Festivalbericht: Brutal Assault Open Air 2012

09.08.2012 - 11.08.2012 Josefov, Tschechien


Der Wettkampf der Festivals wird von Jahr zu Jahr härter – war im vergangenen noch nur das Party-San am gleichen Wochenende wie das BRUTAL ASSAULT, liegt nun auch das Metal-Camp auf diesem Termin. Vermutlich ist nicht zuletzt darin ein Grund zu suchen, dass das BRUTAL ASSAULT trotz günstiger Preise und eines ansprechenden Lineups voller Hochkaräter und Leckerbissen gerade von deutschen Metalheads nur geringfügig beachtet und hauptsächlich von Osteuropäern frequentiert wird. Am Festival selbst scheitert es jedenfalls nicht – sodass wir uns nun bereits zum dritten Mal in Folge für das Festival im Osten der Tschechischen Republik entschieden haben. Gewiss, die sogar von München aus mit Umsteigezeiten noch gut 10-stündige Anreise per Zug ist nicht eben komfortabel – gesplittet auf zwei Etappen mit einer Übernachtung in Prag jedoch durchaus auch erträglich zu gestalten.

Mittwoch:
Nach entspannter Anreise (2 Stunden Zugfahrt von Prag, sowie ein kurzer Fußmarsch vom Bahnhof zum Gelände bzw. einer Fahrt im Taxishuttle für umgerechnet 4€), sowie verhältnismäßig entspannter Anmeldung beim zusätzlich buchbaren, bewachten Campingplatz (gut einstündige Wartezeit) folgt der Schrecken des Tages auf den Fuß:


Wer nämlich statt eines Hard-Cover-Tickets das günstigere Online-Ticket gewählt hat, darf sich für sein Festival-Bändchen in eine Schlange stellen, welche nicht nur ob ihrer Länge beängstigt, sondern auch durch das Schneckentempo, in dem es hier voran – beziehungsweise eben nicht voran – geht. Anstehen fürs Bändchen? Ist doch normal, mag sich der ein oder andere nun denken… bei einer Wartezeit von über sieben Stunden (!) fragt man sich dann allerdings doch, ob das noch im Rahmen des erträglichen liegt – zumal am Anreisetag bereits Konzerte stattfinden und selbst bei einem Einreihen um 15:00 erst zum Beginn der letzten Show des Tages (Alcest) Einlass gewährt wird. Warum genau sämtliche E-Tickets über einen Schalter abgewickelt werden, während diverse andere Mitarbeiter untätig hinter den anderen Schaltern sitzen, ist absolut nicht nachvollziehbar – ein gelungener Start ins Festival sieht jedenfalls definitiv anders aus.

Nachdem AVENGER, welche das 17. Brutal Assault eröffnen durften, leider aufgrund der immerhin noch zweistündigen Wartezeit am Presse-Akkreditierungsschalter verpasst wurden, beginnt das Festival für mich erst um kurz vor sechs mit den Tschechen INGROWING. Sonderlich zu beeindrucken weiß der gebotene Death Grind zwar nicht, doch zu so frühem Zeitpunkt ist man ja durchaus noch geduldig, sodass die Show des Quartetts lang im Sonnenschein auf der Naturtribüne ausgeharrt wird.
[Moritz Grütz]

Von eben da lässt sich auch die Show der darauf folgenden Band bestens mitverfolgen. Es handelt sich um die ebenfalls heimischen Prog-Metaller FORGOTTEN SILENCE, die pünktlich um 18:55 mit ihrem Set beginnen – und als erste Band auf dem diesjährigen Brutal Assault einen Blick über gleich mehrere stilistische Tellerränder gewähren: So wissen ihr eigenständiger Mix aus Death- und anderen Extreme-Metal-Spielarten und rockigen bis hin zu jazzigen Einflüssen, sowie viele Detailverliebtheiten und erfrischende Ideen durchaus zu gefallen. Jedoch wird leider auch deutlich, warum es die Band in der mittlerweile fast 20-jährigen Zeit ihres Bestehens nie zu mehr als lokalem Ansehen gebracht hat: Je einfallsreicher und komplexer die Kompositionen, desto stärker fällt auch der bei fast allen Bandmitgliedern zu beobachtende Mangel an technischer Klasse ins Gewicht. Insbesondere Vokalist Krusty, der sich, nicht eben unterambitioniert, sowohl am gutturalen als auch am Cleangesang versucht, beherrscht beide leider nicht in ausreichendem Maße; und auch der Rest der Band kann vor allem in Sachen Timing nur selten überzeugen. Das Publikum freilich ist hier kulant und sorgt für einen durchaus stimmungsvollen Hintergrund. Dennoch: Sind die Studioaufnahmen der Band sicher schön anzuhören, lässt sie einen angesichts dieser Performance eher ratlos zurück. Schade.
[Felix Indra]

Mit ENGEL steht um 20:00 dann der erste international bekannte Act auf der Bühne.
Wirklich glücklich hat die Band es mit ihrem Slot jedoch nicht erwischt, sorgen doch die Tatsache, dass es erst Mittwoch ist und sicher noch nicht alle Fans angereist sind, sowie der unglückliche Umstand, dass bei der Bändchenvergabe immer noch absolutes Chaos herrscht, dafür, dass das Feld vor der Bühne noch relativ spärlich besetzt ist.
Die Band lässt sich davon nicht abbringen und liefert, vom deutlich ausbaubaren Gesang von Fronter Mangan abgesehen, eine durchaus solide Show, die gegen Ende vom Publikum sogar mit einem ersten Circlepit gewürdigt wird. Sicherlich kein Festival-Highlight, für eine Warmup-Show aber allemal in Ordnung, zumal der gute Sound hier wahrlich Vorfreude auf die kommenden drei Tage macht: So darf es gerne weitergehen!
[Moritz Grütz]

Mit den Engländern ANAAL NATHRAKH folgt direkt im Anschluss bereits ein erstes Highlight des Festivals. Das Duo aus Irrumator und Benediction-Sänger Dave Hunt aka. V.I.T.R.I.O.L. startet, unterstützt durch einige Live-Musiker wie Napalm-Death-Bassist Shane Embury ohne groß Zeit zu verlieren direkt mit einem Extreme-Metal-Frontalangriff auf die Zuhörerschaft durch: Egal, ob „In the Constellation of the Black Widow“, „Between Shit and Piss We Are Born“ oder ein noch unbetitelter Song des kommenden Albums – extremer, direkter und brutaler kann Musik kaum gespielt werden. Als pikantes Detail müht sich V.I.T.R.I.O.L. mit einer Krücke ab, da er offensichtlich ein Bein nicht belasten kann – die Ansage, dass eine Show-Absage aus diesem „lächerlichen“ Grunde nicht zur Diskussion gestanden habe, wird mit dankbarem Applaus quittiert. Einzig die Tatsache, dass mit „Paragorn Pariah“ der absolute Hit des aktuellen Albums seinen Weg nicht ins Set gefunden hat, ist hier ein kleiner Wermutstropfen.
[Moritz Grütz]

Setlist ANAAL NATHRAKH
01. Drug-Fucking Abomination
02. Bellum Omnium Contra Omnes
03. More Of Fire Than Blood
04. Submission Is For The Weak
05. In The Constellation Of The Black Widow
06. Between Shit And Piss We Are Born
07. -Bislang unbetitelter Song-
08. Do Not Speak
09. Pandemonic Hyperblast


Eigentlich sollten die Black-Metal/Grindcore-Koryphäen von Anaal Nathrakh um 22:05 von den Postrockern Alcest abgelöst werden; deren Auftritt wurde jedoch kurzfristig etwas aufgeschoben – im Austausch mit dem der hiesigen nationalen Legende ROOT, sodass diese bereits jetzt der inzwischen merklich angewachsenen Menschenschaar vor der einzigen an diesem Abend genutzten Bühne einheizen darf. Und das ganz wörtlich: Die vier „Dark Epic Metaller“ fahren eine Show auf, zu der auch ein erster Einsatz der Pyrotechnik, insbesondere der Flammenwerfer gehört. Doch auch abseits dieser Spezialeffekte gibt es hier recht ungewöhnliches zu bestaunen: Frontguru „Big Boss“ mit Notenpult, von dem er die Vokalarrangements abliest, klar und deutlich Zentrum des Bandgefüges, besticht sowohl durch optische als auch gesangliche Extravaganz: Zum einen als der glatzköpfige, graumeliert vollbärtige, stämmige Charakterkopf, der er ist, in einen Flickenmantel undefinierbarer Farbe gehüllt und im Gesicht recht individuell bemalt, zum anderen, in dem er das ganze Spektrum vom dunklen Grunzen über helles Keifen und Obertongesang (!) bis hin zu souverän intoniertem Bassbariton (!!) zum Besten gibt – beeindruckend. Dass der Rest der Band die Aufgabe, die aus extrem groove-orientiertem Thrash- bis Black Metal bestehende musikalische Untermalung zu stellen, mindestens ebenso souverän meistert und damit eine Leistung wie aus einem Lehrbuch für Rock-/Metalbands abliefert, untermauert den Status der Band als mächtige Altmeister und lässt den Gig zu einem lohnenden Erlebnis werden.
[Felix Indra]


Nachdem die Freakshow von Root ihr Ende gefunden hat, ist es Zeit für etwas stillere Klänge: Die Franzosen von ALCEST beenden den dieses Jahr neu eingeführten vierten Konzerttag des Brutal Assault. Bietet gerade das grandiose aktuelle Album doch einiges Material für eine mitreißende Show, ist das, was man hier zu sehen bekommt, leider genau das nicht. Statt Epik, Melancholie und Emotionen gibt es Soundbrei, übersteuernde Gitarren und einen eher lustlos wirkenden Neige. Die ein oder andere fast schon übertrieben wirkende Dankesbekundung für die Unterstützung gibt es zwischen den Songs zwar zu hören, zu mehr Publikumsinteraktion reicht es dann aber nicht. Eigentlich wäre diese auch nicht von Nöten – würde die Musik für sich sprechen. Im Kontext mit dem schlechten Sound wirkt die Chose so jedoch eher unglücklich. Das Publikum lässt sich die Stimmung davon jedoch nicht verderben und feiert ALCEST dennoch ab.
[Moritz Grütz]

Donnerstag:
Auch der zweite Tag des Festivals beginnt mit tschechischem Brutal Death. NOOSTRAK heißt die Formation, welche bereits um 11:00 die Bühne entert, jedoch, wie schon die Opener des Vortages, leider nicht wirklich zu überzeugen weiß. Zu uninspiriert, zu oft gehört klingt das Material der Truppe.

Weiter geht es im Anschluss mit den ebenfalls einheimischen Black Metallern TROLLECH, welche hierzulande wohl allerhöchstens durch ihr sehenswert lächerliches Musikvideo zu „Ve Stinu Starych Dubu“ bekannt sein dürften.
Derart lächerlich ist das, was die Band auf der Bühne abliefert, zwar nicht, dafür jedoch ebenfalls absolut belanglos. Es wird geschrieen und geschreddert, wie man es von einer Black-Metal-Band erwartet – Überraschungsmomente? Fehlanzeige. Wie viel Atmosphäre jedoch selbst gut gemachter Corpsepaint-Black-Metal an einem sonnigen Vormittag zu erzeugen in der Lage wäre, ist die andere Frage…


Nach den Death Metallern BRUTALLY DECEASED aus Prag steh mit TOTEM aus dem Nachbarland Polen die erste nicht-tschechische Band des Tages auf der Bühne. Geboten wird eine Kombination aus Thrash, Death und New Metal, die an eine Mischung aus Kitty und einer weniger technisch versierten Version von Lamb Of God erinnert. Wirklich spektakulär ist das nicht, für zwischendurch ist die Musik der Truppe jedoch durchaus unterhaltsam – nicht zuletzt der sympathischen Fronterin Wera wegen, die mächtig Gas gibt und das Publikum erfolgreich zum mitsingen und moshen motiviert.
[Moritz Grütz]


Auf die partytauglichen modernen Klänge der Polen folgend, gibt es zwischendurch eine halbe Stunde US-Thrash mit TOXIC HOLOCAUST, ehe um 13:45 die russischen Pagan-Metaller ARKONA an der Reihe sind. Aus meiner Sicht ein klarer Fall für die Tribüne, schaffen es die tapferen Recken um Fronterin Scream, erstmals an diesem Tag bei einer größeren Menge für Partystimmung zu sorgen; zumindest wurde noch keine der vorigen Bands derart abgefeiert wie die Pelzträger.


Nachdem schließlich noch die schwedischen Hauptstädter GENERAL SURGERY eine Ladung ihres Gore Grind von der Metalshop-Stage geknüppelt haben, beginnt der Konzerttag für mich so richtig erst um 15:00, als die Sludge-Metal-Veteranen CROWBAR auf dem Programm stehen. Der Vierer um Sänger und Gitarrist Kirk Windstein (Down) kann allerdings erst etwas später loslegen, was laut Kirk daran liegt, dass die Band erst eine Viertelstunde vor Stagetime angekommen ist, sodass vor allem Schlagzeuger Buckley noch einige Vorbereitungen treffen muss, bevor er schließlich Platz nehmen und der Auftritt beginnen kann. Was die Gruppe aus New Orleans im Anschluss darbietet, ist durchaus stimmig und reich an fetzigen Riffs – jedoch scheinen mir die Genrepioniere an diesem Nachmittag nicht recht in Fahrt zu kommen. Zwar sorgen der sympathische Windstein auf und frenetische Fans vor der Bühne für durchaus positive Stimmung; so ganz zündet die Formel heute in meinen Ohren dennoch nicht, etwas zu ziel- und richtungslos wirken die Songs der Amerikaner, zumal mit dem Wissen, dass sie auch ganz anders können. Der Professionalität der Musiker in Verbindung mit gutem Sound ist es aber zu verdanken, dass man am Schluss immerhin den Eindruck hat, einen soliden Gig gesehen zu haben.


Im Anschluss an das Quartett aus Louisiana schicken sich dessen Landsleute von THE BLACK DAHLIA MURDER an, der Allgemeinheit Grund zum moshen zu geben. Während ein leichter Nieselregen einsetzt, beginnt die Truppe aus Detroit, ihren melodisch angereicherten Metalcore unters Volk zu bringen, der aber, wenngleich technisch perfekt umgesetzt, mich persönlich kaum zu fesseln vermag. So ist denn auch der kindlich-agil kreuz und quer über die Bühne hüpfende und hampelnde Fronter der unterhaltsamste Faktor der Vorführung, nichtsdetotrotz kann man aber der ganzen Band ein durchweg sympathisches Auftreten bescheinigen. Entsprechende Reaktionen der Fans bleiben nicht aus, und so gibt es zumindest an den Fähigkeiten des Fünfers als Garant für gute Stimmung keinen Zweifel.


Die Spielzeiten von CORROSION OF CONFORMITY, LOCK UP und SWALLOW THE SUN werden nun teils mit Nahrungsaufnahme, teils mit einer kurzen Auszeit am Zeltplatz zugebracht, um rechtzeitig zur finalen Gig-Serie des Abends wieder auf dem Posten zu sein.
Diese beginnt um 18:35 mit HEAVEN SHALL BURN. In der deutschen Heimat gefeierte Stars des Metalcore, müssen sich die Thüringer hier mit etwas weniger begnügen, was ihren Slot betrifft. Davon unbeirrt, legen die Schwarzbehemdeten mit einem Set quer durch 15 Jahren Bandgeschichte los und animieren die Zuhörer zur Bewegung: Schon bald sind Moshpits beachtlicher Größe entstanden, die bis zum Ende der Show noch zunehmen. Während die bisher konstante Bewölkung und vereinzelter Nieselregen der Sonne weichen, fällt im Zusammenhang mit diesem Auftritt als einziger störender Faktor ein eher mittelmäßiger Sound auf. Verhindert dieser, dass der Auftritt zu einem Höhepunkt des Nachmittages avancieren kann, so tut er dem Spielspaß des Fünfers aber keinen Abbruch, und zum krönenden Abschluss lässt es sich Sänger Marcus Bischoff nicht nehmen, sich crowdsurfender- und händeabklatschenderweise von den Fans zu verabschieden. Alles in allem ein gelungener Gig.
[Felix Indra]


Setlist HEAVEN SHALL BURN:
01. Counterweight
02. Black Tears
03. Voice of the Voiceless
04. Awoken / Endzeit
05. Combat
06. The Disease
07. Whatever It May Take
08. The Omen
09. Trespassing the Shores of Your World

Um kurz vor halb acht steht mit KRISIUN aus Brasilien eine echte Death-Metal-Legende auf dem Programm. Bereits seit 1990 aktiv, spielt sich das routinierte Trio entsprechend souverän durch das Set, wobei man der Band durchaus anmerkt, dass sie Spaß hat. Sänger und Bassist Alex Camaro gibt sich äußerst gesprächig und bedankt sich mehrfach für den herzlichen Empfang – sehr sympathisch. Dass zudem der Sound druckvoller und klarer kaum sein könnte, lässt die Show zu einem Tageshighlight werden.


Nochmal ein Eck legendärer sind die darauf folgenden MINISTRY. Als Mitbegründer des Industrial Metal gefeiert, dürfte so mancher Fan der Band im Vorhinein gezittert haben, ob die Show überhaupt stattfindet – schließlich war Sänger Al Jourgensen unlängst beim Konzert in Paris auf der Bühne kollabiert. Umso größer die Freude, als die Szene-Koryphäe schließlich zum Intro des aktuellen Albums „Relapse“ die Bühne entert und mit dessen Opener „Ghouldiggers“ die Show eröffnet. Sogleich fällt auf, dass sich der mittlerweile am ganzen Körper wie auch im Gesicht schwer tätowierte sowie vielfach gepiercte Sänger, so ausgemergelt er auch aussieht, deutlich souveräner über die Bühne bewegt als auf den letzten Touren der Band 2007 – die Auszeit scheint dem Mann sichtlich gut getan zu haben. So präsentieren sich MINISTRY heute defintiv in Top-Form. Einzig, dass Gitarren-Routinier Tommy Victor (Prong) dieses Mal nicht mit von der Partie ist, ist ein wenig schade, auch wenn Ersatzmann Mike Scaccia keinen Anlass zu Kritik bietet. Dies tut heute allerhöchstens die Lautstärke – übertreffen MINISTRY die anderen Bands in diesem Punkt doch um Längen und bewegen sich so bei einem Pegel, der mitunter durchaus als unangenehm zu bezeichnen ist – unnötig.
[Moritz Grütz]

Setlist MINISTRY:
01. Ghouldiggers
02. No W
03. Rio Grande Blood
04. LiesLiesLies
05. 99 Percenters
06. Watch Yourself
07. Life Is Good
08. Waiting
09. Relapse
10. The Last Sucker
11. Psalm 69
12. N.W.O.
13. Just One Fix
14. Thieves


Nunmehr ist es Zeit für den anderen Headliner des heutigen Abends: die von vielen mit spürbarer Spannung erwarteten Meister des Symphonischen Black Metal DIMMU BORGIR. Um 21:20 kündet ein wohlig vertrauter Keyboard-Chorsound vom Beginn des Auftritts der Norweger: Mit „Spellbound“ vom ’96er Albumklassiker „Enthrone Darkness Triumphant“ startet die Band ins Set. Während es diesen ersten Song lang dauert, den Sound einzupegeln, gibt die Szenegröße den Fans Grund zum Feiern: Die offensichtliche Spielfreude sowohl der drei Sessionmusiker an Drums, Bass und Keyboard als auch des Kerntrios Silenoz (g) – Galder (g) – Shagrath (voc) in Verbindung mit den episch arrangierten Songs lässt eine ganz besondere Atmosphäre entstehen. Der Sänger lässt sich auch in Sachen Publikumsinteraktion nicht lumpen und initiiert eine Mitklatsch- und Schrei-aktion nach der anderen – ob in Songs wie dem etwas überraschend in der Liste auftauchenden „Death’s Embrace“, dem Dreierblock vom aktuellen Album oder Klassikern wie dem stampfenden „Puritania“ und dem Hit „Progenies Of The Great Apocalypse“ – gefühlt im Sekundentakt. Vor allem zwei Dinge fallen jedoch auch störend auf: Zum einen die Tatsache, dass der vormalig einwandfreie Sound gegen Mitte des Gigs durch Leiserdrehen der Gitarren verschlimmbessert wird, und zum anderen die Praxis seitens der Band, sämtliche Klargesänge, wie die weibliche Stimme in „Gateways“ oder die charakteristischen Tenor-Höhenflüge des vor Jahren geschassten Bassisten ICS Vortex in älteren Songs, vom Band laufen zu lassen. Für eine Gruppe dieses Formats wären sicherlich schönere Alternativen denkbar gewesen – etwa das Engagieren von Gastsängern, um nur die offensichtlichste zu nennen. Doch trotz dieser Mängel überwiegt am Ende, als die Musiker nach kurzer Abwesenheit zur obligatorischen Zugabe „Mourning Palace“ nochmals auflaufen, das Gefühl, ein gutes Konzert erlebt zu haben. DIMMU BORGIR können 2012 nach wie vor ihrem beachtlichen Status gerecht werden – worauf nicht nur die Größe und die enthusiastische Reaktion des Publikums schließen lässt…
[Felix Indra]

Setlist DIMMU BORGIR:
01. Spellbound (by the Devil)
02. In Death’s Embrace
03. Dimmu Borgir
04. Gateways
05. Ritualist
06. Vredesbyrd
07. The Serpentine Offering
08. Puritania
09. Progenies of the Great Apocalypse

10. Mourning Palace


Mit SICK OF IT ALL reiht sich um halb Elf die nächste traditionsreiche Band ins Lineup ein: Bereits 1986 gegründet, hat man es hier mit einer der dienstältesten Hardcore-Bands zu tun – ein Fakt, den man der Band anhand ihrer Show jedoch nicht (negativ) anzumerken vermag, gibt die Truppe doch von der ersten Minute an alles. Auffällig ist auch hier, wie bereits in den vergangenen Jahren, dass Hardcore in Osteuropa nicht so sehr im Trend zu liegen beziehungsweise in der Metal-Szene nicht so etabliert zu sein scheint, wie das in Deutschland derzeit der Fall ist – ist es doch auch bei SICK OF IT ALL merklich leerer als noch bei Dimmu Borgir. Dennoch können sich die New Yorker über mangelnden Zuspruch nicht beklagen: Es wird gemoshed und im Kreis gelaufen, was das Zeug hält, und spätestens beim finalen „Step Down“ gibt es kein halten mehr. Eine großartige Show, und wieder ein Haken mehr auf der persönlichen „must have seen“-Liste.

Ebenfalls noch nie gesehen hatte ich die Schweizer Industrial Black Metaller SAMAEL, welche im Anschluss auf der anderen Bühne spielen. Über das gesampelte Schlagzeug hatte man ja bereits oft gelesen – wie sehr mich dieser Umstand stören würde, war mir im Vorhinein jedoch nicht klar gewesen. Denn abgesehen von einigen wenigen Stellen, bei denen auf echte Toms und Becken zurückgegriffen wird, läuft hier tatsächlich eine komplette Drumspur vom Band. Nicht, dass ich etwas gegen gesampelte Beats hätte – doch wenn man eine durchaus spielbare Schlagzeugspur mitlaufen lässt, fragt man sich schon, warum nicht einfach auf einen echten Drummer zurückgegriffen wird. Auch sonst weiß mich die Show wenig zu begeistern: So bereitet die Technik den Schweizern immer wieder Probleme mit Rückkopplungen, übersteuernden Mikros sowie einer Gitarre, welche in mehreren Songs teilweise komplett ausfällt – in Verbindung mit der deutlich überhöhten Lautstärke nicht sonderlich schön anzuhören. Auch fehlen mir Songs wie der Evergreen „Solar Soul“ in der Tracklist – wobei das natürlich Geschmackssache ist. Insgesamt jedoch eher ein enttäuschender Auftritt des Quartetts.
[Moritz Grütz]

Setlist SAMAEL:
01. My Saviour
02. Shining Kingdom
03. Rain
04. Of War
05. Slavocracy
06. Reign of Light
07. Soul Invictus
08. Earth Country
09. Baphomet’s Throne
10. The Truth Is Marching On

Mit der Technik haben auch NILE zu kämpfen, die um kurz nach Mitternacht zu den Klängen eines atmosphärischen Intros aufmarschieren: Nicht nur lässt auch während ihrer Show der Sound einiges zu wünschen übrig, auch müssen die vier Hobby-Ägyptologen ihr Fest des technischen Death Metal etwa in der Mitte für mehrere Minuten unterbrechen. Allem Anschein nach ist für diese Unannehmlichkeit ein Defekt an Bandchef Karl Sanders‘ (g) Fußschalter verantwortlich; und angesichts einer Spielzeit von nicht mehr als einer Dreiviertelstunde bedeutet dies einen merklichen Verlust an Stagetime für die US-Amerikaner – ärgerlich für all diejenigen, die sich ihretwegen vor der Metalshop-Stage eingefunden haben. Für die Band spricht jedenfalls, dass sie all dies gelassen hinnimmt, die verbleibenden tempogeladenen Brecher schnörkellos und mit der ihr eigenen Präzision auf die eifrig headbangende Fanschar loslässt und somit trotz allem einen handwerklich gediegenen Gig abliefert.

Setlist NILE:
01. Kafir!
02. Sacrifice Unto Sebek
03. Defiling The Gates Of Ishtar
04. Ithyphallic
05. Supreme Humanism Of Megalomania
06. Permitting The Noble Dead To Descend To The Underworld
07. Sarcophagus
08. Black Seeds Of Vengeance


Zum Abschluss dieses ersten vollwertigen Konzerttages steht schließlich eine absolute Rarität auf dem Programm: der Auftritt der frisch wiedervereinigten Prog-Blackmetaller ARCTURUS. In freudiger Erwartung hatte ich mich schon im Vorfeld günstig positioniert und kann nun aus der ersten Reihe mitverfolgen, wie ein bestens aufgelegter ICS Vortex samt Bandkollegen, jeweils in schrägem Aufzug und mit Acessoires wie einer altmodischen Flugbrille oder einer Kabuki-Maske (Hellhammer, dr) ausgestattet, die Jägermeister-Stage übernehmen, auf der nur kurze Zeit zuvor Vortex‘ ex-Band Dimmu Borgir aufgetreten war.
Und so stimmungsvoll deren Gig auch gewesen sein mag – ARCTURUS stiehlt ihnen an diesem Abend definitiv die Show. Denn was das ungläubige bis begeisterte Publikum hier geboten bekommt, spottet jeder Beschreibung: Seien es die ohnehin unverwechselbaren, heute jedoch besonders schmetteraffinen Sangeskünste des Fronthünen, Hellhammers zu aberwitziger Perfektion getriebenes Hochgeschwindigkeitsdrumming, die in ihrer Art vollkommen einzigartige, klassisch durchzogene Soundkulisse von Bandgründer Sverd (key) und der Saitenfraktion, oder Vortex‘ völlig versponnenes Stageacting samt humoristischen bis verplanten Ansagen („The next song has a rather weird title. As a matter of fact, i can’t even remember what it’s called – it’s ’shipwreck…‘ something…“) – in jedweder Hinsicht präsentieren sich die Norweger in Topform und stellen alles, was vorher war, in Sachen Schrulligkeit wie auch musikalischer Klasse in den Schatten. Begleitet von vereinzelten Video-Einspielungen via Hauptleinwand gibt es von Songs vom „not so new album anymore“ „Sideshow Symphonies“ über die Hymne „Ad Absurdum“ bis zum oldschooligen Finale „Raudt Og Svardt“ in beeindruckend kunstvoller Darbietung alles, was das Avantgarde-Blackmetallerherz begehrt – und das bei (bis auf die zu laut getriggerte Double-Bassdrum) absolut makellosem Sound. Zweifellos ist dies der Gig des Tages, und auch die Aufgabe, ihn an einem der kommenden beiden Abenden zu überbieten, dürfte kaum erfüllbare Anforderungen an die verbleibenden Bands stellen. Der helle Wahnsinn.
[Felix Indra]

Setlist ARCTURUS:
01. Evacuation Code Deciphered
02. Ad Absurdum
03. Nightmare Heaven
04. Hibernation Sickness Complete
05. The Chaos Path
06. Master Of Disguise
07. Shipwreck Frontier Pioneer
08. Raudt Og Svart

Freitag:


Nachdem CATTLE DECAPITATION, BLEED FROM WITHIN sowie VILDHJARTA ihre Auftritte erfolgreich absolviert, sowie die Thrash-Metal-Senkrechtstarter WARBRINGER dem Publikum mit einer so professionellen wie routinierten Show eingeheizt haben, stehen um viertel nach Eins ein letztes Mal NORTHER auf der Bühne – hatten die Finnen doch unlängst erst ihre Auflösung nach dem heutigen Auftritt angekündigt. Emotional angehauchte Momente bleiben da natürlich sowohl auf Band- wie auch auf Fanseite nicht aus, und so feiert das Publikum die Truppe noch Minuten nach dem Ende der Show, welche für sich genommen leider eher mittelmäßig ausfällt.

Setlist NORTHER:
01. Deep Inside
02. To Hell
03. Truth
04. Last Breath
05. Death Unlimited
06. Break Myself Away
07. We Rock


Nach einer soliden, für meinen Geschmack jedoch nicht eben spektakulären Show der Ami-Deather INCANTATION stehen um 14:35 die Finnen INSOMNIUM auf der Bühne. Und so oft man die Band in den letzten Monaten und Jahren auch zu Gesicht bekommen hat – ein ums andere Mal wissen die Musiker um Front-Sympath Niilo Sevänen zu begeistern. Nicht nur, dass die Truppe ihre Songs in einer Perfektion, die ihresgleichen sucht, auf die Bühne bringt, nicht nur, dass der Sound heute so Glasklar ist wie der Himmel über Josefov an diesem Nachmittag – die Atmosphäre aus Melancholie und Geborgenheit, die die Band zu erzeugen vermag, ist schlichtweg unerreicht. So erfreut es umso mehr, zu sehen, dass sich Gitarren-Neuzugang Markus Vanhala scheinbar perfekt in die Bandfamilie eingelebt hat – posed und frickelt dieser doch mit einem breiten Dauergrinsen im Gesicht. Definitiv eines der Highlights des Festivals – und das ohne jeden Raritätsbonus, sieht man INSOMNIUM doch mittlerweile eigentlich ständig irgendwo aufspielen.

Setlist INSOMNIUM:
01. Inertia
02. Through the Shadows
03. Only One Who Waits
04. Down With the Sun
05. Unsung
06. The Killjoy
07. Mortal Share
08. One For Sorrow

Durch den eindrucksvollen Insomnium-Auftritt sind meine Erwartungen an KAMPFAR merklich gesunken – ist doch nur schwer vorstellbar, dass die Norweger mit dieser intensiven Show mithalten können. Die Überraschung folgt auf dem Fuß, legt die Truppe im Folgenden doch eine wahrlich beachtliche Show hin: Fronter Dolk gibt sich, in völliger Missachtung des schwarzmetallenen Trueness-Kodexes, absolut sympathisch und bedankt sich mehrfach herzlich für die Unterstützung, während die Truppe musikalisch bei perfektem Sound den vielleicht souveränsten Auftritt, den ich von ihnen bislang erleben durfte, absolviert: Vom eröffnenden Brecher „Mare“, bei welchem Schlagzeuger Ask Dolk tatkräftig mit Gesang unterstützt, über das treibende „Altergang“ bis hin zum obligatorisch finalen Evergreen „Ravenheart“ – hier sitzt einfach alles. Großartig!

Nach einer nach dem letzten Konzert-Block dringend nötigen Erfrischungspause während der Shows von DARKEST HOUR, VALLENFYRE und MORGOTH wäre eigentlich der Auftritt von HEATHEN ein fester Punkt in der Tagesplanung gewesen – da diese jedoch absagen mussten, stehen um 17:55 erst einmal die SUICIDAL ANGELS aus Griechenland auf der Bühne. Und auch, wenn die Newcomer meines Erachtens nach nicht im Geringsten einen Ersatz für die Heavy-Thrash-Band von Exodus-Gitarrist Lee Altus darstellen, feiert das Publikum die Band für ihr Set kräftig ab. Etwas besonderes stellt dieses zwar nicht da, wirklich schlecht sind die Thrasher aber natürlich nicht.
[Moritz Grütz]

Setlist SUICIDAL ANGELS:
01. Bloodbath
02. Bleeding Holocaust
03. Chaos (The Curse Is Burning Inside)
04. Morbid Intention to Kill
05. The Pestilence Of Saints
06. Moshing Crew
07. Apokathilosis

Mindestens ebenso viel Grund zum Feiern haben die anwesenden Freunde des Hardcore: im Allgemeinen, weil das diesjährige Brutal Assault ein regelrechtes Gipfeltreffen der Genregrößen darstellt, und im Besonderen, weil sich eine solche namens HATEBREED ab 18:35 daran macht, dem Adjektiv „energiegeladen“ einen neuen Wörterbucheintrag zu verpassen. Jamey Jasta und Kollegen lassen etwa mit „As Diehard As They Come“, „Live For This“, „In Ashes They Shall Reap“ oder „Last Breath“ eine nicht abreißende Kette stampfender und drückender Songmonster auf die bereitwillig und konstant sich selbst umpflügende und/oder hüpfende Menge los und machen absolut keine Gefangenen. Einzige Verschnaufpausen sind Jastas kurze Überleitungen zwischen den Songs; ansonsten schlagen die herrlich satt abgemischten Neuengländer alles und jeden auf dem Festivalgelände in ihren Bann und erteilen Lektionen in Sachen Bühnenpräsenz. Beim abschließenden „Destroy Everything“ sind denn auch unter anderem Stimmen von weit hinten zu hören, die den sich eindeutig in seinem Element befindenden Sänger unterstützen. Spätestens hier verwundert wohl niemanden mehr, dass die Sympathie ausstrahlende Truppe eine für die Hardcore-Bands auf dem Festival bisher untypisch große Menschenansammlung anziehen konnte. Eindeutig ein Highlight des Festivals.


Während auf den Freilichtbühnen mit MUNICIPAL WASTE weitergemacht wird, entschließe ich mich nach den ersten paar temporeichen Nummern der Thrasher aus Virginia, mich zum ersten Mal in Richtung der heuer neu eingeführten kleineren Indoor-Bühne („Budvar Club Stage“) aufzumachen.
Hier erwartet die interessierten Zuhörer mit den Warschauern OBSCURE SPHINX eine Newcomerband mit einem relativ experimentellen Ansatz: Getragen von den charakteristischen Klängen der immer mehr in Mode kommenden Achtsaitergitarren, errichten die vier Jungs an den Instrumenten ein doomig-finsteres Klanggebilde, durch das sich Sängerin Wielebna auf äußerst eigentümliche Art bewegt: Mal säuselnd, mal singend, mal durch einen Vokoder bis zu Unkenntlichkeit stimmverzerrt, bereichert sie die meist in langsameren Tempi gehaltenen, teils mit meshuggah-artigen Rhythmus-Spielereien und Breakdowns durchsetzten Songs um mehrere Facetten und erzeugt dabei (wenn auch nicht dank stimmlicher Qualitäten) Geräusche, die ab und zu an Björk oder Nina Hagen in ihren besten Zeiten erinnern. Die Kombination aller Elemente im Sound der Band ergibt jedenfalls ein faszinierendes, in dieser Form noch nicht gehörtes Ganzes. Und tatsächlich setzen die Polen dieses ihr Konzept derart mitreißend um, dass ich sogar vergesse, rechtzeitig wieder in Richtung der Hauptbühnen aufzubrechen, um noch etwas von NAPALM DEATH mitzubekommen – was aber, führt man sich vor Augen, wie grandios die noch junge Band auf der Budvar Stage ihren Gig gestaltet, kein Verlust sein kann. Am Ende macht sich jedenfalls das Gefühl breit, etwas Großartiges neues entdeckt zu haben.
[Felix Indra]

An dieser Stelle sollte nun eigentlich stehen, dass AMON AMARTH ihrem Pre-Headlinerslot mit einer souveränen Show gerecht werden und das Publikum mit Hits quer durch ihre Diskographie in Extase versetzen. Mag sein, dass dem auch so ist, allein die Budvar Club Stage zieht auch mich mit dem heutigen Avantgarde-Programm in ihrem Bann – das Set, das es von den schwedischen Wikingern zeitgleich auf der Mainstage zu hören gibt, liest sich wie folgt:
Setlist AMON AMARTH:
01. War of the Gods
02. Runes to My Memory
03. Destroyer of the Universe
04. Death in Fire
05. Cry of the Black Birds
06. The Fate of Norns
07. The Pursuit of Vikings
08. For Victory or Death
09. Victorious March
10. Twilight of the Thunder God
11. Guardians of Asgaard

Nach dem mitreißenden Auftritt der Polen Obscure Sphinx steht mit SEBKHA-CHOTT aus Frankreich die nächste Avantgarde-Band auf dem Programm – und bereits der Soundcheck mit Saxophon, Fretless-Sechs-Saiter-Bass, Drums und einem Ein-Saiten-Instrument mit Drehkurbel verspricht Außergewöhnliches. „Außergewöhnlich“ ist jedoch kein Begriff, der das, was folgt, als die Musiker zum Showbeginn kostümiert auf die Bühne zurückkehren, auch nur ansatzweise treffend beschreiben würde. Statt eines Konzertes liefern die Ausnahmemusiker eher eine Art Impro-Theater mit musikalischer Begleitung ab – welcher der beiden Bestandteile dabei der abgefahrenere ist, ist schwer zu sagen. Musikalisch fast im Jazz-Metal angekommen, dreht sich die dargestellte Geschichte im Kern um einen Doppel-Dildo aus Stoff, welcher von einem als Dieb maskierten Statisten entwendet wird. Dieser wird dafür vom Saxophonisten umgehend mit einem Gummihuhn (sic) geköpft, während der als Frau verkleidete Schlagzeuger den Dildo verschluckt, welchen der Saxophonist so bei einer versuchten Vergewaltigung unter dem Rock des Schlagzeugers hervorzaubert, woraufhin der geköpfte Ganove beide sowie den Bassisten umbringt und dabei ein weiteres Mal stirbt.
Wer diesen Plot für nicht gänzlich ausgereift erachtet, mag damit nicht ganz falsch liegen – sicher ist, dass SEBKHA-CHOTT das Publikum damit fesseln wie nur wenige andere Bands. Ob das Gesehene im Nachhinein wirklich gefällt, ist wohl mehr als bei einer normalen Musikdarbietung Geschmackssache – geht die Musik in dieser für meine Begriffe etwas arg auf plakativ „nerdy“ gemachten Darbietung doch ziemlich unter.


Nach diesem audiovisuellen Brainfuck wäre etwas straightes Geschrammel grade recht beziehungsweise absolut von Nöten, um wieder klar im Kopf zu werden. Allein, MACHINE HEAD, welche dafür eigentlich durchaus geeignet wären, haben andere Pläne. Statt sich aufs Musizieren zu konzentrieren, scheint Rob Flynn heute äußerst redebedürftig zu sein – und führt seine Ansagen über den Zusammenhalt der Metal-Community, die Kommerzpolitik von MTV und ähnliche Offenbarungen mehr derart aus, dass manche Ansage tatsächlich länger zu dauern scheint als der angekündigte Song. Dass so viel Kommunikationsdrang selbst den Fans missfällt, und diese zu Pfeifen beginnen, bringt den Amerikaner mit Jesus-Vollbart nicht von seinem Pfad ab – sodass der Auftritt eher einer Kundgebung denn einem Konzert gleicht. Auch dass die Band nach jedem Song erst einmal die Bühne verlässt, Rob Flynn alles andere als souverän singt und selbst die harten Nummern gegen den kraftstrotzenden Hatebreed-Auftritt am Nachmittag lahm und belanglos wirken, trägt seinen Teil dazu bei, dass dieser Auftritt sicher nicht als Höhepunkt des diesjährigen Brutal Assault in Erinnerug bleibt.

Setlist MACHINE HEAD:
01. I Am Hell (Sonata in C#)
02. Old
03. Imperium
04. Locust
05. Aesthetics Of Hate
06. Darkness Within
07. Real Eyes, Realize, Real Lies
08. Block
09. Halo
10. Davidian

Bis zum Dienstag vor dem Brutal Assault standen in meiner Running-Order für den nun folgenden Slot noch fett markiert die norwegischen Avantgarde-Black-Metaller DOEDHEIMSGARD – unverständlicher Weise auf die Newcomer-Stage ausgelagert. An eben diesem Tag folgte dann durch die Festival-Organisation die Bekanntgabe, dass DOEDHEIMSGARD aufgrund eines Autounfalls des Schalgzeugers nicht spielen würden.
Der Slot wie die Tatsache, dass die Band auf Shirts und Drucksachen nicht auftaucht, legt jedoch die Vermutung nahe, dass die Absage dem Veranstalter schon lange vorher bekannt war und er die Band deshalb in der Running-Order gezielt so platziert hat, dass sie problemlos durch die Underground-Band BALANCE INTERRUPTION ersetzt werden konnte, ohne, dass dies auffallen würde – kein schöner, wenn auch ein geschickter Schachzug.

Im Gegenzug löst sich so die einzige, im Vorhinein als schmerzlich empfundene Überschneidung zwischen der Newcomer-Stage und den abwechselnd bespielten Hauptbühnen in Wohlgefallen auf – die mit den Post-Hardcorelern von CONVERGE.Und so schade es ist, dass Doedheimsgard nicht auftreten – so lohnenswert ist die CONVERGE-Show. Auch wenn Sänger Jacob Bannon nicht eben sonderlich sympathisch wirkt, im kompletten Set keine Notwendigkeit sieht, mit dem Publikum zu interagieren, wirkt gerade dieses distanzierte Auftreten, in Kombination mit dem wilden Herumgerenne und Mikro-Schleudern faszinierend. Technisch absolut über jeden Zweifel erhaben, ist es lediglich der Klargesang, welcher mitunter etwas für Stirnrunzeln sorgt – im Kontext der Show wirkt jedoch sogar dieses normalerweise jede Atmosphäre vernichtende Element stimmig.
Spätestens, als dann auch noch At The Gates-Sänger Tomas „Tompa“ Lindberg für das Entombed-Cover „Wolverine Blues“ die Vocals übernimmt – eine durchaus interessante Kombination übrigens – ist klar, welche Band als „Überraschung des Tages“ notiert wird – daran können auch PARADISE LOST, GORGUTS und PIG DESTROYER, welche im Anschluss noch ihre Auftritte absolvieren, nichts mehr ändern.
[Moritz Grütz]

Setlist CONVERGE:
01. Jane Doe
02. No Light Escapes
03. Dark Horse
04. Reap What You Sow
05. Wolverine Blues (Entombed-Cover, feat. Tomas Lindberg)
06. Worms Will Feed/Rats Will Feast
07. Concubine

Samstag:
Nach AHUMADO GRANUJO, GODS TOWER und SKARHEAD steht mit BE’LAKOR um 13:55 eine Band aus fünf Australiern auf der Jägermeister-Stage, die sich dem Göteborg-nahen Melodic Death Metal verschrieben haben. Dieser Vorgabe entsprechend servieren die Herren aus Melbourne melodische, durchaus stimmige Songs in bestens passendem Soundgewand. Allein, um die Stimmung ihrer Lieder besser vermitteln zu können, steht der Band sicherlich kein optimaler Slot zur Verfügung, sodass der Show ein leichter Dämpfer aufgesetzt ist. Dennoch bleibt es ein professioneller und sehenswerter Auftritt.
[Felix Indra]

Im Anschluss müssen überraschend früh schon die belgischen Tech-Deather ABORTED ran. Generell gar nicht meine Baustelle, überraschen die Jungs heute mit einer durchaus unterhaltsamen Show, welche durchaus zu gefallen weiß. Sicherlich, der Gesang von Sven „Svencho“ de Caluwé ist immer noch Geschmackssache, Fans der Band kommen hier bei bestem Wetter jedoch definitiv auf ihre Kosten.
[Moritz Grütz]


Abgelöst werden die Belgier um kurz nach drei von einer Nachwuchsband: den kommenden Herbst mit Between the Buried and Me und Periphery tourenden Briten THE SAFETY FIRE. Durch dieses Billing aufmerksam geworden, frage ich mich, was wohl von dem Quintett zu erwarten sei…
…und die Antwort lautet offenbar: „nicht viel“. Ihr hauptsächlich aus Breakdowns bestehender sogenannter „Progressive Metal“ mag gerade angesagt sein – ein guter Grund dafür will mir jedoch nicht einfallen. Nicht, dass die Band nicht imstande wäre, hie und da die ein oder andere interessante Idee einzustreuen, im Allgemeinen kommt es aber zu selten dazu; und vor allem der allzu sehr „jammernde“ und greinende Sänger geht mir schlicht und einfach auf die Nerven. Ein Übriges tut ein für dieses Festival rekordverdächtig schwacher Sound, kein Wunder also, dass man kein sonderlich großes Publikum vor die Bühne zu locken vermag. Dieser Gig hätte wirklich nicht Not getan.

Irgendwie scheint es passend, dass um 15:45 ausgerechnet TEXTURES weitermachen: So könnte man sagen, die Niederländer machen alles, woran es bei den stilistisch vergleichbaren The Safety Fire haperte, grundsätzlich besser. Beispielsweise treiben die Songs zum Teil, und auch wenn der Sechser aus Tilburg nicht unbedingt neue Maßstäbe hinsichtlich Livequalitäten setzt, so können trotzdem gewisse Songschreiberqualitäten und vor allem technisches Können attestiert werden. Ebenso scheint konsequent, dass Textures als Teil ihres insgesamt natürlich größeren Publikums auch scheinbar alle The Safety Fire-Zuschauer vor „ihre“ Bühne ziehen. Nur was das Equipment betrifft, gab es im Vorfeld scheinbar Probleme beim Einfliegen, was die Band zum fan-unterstützten Skandieren von Schmährufen gegen die Airline verleitet. Musikalisch jedenfalls ein ordentlicher Auftritt.


Nach diesen beiden Ausflügen in den breakdownlastigen modernen Metal(core) wird von NORMA JEAN die riffbasierte, traditionellere Variante angeboten: die fetzigen Uptempo-Songs der Amerikaner wissen ihre Zuhörer direkt vor der Bühne zu begeistern, und auch bis auf die Naturtribüne hinauf kann man noch einen amtlich treibenden Charakter an der Musik ausmachen. So gehört das, was das fünfköpfige Live-Lineup hier zelebriert, definitiv zu den kurzweiligeren Darbietungen aus ihrer stilistischen Umgebung. Nicht übel.

Standen bis eben noch schneller und lauter Metalcore auf dem Programm, wird es ab 17:05 Zeit für leisere Töne: Die nun schon seit geraumer Zeit dem melancholischen bis psychedelischen Metal/Rock verschriebenen SÓLSTAFIR aus Reykjavik legen mit „Ljós I Stormi“ los, dem Opener der aktuellen Scheibe Svartir Sandar. Einige Zeit brauchen die selbstbetitelten „Anti-Christian Icelandic Heathen Bastards“ allerdings, bis Publikum und Band soweit auf der selben Wellenlänge sind, dass die eigenwillige Atmosphäre ihrer Songs zum Tragen kommt – erst beim dritten von vier ausgedehnten Songs, dem hymnischen „Fjara“, kommt die unverfälschte Gänsehautstimmung Marke SÓLSTAFIR auf. So oder so ist aber die ganze Zeit über das zu sehen, wofür man die vier kennt und liebt: Mit kaum mehr als einer rudimentären Ahnung von der Bedienung der jeweiligen Instrumente ausgestattet und mit Frontmann Adalbjörns klagendem, an jedem Ton knapp vorbeischrammendem Gesang im Vordergrund schaffen es die Musiker doch irgendwie immer wieder, als Band einen beachtlich tiefgründigen Eindruck zu machen. Gestört werden sie nur von zwischenzeitlichen technischen Problemen, doch am Ende des Sets und auch dank Eigenheiten wie der wohl unkompliziertesten Songansage des Festivals („Alright… Okay?“) ist wieder einmal klar geworden, dass die Isländer ihren Sonderstatus als Unikat des verträumten nicht-Metal absolut zu Recht genießen.

Setlist SOLSTAFIR:
01. Ljós Í Stormi
02. Þín Orð
03. Fjara
04. Goddess Of The Ages

Ebenso speziell, wenn auch auf eine vollkommen andere Art, stehen als nächstes KYLESA aus Georgia in den Startlöchern. Und was das Quintett um Frontfrau Laura Pleasants zum Besten geben, reißt ordentlich mit: Der – dank abwechselnder Gesangseinlagen von Pleasants und dem anderen Gitarristen Cope sowie des Einsatzes eines zusätzlichen Schlagzeugers – einzigartige Sound der Sludge Metaller erfreut sich dementsprechend auch des regen Zuspruchs der Zuhörer. Lediglich dass Schlagzeuger Nr. 2 im Gesamtsound zeitweise recht unterrepräsentiert ist, stößt dabei etwas auf, tut jedoch dem Groove aber keinen Abbruch. Dass mehr als sechs Lieder in der vorgegebenen Zeit keinen Platz haben, ist auch kein Problem, denn auch so schaffen es die Amerikaner, eine ungemeine Energie zu transportieren. Eine beeindruckende Vorstellung.

Setlist KYLESA:
01. Tired Climb
02. Don’t Look Back
03. Said and Done
04. Running Red
05. Forsaken
06. Scapegoat

Nachdem die im Anschluss geplante Show der Thrash-Veteranen SODOM ans Ende des Festival-Tages verlegt wurde, beginnen die auf schwedisch singenden Finnen FINNTROLL ihr Set bereits einige Minuten früher. Bei herrlichem Wetter und einem aus Sicht der Band sicherlich ebenfalls herrlichen Publikumsaufkommen stimmen die Finnen ihre Folk-Metal-Hymnen aus 15 Jahren Bandhistorie an. Dabei erzeugt das Septett eine höchst ausgelassene Stimmung, die auch die Tribüne, auf die ich mich inzwischen wieder zurückgezogen habe, einschließt. Alles in allem können sich die im Gesicht längsgestreiften Barden jedenfalls über eine gelungene Show freuen, die Fans zu goutieren wissen.
[Felix Indra]

Setlist FINNTROLL:
01. Blodnatt
02. Dråp
03. Under Bergets Rot
04. Nattfödd
05. Slagbröder
06. Mot Skuggornas Värld
07. Solsagan
08. Jaktens Tid
09. Bastuvisan

Um 19:55 wären eigentlich IMMOLATION auf meiner Liste gestanden – erneut funkt hier jedoch das Programm auf der Budvar Club Stage dazwischen. Mit COLP steht dort eine tschechische Band auf der Bühne, die sich einer Mischung aus Death und Thrash mit Djent-Einschlag verschrieben hat – für alle, die letztgenannten Terminus noch nicht kennen: Unter diesem Genre fasst man, wie ich mir sagen ließ, neuerdings Bands zusammen, die meshuggahesk klingen. Man lernt nie aus.
Unterhaltsam ist die musikalisch recht anspruchsvolle Darbietung der Formation jedenfalls, welche sich durch das verschenken von CDs an das Publikum weitere Sympathiepunkte einhandelt. Einzig die durchweg auf Tschechisch getätigten Ansagen lassen an Informationsgehalt für Nicht-Tschechen durchaus zu wünschen übrig – verleihen dem Ganzen jedoch in der wellblechbedachten Baracke einen ganz besonderen Underground-Charme.
[Moritz Grütz]

Unterdessen ist auf der linken der beiden Open-Air-Bühnen wieder Klassikerstunde: auf Immolation folgend, beginnen SIX FEET UNDER um 20:40 mit der Zerlegung der Jägermeister Stage. Und dabei gehen sie durchaus gründlich vor: Mehr als je zuvor versteht es die aktuelle Besetzung von Chris Barnes‘ Band, einen drückenden wie hämmernden Groove zu produzieren, angesichts dessen fast schon verwundert, dass im Gleichtakt nicht auch noch die Erde bebt. Zwar rufen einige eigenwillige Aktionen von Barnes wie die gespielte Intervention („I’m gonna stop the fucking show!!“) während des letzten regulären Songs, gefolgt vom Cannibal Corpse- und damit partiellen Eigencover „Hammer Smashed Face“, Stirnrunzeln hervor, im Allgemeinen aber dürften die vier aus Tampa, Florida selbst diejenigen positiv überraschen, die im Vorfeld der Meinung waren, zu wissen, was man mit einer Liveshow von SIX FEET UNDER bekommt. Und auch um ein klares Statement zur Causa Randy Blythe [Lamb Of God] ist Barnes nicht verlegen, wie die Songansage zu „Human Target“ beweist: „The next Song is for my friend Randy, who had some problems here in the Czech Republic. Don’t be a human target, and you won’t get hit“. Wo er Recht hat…
[Felix Indra]

Nach Hatebreed, Sick Of It All und Converge ist es um 21:25 Zeit für die vierte Hardcore-Legende: AGNOSTIC FRONT. Zwar kann auch hier die Publikumsdichte nicht mit der der Metal-Headliner mithalten, über zu geringe Resonanz kann sich die Band jedoch keinesfalls beschweren: Neben einem quasi dauerhaft vor der Bühne installierten Circlepit ist es vorallem die Bereitschaft des Publikums, bei Songs wie „For My Family“ oder „Gotta Go“ mitzusingen, die dem Auftritt Epik verleiht. Die Begeisterung des Publikums lässt auch die Band nicht kalt, welche diese mit Sympathie und Spielfreude quittiert. Ein mehr als gelungener Auftritt, der sicherlich seinen Teil dazu beiträgt, Hardcore auch in Osteuropa in der Metal-Szene weiter zu etablieren.
[Moritz Grütz]

Nachdem somit zum letzten Mal heuer die Baustelle des Old School Harcore beackert wurde, folgt bereits der erste Headliner des heutigen Abends: Die wiedervereinten Göteborger Altstars AT THE GATES.
Dabei stellt Sänger Tompa wohl einen Rekord für den am häufigsten zu sehenden Musiker auf dem diesjährigen Festival auf: Zählt man den Gastauftritt bei Converge mit, war der auch bei Lock Up aktive Shouter pro Festivaltag je einmal live zu erleben. Der Auftritt der Band in ihrer Gesamtheit dürfte hingegen für deren treue Fans ein echtes Fest sein, zum einen, da dies eine wohl für viele unverhoffte Gelegenheit darstellt, die Melodeath-Pioniere noch einmal live zu erleben, nachdem diese sich bereits zweimal aufgelöst hatten, zum anderen, weil die Band auch sichtlich bestrebt ist, aus dem Auftritt etwas dem entsprechend Besonderes zu machen: Auch für einen mit ihrer Musik nicht sonderlich vertrauten Zuhörer wie mich haben die Schweden beeindruckende Momente parat. So kommt während der knappen Stunde Spielzeit keine Langeweile auf, auch, weil das Ganze natürlich von den Fans kräftig gefeiert wird. Alles in allem ein würdiger Auftritt des Quintetts.
[Felix Indra]

Setlist AT THE GATES:
01. Slaughter Of The Soul
02. Cold
03. Terminal Spirit Disease
04. Raped By The Light Of Christ
05. Under A Serpent Sun
06. Windows
07. World Of Lies
08. The Swarm
09. Suicide Nation
10. Nausea
11. All Life Ends
12. Need
13. Blinded By Fear
14. Kingdom Gone

Nach dem mächtigen Auftritt der Schweden-Deather steht mit IMMORTAL eine Legende aus dem Nachbarland Norwegen auf dem Programm. Nachdem diese sich hinsichtlich ihrer Liveshows doch recht rar machen, dürfte der Auftritt für die meisten Zuschauer lange herbeigesehnt sein – und große Enttäuschung zur Folge zu haben – was das Trio hier nämlich abliefert, grenzt an eine Unverschämtheit: Vom grottenschlechten Sound, für den die Band zugegebenermaßen wenig kann, einmal abgesehen, ist die spielerische Leistung der Herren am heutigen Tage kaum zu ertragen. Die Riffs schlampig runtergerotzt, verliert Abbath spätestens in den „Melodien“ beziehungsweise „Soli“ vollkommen den Faden und jedwedes Taktgefühl – sodass selbst Drum-Maschine Horgh Schwierigkeiten hat, ihn und Bassist Apollyon irgendwie zusammenzuhalten. Dass die Band dann ausgerechnet „Call Of The Wintermoon“ unterbrechen muss, weil Abbath sein Plektrum herunterfällt, lässt einen den Kopf nur noch etwas heftiger schütteln… jede Newcomer-Band würde für eine solche „Leistung“ zum Teufel gejagt. Und mit was? Mit Recht.Showtechnisch liefern IMMORTAL dabei genau die Kombination aus Trueness und (hoffentlich) selbstironisch gemeinter Persiflage auf eben jene ab, die man von ihnen erwartet: Im Krabbenschritt geht es seitwärts über die Bühne, es wird geposed und gekeift, wie man das eben so kennt, und das ganze, durch einige Pyros aufgemotzte Szenario versinkt in einer nicht enden wollenden Nebelschwade. Für das Auge ist hier definitiv etwas geboten – bezieht man die musikalische Leistung der Band jedoch mit ein, ist der Auftritt schlichtweg desaströs. Schade…
[Moritz Grütz]

Setlist IMMORTAL:
01. Withstand The Fall Of Time
02. Sons Of Northern Darkness
03. Damned In Black
04. Triumph
05. The Call Of The Wintermoon
06. In My Kingdom Cold
07. Tyrants
08. One By One
09. All Shall Fall

In eine völlig andere Richtung geht es noch einmal mit den Portugiesen MOONSPELL: Die düsteren Gothic Metaller, mit einem neuen Album namens „Alpha Noir“ im Gepäck, bemühen sich um einen bei weitem weniger harten und dafür sphärischeren Sound. Allerdings steht man sich dabei zeitweise selbst im Weg: Gimmicks wie der beim Opener von Sänger Fernando Ribeiro getragene Römerhelm oder ein völlig übertriebener Halleffekt auf der Snaredrum (penetrant genug, um so manches Melodieinstrument im Sound zurückzudrängen) schaffen es wundersamerweise kaum, die offenbar intendierte romantisch-düstere Atmosphäre heraufzubeschwören. Auch schaffen es die zur Hälfte von der aktuellen Langrille entnommenen Songs kaum jemals, echtes Interesse zu wecken, und so wirkt der Auftritt eher wie ein eigenartiger Ausflug in softere Gefilde nach den um einiges actionreicheren Auftritten der Headliner.
[Felix Indra]

Setlist MOONSPELL
01.Axis Mundi
02. Alpha Noir
03. Opium
04. Awake!
05. Em Nome Do Medo
06. Vampiria
07. Alma Mater
08. Fullmoon Madness

Wie man sich täuschen kann: Dachte ich, mit IMMORTAL schon die uneinholbar schlechteste Show des Tages gesehen zu haben, kommen unversehen GODFLESH daher und machen diesen tatsächlich nochmals Konkurrenz. Das Trio aus Birmingham hat sich dem Industrial Metal verschrieben, und das bereits seit dem Jahre 1988 – allein, wie sich die Truppe so lange halten konnte, ist mir ein absolutes Rätsel. Denn was man hier zu hören bekommt, ist nicht nur vollkommen belanglos, sondern zudem innerhalb der Songs wie auch auf das Set bezogen derart retardierend, dass es fast autistische Züge annimmt: Minuten, beziehungsweise gefühlte Stunden wiederholen sich hier die gleichen Tonfolgen zu einem absolut belanglos programmierten Drumcomputer (von „Beats“ zu sprechen wäre hier ein starker Euphemismus) – ohne dabei jedoch Atmosphäre oder Spannung aufzubauen. Nichts gegen gut gemachte, elektronische Musik – aber bitte nicht so. [Moritz Grütz]

Eigentlich als Schlusspunkt des Festivals gedacht, gibt es um 1:40 noch einmal musikalisch recht spezielle Kost mit echtem Seltenheitswert: die Norweger Prog-Metaller/-Rocker VIRUS, angeführt vom umtriebigen Fronter Czral (a.k.a. Carl Michael Eide), machen sich bereit, ihren freakigen Sound einem zusehends geschrumpften Publikum näher zu bringen. Auffällig ist hierbei allein schon der mehr an ein Proberaum- denn an ein Livesetting erinnernde Aufbau der Backline im heimeligen Halbkreis. Und auch sonst weist die Band, allen voran Eide – seit etwa sieben Jahren aufgrund eines Fenstersturz aus dem 4. Stock mit ungeklärten Hintergründen auf eine Stehhilfe angewiesen – verschiedene Eigenheiten auf. Vor allem drücken sich diese musikalisch aus: Typischerweise zu Offbeats gibt es teils rock’n’rollige, tonal experimentelle Songs – zu etwa gleichen Teilen von allen drei Alben der Band entnommen – zu hören, die von einem herrlich schnodderigen Czral und Kollegen auf unvergleichliche Weise dargeboten werden. Auch wenn dabei einige der Zuhörer seltsamerweise auf den Gedanken verfallen, es handele sich bei der Musik um hüpfbaren Party-Metal, der nach Pogo (bei deutlich zu wenig umstehenden Zuhörern) verlange, gibt es doch wenig, was das Grandiose und in seiner Art vollends einzigartige Erlebnis schmälern kann, das dieses Konzert darstellt – bis hin zum brillanten Sound stimmt hier alles. Kurz vor dem Ende des Brutal Assault 2012 kommt eine Handvoll Interessierter somit noch einmal in den Genuss von etwas wirklich Besonderem.
[Felix Indra]


Setlist VIRUS:01. Red Desert Sand
02. Be Elevator
03. Chromium Sun
04. As Virulent As You
05. Road
06. Carheart
07. The Black Flux
08. Stalkers Of The Drift

Um 2:20 ist dann schließlich doch noch Zeit für SODOM, ihren nachmittags ausgefallenen Gig nachzuholen – schön, dass der Veranstalter hier so kulant reagiert hat, auch wenn der epische Auftritt von Virus durchaus ein würdiger Abschluss für das 17. Brutal Assault gewesen wäre. So ist der Kontrast zwischen Avantgarde und prolligem Thrash Metal doch eine Art „Culture Clash“, den es zu überwinden gilt, bevor SODOM auch bei mir zünden. Ist diese Barriere jedoch erst einmal gemeistert, bietet auch der Gig der Ruhrpottler einen nicht minder gelungenen Festival-Ausklang: Quer durch alle Alben spielen sich Angelripper und Co. bei bestem Sound und mit vollem Elan in die Herzen ihrer tschechischen Fans – genau so müssen Songs wie „M-16“, „Agent Orange“ oder „Remember The Fallen“ klingen.
[Moritz Grütz]

Setlist SODOM:
01. In War And Pieces
02. Sodomy And Lust
03. M-16
04. Outbreak Of Evil
05. City Of God
06. Blasphemer
07. Agent Orange
08. Remember the Fallen
09. Bombenhagel


Nach vier Konzerttagen ist somit auch das 17. BRUTAL ASSAULT Geschichte. Sieht man von der gravierenden Missorganisation an der Bändchenvergabe an E-Ticket-Besitzern zu Festival-Beginn ab, welche dringendst umorganisiert werden sollte, da es ähnliche Probleme bereits im letzten Jahr gab, kann auch dieses Jahr ein nahezu durchweg positives Feedback gezogen werden: Lineup-Technisch durchaus konkurrenzfähig zu jedem anderen Metal-Festival in Europa, zeichnet sich das BRUTAL ASSAULT auch dieses Jahr durch die extrem niedrigen Ticket- wie Nebenkosten aus: 60€ für das Ticket, 1,20€ für den halben Liter Bier und zwischen 2-4€ für ein reichhaltiges und hochwertiges Nahrungsangebot von Pizza über Asianudeln, Burger, Döner und einheimische Gerichte wie Lángos und Eintöpfe suchen hier im Festival-Vergleich ihresgleichen. In Kombination mit dem zusätzlich gegen geringen Aufpreis buchbaren VIP-Camping-Ticket, welches zur Nutzung von Duschen, WCs und der Naturtribühne ermöglicht, von welcher entspannt die Bands aus der Distanz angeschaut werden können, bietet sich so ein für ein Klein-Festival mit knapp 15000 Besuchern kaum zu überbietender Festival-Comfort. Gewiss, der Termin am Party-San- / Metalcamp-Wochenende liegt vergleichsweise ungünstig – dennoch sollte sich jeder, der auf ein beschauliches Festival in stimmungsvollem Ambiente und mit einer vielseitigen Bandauswahl aus ist, zweimal überlegen, ob er nicht doch lieber den Weg ins tschechische Josefov antreten will.
[Moritz Grütz]

Fotos mit freundlicher Genehmigung von: Jull Lucas; Moritz Grütz

Publiziert am von und Felix Indra (Gastredakteur)

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