Was für die Sommer-Open-Airs der Regen, ist für Indoor-Shows im Winter der Schnee: In der Regel geht schon alles gut, aber bisweilen macht die Natur allen Beteiligten einen dicken Strich durch die Rechnung. So auch beim CHAOS BLAST MEATING in München: Die stärksten Schneefälle seit Jahren erschweren nicht nur die Anreise der Fans, sondern insbesondere auch die der Bands. Nach dem krankheitsbedingten Ausfall von THE NIGHT ETERNAL brechen darum kurzfristig zwei weitere Bands weg: HIEROPHANT aus Italien und ACID MAMMOTH aus Griechenland. Für letztere läuft es besonders unglücklich: Wegen der wetterbedingten Sperrung des Münchner Flughafens macht der Pilot auf halber Strecke Athen-München kehrt.
Mit den verbliebenen drei Bands aus dem ursprünglichen Billing sowie den spontan verpflichteten RAGING SLOTH findet das CHAOS BLAST MEATING trotzdem statt – zur Freude von schlussendlich rund 250 Fans, die trotz gravierender Einschränkungen im Nahverkehr (Eingestellter Betrieb bei Bus und Trambahn sowie S-Bahn außerhalb der Stammstrecke) ihren Weg ins Feierwerk gefunden haben.
Um 19:00 eröffnen HÆRESIS den Abend: Die 2015 als Heksenhamer gegründete Band aus Berlin hat zwar erst eine Demo, eine EP und eine Split veröffentlicht – kann damit aber immerhin ein knapp 40-minütiges Set bestreiten. In dichten Nebel gehüllt, liefert das Quintett eine kraftvolle Mixtur aus Post-Black Metal und Sludge, bei dem sich insbesondere Sängerin CG mit fiesen Screams hervortut. Mit der Zeit stellt sich zwar ein gewisser Gewöhnungseffekt ein, da weder Show noch Musik mit großen Überraschungen aufwarten – als Einstieg und auch generell, in der richtigen Stimmung genossen, können HÆRESIS trotzdem überzeugen.
Anstelle von The Night Eternal stehen um 20:20 Uhr die kurzfristig eingesprungen RAGING SLOTH auf der Bühne. Auch das 2018 gegründete Trio aus München hat noch kein Album veröffentlicht – die EP „The Descent“ sowie neues Material reichen aber trotzdem für 50 Minuten Stagetime. Während die erste halbe Stunde durchaus zu gefallen weiß, schleicht sich in der zweiten Hälfte doch etwas viel Monotonie in den extrem laut gemischten Mix aus Sludge und Doom, der stellenweise sogar fast in Richtung Drone a lá Sunn o))) tendiert. Für einen Spontan-Auftritt aber trotzdem eine solide Leistung, die vom Publikum auch mit entsprechend positiven Reaktionen gewürdigt wird – und insgesamt fraglos ein Zugewinn fürs Billing, das mit nur drei anstelle von geplanten sechs Bands ansonsten doch etwas kümmerlich dahergekommen wäre.
Wären VALBORG unter normalen Umständen als Band drei von sechs im soliden Mittelfeld des CHAOS BLAST MEATING unterwegs gewesen, kommt dem Trio nunmehr die Rolle des Prä-Headliners zu. Mit ihrem einzigartigen, stumpf-rohen Stil haben VALBORG diese Position aber auch unter regulären Bedingungen eigentlich vollauf verdient. Mit einem gelungenen Mix aus Material von Alben aus den letzten zehn Jahren – von „Nekrodepression“ (2012) bis „Der Alte“ (2022) – und bei bestem Sound zeigen die Bonner auch heute, wo der Hammer hängt: Wenngleich die Songs heute nicht ganz mit der für VALBORG eigentlich typischen Eleganz eines Backsteins in den Gehörgang vordringen, sondern relativ gemäßigt und bisweilen fast etwas (zu) brav klingen, wird bei Nummern wie „Plasmabrand“ oder dem Charles-Gounod-Cover „Ave Maria“ durchaus klar, worauf diese Band abzielt. Zumindest kommt die Message beim Publikum an: Wie in Trance Headbangen die Fans, oftmals mit geschlossenen Augen – und schreien die eingängigen Texte mit. Stark!
- Vampyr
- Werwolf
- Plasmabrand
- Stoßfront
- Ich fresse die alte Sommernacht
- Der Alte
- Ave Maria (Charles-Gounod-Cover)
- Beerdigungsmaschine
- Massaker in St. Urstein
- Asbach
Um 22:40 Uhr sind – als vierte und letzte Band des Abends – AHAB an der Reihe. Nach einem standesgemäß maritim anmutenden Intro geht es direkt „Further South“, ehe „Like Red Foam“ der große Sturm heraufzieht. Rot ist hier allerdings nichts: In viel Nebel und durchweg tiefblaues Licht gehüllt transportieren AHAB auch optisch ozeanische Atmosphäre. Bei den schlechten Sichtverhältnissen fällt kaum auf, dass AHAB heute mit einem Ersatzdrummer auftreten: Da AHAB-Drummer Cornelius mit In Mourning im Vorprogramm von Insomnium durch Europa tourt (wo er wiederum Joakim Strandberg Nilsson vertritt, der derzeit mit Dark Tranquillity im Studio weilt), sitzt heute Daniel Schwarz hinter den Kesseln.
Mit drei Songs von „The Giant“ (2012), zwei vom aktuellen Album „The Coral Tombs“ (2023) und besagtem „Like Red Foam“ von „The Boats Of The Glen Carrig“ (2015) navigieren AHAB elegant durch fast die komplette Diskografie. Dabei zeigt sich aber zugleich sehr deutlich, wie weit sich die Heidelberger vom Funeral Doom der ersten Alben entfernt haben: Wirklich schleppend langsam und düster wie die Neumondnacht auf hoher See wird es erst beim obligatorisch finalen „The Hunt“ vom Debüt „The Call Of The Wretched Sea“ (2006). Den Wal sichten dann aber trotzdem wie durch ein Wunder alle zugleich – jedes mal wieder ein magischer Moment. Nach sieben Songs, die durch etwas übertrieben lange Interludes auf 75 Minuten Spielzeit gestreckt sind, ist um kurz vor Mitternacht Schluss: Wohl dem, der bei diesem Wetter keine weite Heimfahrt hat.
- Further South
- Like Red Foam (The Great Storm)
- Colossus Of The Liquid Graves
- Antarctica The Polymorphess
- The Sea As A Desert
- Deliverance (Shouting At The Dead)
- The Hunt
Dass wetterbedingt nicht nur zwei Bands, sondern sicherlich auch viele Fans nicht anreisen konnten, ist bedauerlich – trotzdem erweist sich die Entscheidung der Veranstalter, das Event durchzuziehen, als richtig. Denn so schade es auch ist, dass vom so gelungen zusammengestellten Billing am Ende nur ein kläglicher Rest übrig geblieben ist (selbst HIEROPHANT waren ja eigentlich nur Ersatz für die initial gebuchten WHISKEY RITUAL): Am Ende ist das CHAOS BLAST MEATING auch mit nur drei der sechs ursprünglich gebuchten Bands und einem Nachrücker noch eine runde Sache.