Auch wenn er bereits im Vorjahr sein neues großartiges Album „Till Midnight“ mit seiner Band „The Camaraderie“ in Europa und unter anderem auch in München präsentiert hat, kommt CHUCK RAGAN im März und April 2015 gemeinsam mit seinen Mitstreitern wieder auf den alten Kontinent. In Anbetracht der herausragenden Livequalitäten des unfassbar sympathischen Musikers ist das auch alles andere als ein Problem, weswegen es zunächst verwunderlich ist, dass kurz vor dem offiziellen Konzertbeginn der Innenraum des Münchner Backstage Werks noch relativ leer ist.
Dies ändert sich schlagartig, als TIM VANTOL die Bühne betritt. Der Holländer, der in den letzten Jahren mehrmals alleine und mit Band in der bayrischen Landeshauptstadt gespielt hat, weiß auch dieses Mal voll zu überzeugen. Zwar ist das Publikum zu Beginn seines Auftritts noch ein wenig verhalten, was sich im Verlauf des halbstündigen Auftritts schließlich immer mehr ändert und in lautes Mitsingen und großen Applaus mündet. Leider ist allerdings auch der Lautstärkepegel von sich unterhaltenden Zuschauern extrem hoch, was sich den ganzen Abend über nicht bessert – wieso so viele Menschen den Künstlern nicht den verdienten Respekt entgegenbringen, wird mir für immer ein Rätsel bleiben. Mitten in seinem Set tritt TIM VANTOL schließlich weg vom Mikro und singt unverstärkt ins Münchner Publikum, wobei er keinerlei Probleme hat, das Backstage locker zu beschallen. Mit einem lautstark abgefeierten „If We Go Down, We Will Go Together!“ verabschiedet sich TIM VANTOL schließlich, nicht ohne sicherlich viele neue Fans hinzugewonnen zu haben. Neben seiner großartigen Musik liegt das definitiv auch an seiner extrem sympathischen Art.
Daran anschließend machen sich SKINNY LISTER nach einer sehr kurz gehaltenen Umbaupause daran, dem Publikum einzuheizen – allein, die Mischung aus folkigen Melodien, englischen Shanties und Punk funktioniert in Kombination mit dem viel zu überdrehten Auftreten der Bandmitglieder zumindest für mich persönlich kein bisschen, und zerstört die schöne Stimmung des Abends. Große Teile der Anwesenden sehen das allerdings anders, und beklatschen die Engländer lautstark und johlend. Die sechs Musiker wirken stellenweise vollkommen betrunken, was zwar authentisch wirkt, da die Stimmen der unterschiedlichen SängerInnen allerdings sowieso größtenteils schief klingen und auch tonal nicht so recht zur Musik passen wollen, wird der Eindruck dieser Darbietung nicht besser. Als sich der Kontrabassspieler gemeinsam mit seinem Instrument zum Crowdsurfen aufmacht, ist das allerdings unbestreitbar ein mitreißender Moment – leider der einzige des gesamten Auftritts. Insgesamt wirken SKINNY LISTER mit ihrer betrunkenen Version von Mumford & Sons einfach zu gewollt und gezwungen – nach einer halben Stunde ist dieses merkwürdige Spektakel dann aber schließlich vorbei.
Nach einer weiteren, etwas längeren Umbaupause, geht das Licht ein letztes Mal am heutigen Abend aus, und unter lautem Jubel betreten CHUCK RAGEN & THE CAMARADERIE die Bühne. Im Vergleich zu seinem letztjährigen Auftritt in der Theaterfabrik in München mit langer Mähne und Drei-Tage-Bart trägt CHUCK heute kurze Haare und einen stattlichen Vollbart. Ohne großes Geplänkel steigt die Band mit „Something May Catch Fire“ als ersten Song in das Konzert ein. Auch wenn einige Zuschauer gleich von Beginn an voll dabei sind, laut mitsingen und begeistert tanzen, springt der Funke erst bei „Nomad By Fate“ so richtig über – und ’so richtig‘ heißt hier wirklich ’so richtig‘. Immer wieder bedankt sich CHUCK überschwänglich bei den Fans, bei seinen Mitmusikern – die er immer wieder aufs Neue vorstellt – und den anderen Bands und sorgt mit seiner grundsympathischen und ehrlichen Art dafür, dass im Backstage eine unfassbar schöne, friedliche und familiäre Stimmung herrscht.
Im Mittelteil des Konzerts verabschiedet sich die CAMARADERIE kurz von der Bühne und bestreitet zwei Coverversionen – wobei besonders „True Believers“ von den Bouncing Souls aus voller Kehle von fast allen Anwesenden mitgesungen wird – und einigen ruhigen Songs teilweise ganz alleine, teilweise unterstützt von Tim Vantol und einem Musiker von Skinny Lister. Nach einiger Zeit entwickelt sich bei den schnelleren Nummern sogar ein kleiner Moshpit vor der Bühne, was von CHUCK immer wieder mit einem fröhlichen Grinsen quittiert wird. Als zum Schluss des offiziellen Sets mit „The Boat“ und „California Burritos“ die zwei wohl größten Hits seiner Solokarriere gespielt und abgefeiert wurden, kehren die Musiker für eine knackige Zugabe noch einmal zurück. „For Broken Ears“ entwickelt sich schließlich zum absoluten Highlight des Abends, eine von CHUCK fallen gelassene Mundharmonika wird von ihm kurzerhand ins Publikum geworfen und mit einem neuen, ruhigen Song vom bald anstehenden Soundtrack-Album „The Flame And The Flood“ findet ein wunderschöner Folk-Americana-Country-Rock-Abend sein Ende.
- Something May Catch Fire
- Vagabond
- Nomad By Fate
- You Get What You Give
- Whistleblowers Song
- Non Typical
- Rotterdam
- Flame In The Flood
- True Believers (The-Bouncing-Souls-Cover)
- Survivor Blues (Cory-Branan-Cover)
- Do You Pray
- Geraldine
- Meet You In The Middle
- Bedroll Lullaby
- Revved
- Gave My Heart Out
- Nothing Left To Prove
- Right As Rain
- The Boat
- California Burritos
- For Broken Ears
- Gathering Wood
- (Neuer Song)
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FAZIT: Was soll man noch groß sagen – CHUCK RAGAN kann einfach nichts falsch machen und weiß auch am heutigen Abend wieder vollkommen zu begeistern. Zwar ist die Wahl von Skinny Lister als Supportband in meinen Augen etwas daneben gegangen, Tim Vantol konnte dafür ebenso absolut überzeugen und mitreißen. Egal ob alleine, mit der Camaraderie oder mit seinen Kollegen von Hot Water Music: CHUCK RAGAN ist in München jederzeit ein gern gesehener Gast.