Konzertbericht: Cavalera w/ Trencher

11.07.2024 Dornbirn (AT), Conrad Sohm

Dass Sepultura ihre Auflösung angekündigt haben, hatte die ewigen Gerüchte um eine mögliche Reunion mit den Cavalera-Brüdern neu befeuert. In Planung befindet sich aber wohl nichts, wie Max zuletzt klarstellte – und auch grundsätzlich scheint das Interesse der Cavalera-Brüder an einer Reunion gen Null zu tendieren: „Die Band ist fertig und ich und Igor können mit Cavalera Conspiracy weiter machen, was wir wollen, was an sich schon Sepultura ist. […] Der Geist der ganzen Sache ist mit mir und Igor jetzt in Cavalera. Sie werden aufhören […]. Wir sind immer noch hier.“

Und wie sie hier sind: Als CAVALERA haben beide die ersten drei Sepultura-Releases neu eingespielt, nun bereisen sie zum zweiten Mal nach der „Morbid Devastation Tour 2023“ Europa – und auch dieses Mal stehen die Konzerte ganz im Zeichen der 1980er-Jahre.

Nachdem Süddeutschland und die Schweiz abermals sträflich vernachlässigt wurden, treffen sich Fans aus nah und fern im österreichischen Dornbirn, wo CAVALERA (CONSPIRACY) im Rahmen des Kultursommer-Festivals auftreten. Da auch so ziemlich die gesamte ortsansässige Metal-Szene gekommen scheint, ist das Areal des ehemaligen Fabrikgebäudes – idyllisch an der Dornbirner Ach etwas abseits der Innenstadt gelegen – schon kurz nach Einlass gut gefüllt.

TRENCHER im Juli 2024 in DornbirnDas gilt, trotz drückender Hitze, erfreulicherweise auch für den Konzertsaal selbst, in dem um 20:00 Uhr TRENCHER beginnen. Die aus Dornbirn selbst stammende Band hat in diesem Jahr zwar erst ihre Debüt-EP veröffentlicht und war in dieser Formation auch noch nicht oft live zu sehen – dass die Musiker aber Bühnenerfahrung haben, merkt man TRENCHER an: 35 Minuten lang geben die Vorarlberger Vollgas. Dass der Mix aus Death und Thrash/Speed Metal nicht sonderlich viel Abwechslung bietet, kompensieren TRENCHER durch eine technisch blitzsaubere Performance, die zumindest zum Mitnicken verleitet – aber in der Hallenmitte auch schon den ersten kleinen Circlepit provoziert.

CAVALERA im Juli 2024 in DornbirnWar die Stimmung bei der Vorband bereits gut, bringen CAVALERA diese nochmal auf ein gänzlich anderes Level – und das schon allein, indem sie die Bühne betreten. Spurlos sind die letzten 40 Jahre nicht an den Brüdern vorbeigegangen: Während Iggor mit seiner randlosen Brille aussieht wie ein IT-Fachmann, hat Max wieder kräftig zugelegt und wirkt leicht neben der Spur: Die erste Hälfte des Sets spielt er nahezu durchgehend mit geschlossenen Augen, spuckt unkoordiniert herum und wirkt, wenn er doch mal etwas Licht auf die Netzhäute fallen lässt, über die Maßen fasziniert von seinen eigenen Fingern. Auch die Performance der beiden geht diametral auseinander: Während Iggor sein Kit mit Wucht bearbeitet, merkt man Max seine Probleme mit der Pick-Hand deutlich an.

CAVALERA im Juli 2024 in DornbirnFaszinierender Weise macht das aber gar nichts. Denn immer dann, wenn es darauf ankommt, kommen die Riffs messerscharf aus den Boxen – und stimmlich ist Max sowieso in Topform. Komplettiert durch Travis Stone – bekannt als Bassist von Pig Destroyer – an der Leadgitarre und Igor Amadeus Cavalera am Bass liefern CAVALERA eine schweißtreibende und vom ersten Ton an packende Performance, die einer Zeitreise gleich kommt: Das zur Freude der Fans weiter hinten im Set eingeflochtene „Chaos AD“-Duo „Refuse/Resist / Territory“ ist das „neueste“ Material, das es heute zu hören gibt – und selbst diese beiden Songs haben bereits 30 Jahre auf dem Buckel.

CAVALERA im Juli 2024 in DornbirnDer Rest des Sets speist sich erwartungsgemäß aus Material von „Morbid Visions“, „Bestial Devastation“ und „Schizophrenia“, das die „offiziellen“ Sepultura längst aus dem Programm genommen haben. „Antichrist“ etwa oder „Crucifixion“, die von Sepultura zuletzt in den 1990er-Jahren gespielt wurden. Aber auch „Mayhem“, „Funeral Rites“ und „To The Wall“, die selbst von Sepultura ehedem nur Ende der 1980er eine Handvoll Male live gespielt wurden. Insbesondere letzterer ist ein echtes Highlight – musikalisch, aber auch, weil selbst CAVALERA diese Nummer gerade erst reaktiviert haben.

  1. Bestial Devastation
  2. Antichrist
  3. Necromancer
  4. Morbid Visions
  5. Mayhem
  6. Crucifixion
  7. Funeral Rites
  8. From The Past Comes The Storms
  9. To The Wall
  10. Inquisition Symphony / Escape To The Void
  11. R.I.P. (Rest in Pain)
  12. Refuse/Resist / Territory
  13. Troops Of Doom
  14. Morbid Devastation / Dead Embryonic Cells

Dass – inklusive Zugabe – schon nach ziemlich genau einer Stunde Schluss ist, dürfte CAVALERA heute niemand verübeln: Zum einen sind die Temperaturen im Conrad Sohm längst jenseits des gut erträglichen, zum anderen will das eben erlebte auch erst einmal verarbeitet sein. Man kann sich Soulfly angeschaut haben oder Cavalera Conspiracy, und natürlich auch die Band, die heute Sepultura heißt: So lebendig wie hier und heute hat den Spirit der frühen Sepultura nur erlebt, wer seinerzeit dabei war.

CAVALERA im Juli 2024 in Dornbirn
Max mit CAVALERA 2024 in Dornbirn; © Afra Gethöffer-Grütz/Metal1.info

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