das Konzept der Schweden deutlich besser: Das Trio, das zumindest zu zwei Drittel aus ehemaligen Musikern von Ghost besteht, geht zwar ungleich düsterer, elektronischer und poppiger zu Werke als noch im Dienste des Papstes. Catchy Refrains finden sich aber auch hier in Massen. Und nicht nur das: Sie finden auch die Massen. War das Backstage bei CIRCUS BIZARRE noch luftig gestellt, ist das Werk ab Showbeginn von PRIEST mit einem Schlag voll. Zwar dauert es heute ein paar Nummern, bis sich Sänger Salt und das Publikum eingegroovt haben, und auch der Bühnensound scheint dem Mann mit dem roten Terminator-Auge Probleme zu bereiten. Weil die Band aber einfach mit vollem Elan weiter performt, über die Bühne tanzt oder – soweit es die düsteren Masken beurteilen lassen – gut gelaunt wirkt, stößt auch die Musik auf offene Ohren. Die Hits der Band stammen zwar weiterhin vornehmlich vom Debüt „New Flesh“ – auch das neue Material von „Dark Pulse“ fügt sich aber gut ins Set. Dass nach knapp 60 Minuten laute „One more song“-Rufe durch das Backstage Werk schallen, sagt alles: PRIEST waren hier und heute weit mehr als „nur“ eine Vorband – aber auch unter den COMBICHRIST-Fans dürften sich die Schweden heute einige neue Hörerinnen und Hörer erspielt haben.

COMBICHRIST 2024 in MünchenWarum es eine über halbstündige Umbaupause braucht, wenn nach einer Viertelstunde schon alles hergerichtet ist, erschließt sich dem unbedarften Konzertbesucher nicht ganz – wirklich lästig ist das aber nur, weil sich das Backstage gegen eine passende Metal-/EMB-Playlist und für ein Jazz-Album als Pausenmusik entschieden hat. Umso härter fällt dafür der Einstieg von COMBICHRIST aus, als diese um 22:15 Uhr endlich die Bühne entern. Wie sehr die Band von ihrem neuen Werk „CMBCHRST“ überzeugt ist, zeigt nicht nur der diesem Album entnommene Opener „Planet Doom“: Von den 16 Songs, die COMBICHRIST heute spielen, sind zwölf besagtem Output entnommen. Dass im Umkehrschluss gerade einmal vier ältere Songs gespielt werden („My Life, My Rules“, „Never Surrender“, „Throat Full Of Glass“ und „Electrohead“) mag Oldschool-Fans kalt erwischen. Wenn man ehrlich ist, wäre es bei häufig tourenden Bands schön, würde dieses Modell Schule machen – immerhin bekommt man hier eine komplett neue Performance geboten.

COMBICHRIST 2024 in MünchenIn Sachen Qualität und Stimmung ist aber alles beim Alten. Schon früh entwickelt sich ein Mosphpit – und wennschon die Songs allesamt (noch) keine Hits sind, werden COMBICHRIST für jeden Track bejubelt. Das liegt zum einen daran, dass das „CMBCHRST“-Material wieder in die klassische COMBICHRIST-Kerbe schlägt – und damit deutlich tanzbarer ist als das etwas sperrige, düstere Metal-Material der letzten Alben. Andy LaPlegua weiß aber auch, wie er die Fans zu nehmen hat: Auf die euphorische Begrüßung entgegnet Andy LaPlegua auf Deutsch „Munich, ich bin zu Hause“, ehe er mit breitem Grinsen wie ein Flummi über die Bühne springt. Wie könnte man da anders, als sich geschmeichelt fühlen und es ihm nachtun? Schnell tobten also vor der Bühne wahlweise Mosh- oder Circlepit – irgendwann sogar (mittlerweile auch schon Tradition) mit Bassist Elliott Berlin (inklusive Bass) mittendrin.

  1. Planet Doom
  2. Wolves Eating Wolves
  3. Compliance
  4. Children Of Violence
  5. Not My Enemy
  6. Only Death Is Immortal
  7. Electrohead
  8. Sonic Witch
  9. Throat Full Of Glass
  10. Modern Demon
  11. Heads Off
  12. Violence Solves Everything
  13. Violence Solves Everything Part II (The End Of A Dream)
  14. Never Surrender
  15. My Life My Rules
  16. D For Demonic

COMBICHRIST 2024 in MünchenBei so viel freigesetzter Energie auf und vor der Bühne vergeht die Zeit wie im Flug: Ehe man sich’s versieht, sind 75 Minuten um und die Show endet – vielleicht etwas zu abrupt, vor allem aber mit dem ebenfalls neuen „D For Demonic“ als völlig unerwartetem Abschluss-Song. Dass die Show damit wirklich vorbei sein soll, glaubt so mancher Fan erst, als das Saallicht angeht – schließlich fehlt mit „What The Fuck Is Wrong With You?“ noch der traditionsreiche Rausschmeißer. Ein wenig schade ist das schon, auch hier gilt aber: In Zeiten, in denen viele Bands kaum mehr als drei neue Songs ins Set nehmen, verdient so viel Mut Respekt, nicht Schelte.

COMBICHRIST 2024 in München

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert