Festivalbericht: Brutal Assault Open Air 2011

11.08.2011 - 13.08.2011 Jesefov, Tschechien

Auch wenn das Brutal Assault Festival in Deutschland nicht so bekannt ist wie Wacken, das Summer Breeze oder auch das zeitgleich stattfindende Party San-Open Air – sowohl von der Location als auch vom Billing her steht das Festival im Tschechischen Jaromer unseren heimischen Festivals in nichts nach – kombiniert mit den billigen Preisen in Tschechien bietet das Brutal Assault also eine echte Alternative zu genannten Events. Für mich und zwei Kollegen Grund genug, sich erneut für das Brutal Assault zu entscheiden, und die Reise in den Osten der Tschechischen Republik anzutreten.

Donnerstag, 11.08.11

Nach einem sich grau in grau präsentierenden Donnerstag-Mittag kommt bereits nachmittags die Sonne hervor und heizt die alte Armeefestung entsprechend auf. Die diversen Wetter-Portale im Internet hatten mit ihrer Voraussage von 8 Grad und Regen Gott sei Dank für das gesamte Festival Unrecht behalten, und so trotten wir am Donnerstag bereits gegen 12 Uhr bei prallen Sonnenschein und 28 Grad gemütlich über das Gelände.

Von der Natur-Empore aus wird das Festival für uns von SWORN ENEMY eröffnet, welche eine – für diese Stunde – stattliche Anzahl von Fans vor der Bühne verbuchen können. Dass der Auftritt nicht über Standard Metal-Hardcore Geschrubbe und das übliche Gepose hinaus geht und weitestgehend in der Belanglosigkeit versinkt scheint die Fans nicht zu stören: Schnell bilden sich Circle Pits, die auf dem steinigen und sandigen Boden der Armee-Festung Josevof schon bald für Staubwolken über dem Gelände sorgen. Nach 30 Minuten Eintönigkeit bedanken sich SWORN ENEMY artig beim Publikum und verlassen die Bühne.

Anschließend darf sich die französische Kombo UNEVEN STRUCTURE beweisen. Mir vor dem Auftritt völlig unbekannt, schaffen es die sympathischen Franzosen schnell eine Schar kopfnickender Zuschauer vor sich zu versammeln und zu begeistern. Ihr eigenwilliger Mix zwischen Meshuggah-ähnlichen Riffs und Rhythmen und atmosphärischen Passagen weiß durchaus zu gefallen. Die cleanen Passagen, musikalisch von Tool und gesanglich eindeutig von Dredg inspiriert wissen zwar zu gefallen – allerdings ist das Wort Inspiration hier auch häufig durch Kopie zu ersetzen. Eine durchaus interessante Band, welche sich nicht von Szene-Reglements einschließen lässt, sondern durch einen eigenen Stil zu interessieren weiß. Live wird hier auch auf das übliche Gepose verzichtet und die Musik für sich stehen gelassen – eine positive Tendenz, welche das gesamte Festival über leider viel zu selten zu sehen ist.

Anschließend ist es endlich soweit und mein erstes persönliches Highlight steht auf dem Programm: COMEBACK KID. Erst zwei Wochen vor Festival Beginn kurzfristig als Ersatz für Architects ins Programm gehievt, hatte ich durchaus Zweifel ob in einem weitestgehend reinen Metal Billing eine klassische Hardcore Band nicht auffallen und eventuell sogar untergehen würde. Auch der Blick auf das Programm-Heft machte nicht gerade Hoffnung: COMEBACK KID haben einen Slot um 14.35 abbekommen. Ein derart früher Auftritt der seit der Veröffentlichung ihres Debüts von der Szene gefeierten Hardcore-Helden irritiert dann doch etwas. Die Sorge scheint jedoch unbegründet zu sein: Im Publikum finden sich schnell einige COMEBACK KID Shirts, sogar einige Hardcore Kiddies sind unter den Langhaar-Trägern auszumachen: Schön!
Wie üblich betreten die fünf Kanadier unter den Feedback Klängen ihrer Instrumente die Bühne, Andrew Neufields Kopf gleicht schon zu Beginn des Konzerts einer Tomate, und mit den Sätzen „How are you doing Brutal Assault? We are COMEBACK KID from Canada, and all my Heroes are dead!“ geht der Auftritt gleich voll auf die Zwölf. Dem somit angekündigten Opener „False Idols Fall” folgt eine Songauswahlt aller Alben der Band: weder auf „Broadcasting” vom gleichnamigen Album, noch auf Hits wie „All In A Year”, den ersten Song des Debütalbums, müssen die Fans verzichten. Doch nicht nur die alten Songs werden von der Menge im Laufe des Sets immer frenetischer gefeiert, auch die neuen Songs wie „Because of All“ lassen Circle Pits kreisen und veritable Mosh Pits entstehen. Die daraus resultierenden Staubwolken verstopfen die Atemwege der Anwesenden, doch spätestens beim finalen „Wake The Dead“, welches von Neufield schließlich an der Absperrung hängend und mit sich vor ihm stapelnden Fans gewürdigt wird steht fest: COMEBACK KID haben das Brutal Assault spielend eingenommen.
Umso erstaunlicher ist dies, da die Band während des Konzerts erwähnt, dass Casey Hjelmberg, seines Zeichens Gitarrist, erst 15 Minuten vor der Show auf dem Gelände eingetroffen war, und Kyle Profeta am Schlagzeug krankheitsbedingt von Neufields Bruder ersetzt wurde. Doch sogar in dieser zusammengewürfelten Kombination ist eine Eingespieltheit zu sehen, die viele andere Bands nicht in ihren besten Tagen zu Stande bringen. Hut ab.

Nach einer Gelände Inspektion folgt kurz später bereits die nächste irritierende Slot-Vergabe: HORSE THE BAND, wesentlich unbekannter als die früher gesetzten Comeback Kid, spielen um 16.20. So hervorragend diese Band vor allem live ist: Es gibt auf dem gesamten Festival keine Band, die derartig nicht hierher passt, wohl schlicht und ergreifend deswegen, da diese Band in kein Billing wirklich passt. Mit ihrem durch Synthie-Sounds angereicherten Hardcore, welcher gerne auch mal in Grindcore-ähnliche Bereiche abdriftet und auch klassische Hardrock Elemente nicht ausspart sind die Amerikaner bei jedem Auftritt ein Skurrilitäts-Garant. Dass sich dies auf dem Brutal Assault ändern würde war also nicht zu erwarten. Und in der Tat: die Irritation des Publikums, welche erst kurz vor Schluss in zaghafte Begeisterung überspringt, zeugt eindeutig von dem Wahnsinn der auf der Bühne stattfindet.
Die Ansagen von Frontman Nathan Winneke, der mit seinem Porno-Bart und seiner Frisur auch in keinem 70er Jahre Billig-Porno stören würde, sind jenseits von gut und böse. Nach der Begrüßung „We are HORSE THE BAND, and these are Songs that we made up for you“ knattert „Murder“ aus den Boxen und lassen das größte Problem des Konzerts offensichtlich werden: Die Soundabmischung. Die Gitarre ist entschieden zu laut, der Synthie, also das tragende Element vieler Songs, ist viel zu häufig nicht zu hören.
Beispielhaft für den Wahnsinn der Show kann die Ansage für den Hit „Birdo“ gesehen werden: Nathan läuft eine gute Minute lang im Kreis und quiekt immer wieder „Science“ ins Mikro, während Erik Engstrom am Synthie auf Tschechisch die Inhaltsangabe einer Kartoffelchips-Tüte vorliest, und der Song schließlich mit „The next song is called AAAAAAAAAAAAAAAAAARGHHHHHHHH!“ angekündigt wird. Spätestens jetzt sollte jedem klar sein: Das hier ist nicht normal.
Der Alkohol-Pegel der Band ist schwer einzuschätzen, er lag aber wohl im höheren Bereich angesiedelt. Die Ansage „We have 77 Songs left – all other bands have cancelled and we have to fill out every slot“ sorgte beim Publikum zunächst für Gelächter, als am Ende der Spielzeit in einer Ansage die Zahl der Lieder auf 75 reduziert ist, sind allerdings auch durchaus Angst-verzerrte Gesichter im Publikum zu sehen. Nachdem Engstrom das Publikum auffordert später mit ihm auf den Kamera-Arm zu klettern und fragt ob jemand Heroin dabei hat, das er ihnen zukommen lassen könnte, wundert sich niemand mehr über die abschließende Ansage des Frontmanns: „We are HORSE THE BAND, and never forget: We are at least twice as miserable as you.“ Das kongeniale „Cutsman“ bildete den feierlichen Abschluss des wohl bizarrsten und amüsantesten Gigs des bisherigen Wochenendes.

[Bernhard Landkammer]

Auf die „Gameboy-Coreler“ von Horse The Band folgt mit SKELETONWITCH eher traditionellere Kost – ist der Blackened Thrash Metal der Amerikaner doch nicht eben sonderlich innovativ. Macht aber nichts, denn Freude bereitet das, was die Herren um Front-Sympath Chance Garnette darbieten dennoch: Neben Songs wie der Band-Hymne „Beyond the Permafrost“ präsentieren Herren aus Ohio auch Material ihres im Oktober erscheinenden Albums „Forever Abomination“ – sehr zur Freude des zahlreich vor die Bühne gekommenen Publikums: Bei guten Soundverhältnissen und schönem Wetter ist hier beste Unterhaltung garantiert – nicht zuletzt auch dank Ansagen wie „Thank You, Brutal Assault! Smoke some weed, drink some beer, and eat some pussy!“

Nach THREAT SIGNAL und UNEXPECTED geht es um 19:00 mit den Death Metal-Vetaranen von ASPHYX weiter, welche sich, wie man es von der Truppe kennt, gewohnt spielfreudig präsentieren:

Bereits beim Soundcheck bedankt sich Sänger-Koryphäre Van Drunen von ganzem Herzen und mit ins Gesicht geschriebener kindlicher Freude beim zahlreich erschienenen Publikum, das die Band schon vor Beginn des eigentlichen Auftritts feiert. Und zu Recht, lassen die Holländer den netten Worten doch schließlich auch musikalisch Taten folgen:
So bieten ASPHYX eine intensive Show, und trotz einiger gravierender Probleme mit dem Bass lassen sich weder Band noch Publikum die Stimmung verderben: Egal ob aktuelles Material wie Album-Titeltrack „Death the Brutal Way“ oder Klassiker wie „Wasteland of Terror“ vom legendären „The Rack“-Album – ASPHYX lassen heute – wie gewohnt – das Herz eines jeden Oldschool Death Metal-Fans höher schlagen. Dass Van Drunen sich schließlich noch ausführlichst dafür entschuldigt, dass die Autogrammstunde wegen eines verpassten Fluges ausfallen musste, passt nur zu gut ins überaus sympathische Bild, das man von der Band hat – wie auch die Tatsache, dass die Holländer die ihnen zugewiesene Spielzeit bis auf die letzte Minute auskosten um dem geneigten Fan möglichst viel für sein Geld zu bieten.

[Moritz Grütz]

Somit ist die Stimmung bereits bestens, als sich die beträchtliche KREATOR-Fanschar vor der (aus Zuhörersicht) linken der beiden Bühnen versammelt: Die spürbar positive Nachwirkung des ASPHYX-Auftritts sorgt zusammen mit der nun einsetzenden Dämmerung für optimale Rahmenbedingungen, um dem klassischen Thrash der Altmeister aus dem Ruhrpott zu frönen. Entsprechend euphorisch werden Mille und Konsorten denn auch von der Menge begrüßt, als sie nach kurzem Intro die Bühne betreten, um mit „Hordes Of Chaos“ den titelgebenden Opener des aktuellen Albums anzustimmen. Freilich hat man das Publikum damit sogleich auf seiner Seite; beginnend mit ebenjenem Song wird ein Refrain nach dem anderen lauthals skandiert, während das Quartett auf der Bühne das Seine tut und routiniert eine Klassikerparade zum Besten gibt, wie sie sonst wohl nur wenige Bands aufbieten könnten: Zwar mag der eine oder andere Die-Hard-Fan „Extreme Aggression“ vermissen, doch ansonsten wird von „Violent Revolution“ und „Phobia“ über „Enemy Of God“ bis „Pleasure To Kill“ an alten wie neuen Hits nicht gespart, bevor das Set mit dem obligatorischen „Flag Of Hate/Tormentor“-Medley vom Debütalbum „Endless Pain“ endet. Dass die Band auf manchen nicht restlos eingenommenen Zuhörer etwas ZU routiniert wirken kann, stört die Mehrheit der begeisterten Fans dabei ebensowenig wie das recht vokabelarme Englisch, in dem Petrozza seine wie immer etwas peinlichen Ansagen hinausbrüllt. Ungeachtet dessen kann dem Co-Headliner dieses Abends aber durchaus bescheinigt werden, seine knappe Stunde Stagetime hervorragend für einen äußerst soliden Gig genutzt zu haben.

Da das Highlight des Abends mit MOTÖRHEAD noch aussteht und sich der Raum vor der Jägermeister Stage kurz nach Abwanderung der KREATOR-Fans schon mit den ersten Lemmy-Jüngern zu füllen beginnt, fasse ich den Entschluss, die nun folgenden SUICIDAL TENDENCIES nicht direkt von vor der Metalshop Stage, sondern mithilfe der für diesen Zweck sehr gut platzierten Leinwand seitlich mitzuverfolgen, um nicht im Anschluss um einen halbwegs vernünftigen Platz ringen zu müssen.
Im Gegensatz zu mir lässt sich eine Anzahl Festivalbesucher nicht beirren, die angesichts der Tatsache, dass SUICIDAL TENDENCIES während der vergangenen Dekade weder – zumindest in Mitteleuropa – durch Livepräsenz, noch durch Albumreleases aufgefallen sind, erstaunlich groß ausfällt. Somit stellt sich die auf den ersten Blick gewagt anmutende Zuweisung der Band auf den 20:45-Slot als vollkommen gerechtfertigt heraus – offenbar ist das Interesse an der Kultband nicht nur unter Skatepunks bestehen geblieben. Bereits mit dem ersten Song aus dem Set der Crossover-Pioniere wird auch der Grund hierfür ersichtlich: Was die Kalifornier hier vom Stapel lassen, sucht, was Coolness und mitreißenden Groove betrifft, seinesgleichen (und weckt meinerseits nun doch ein deutliches Bedauern, meinen Standort nicht vor die entsprechende Bühne verlagert zu haben – dies nachzuholen scheint aufgrund eines regen Moshpits aber nun auch nicht mehr sinnvoll). Einerlei, dass das Stageacting und die ausschweifenden, mitunter pathetischen Monologe des Fronters und Bandleaders Mike Muir wohl nicht jedermanns Sache sind – musikalisch kommen hier nicht einmal ansatzweise Zweifel auf. Vor allem die Rhythmusgruppe, bestehend aus den kongenialen Steve Brunner (Bass) und Eric Moore (Schlagzeug), dürfte jeden, der etwas mit funkigen Rhythmen anfangen kann, vollauf begeistern; dankenswerterweise dürfen beide ihr Können auch immer wieder bei kurzen Funk-Breaks bzw. im Falle Moores zusätzlich während eines ausgewachsenen Drumsolos unter Beweis stellen, wobei man zu der Erkenntnis gelangen kann, dass dessen Schlagzeugspiel akustisch wie optisch wohl zum derzeit Besten gehört, was es diesbezüglich überhaupt live zu erleben gibt. Doch auch, wer sich den Auftritt nicht der Virtuosität einzelner Musiker halber ansieht, kommt voll auf seine Kosten: Die Band zeigt sich gutgelaunt und groovt geschlossen mit, voller Überzeugung herausgestoßene Gangshouts fordern allenthalben zum Mitgröhlen auf. Und spätestens beim letzten Song, als die Fans, Muirs Aufruf folgend, die Bühne stürmen, bis dort zuletzt kein Quadratzentimeter mehr frei ist, steht fest, dass dies einer der spektakulärsten Gigs des Festivals, wenn nicht gar des Konzertsommers bleiben wird.

Nunmehr wenden sich dieBlicke wieder der anderen Bühne zu, auf der parallel zur äußerst positiv überraschenden Suicidal Tendencies-Show ein beeindruckender Aufbau aus einem Mega-Schlagzeugpodest und einer regelrechten Verstärkerwand entstanden ist, wie man ihn von MOTÖRHEAD kennt. Die berühmte Phrase „We are Motörhead, and we play Rock’n’Roll“ ist, noch bevor die Band überhaupt aufgelaufen ist, schon vielfach von vorfreudigen Fans zu hören – wenn diese nicht gerade mit liebenswürdigem Akzenteinschlag „Motorrchäd! Motorrchäd!“ rufen.
Schließlich ist es soweit und das standesgemäß seit Kreator noch angewachsene Publikum bejubelt das Urgestein, das mit „Iron Fist“ sein Set beginnt. Was nun kommt, ist, wie wohl kaum erwähnt werden muss, in musikalischer Hinsicht absolut nichts Neues: Das tausendfach live erprobte Trio spielt eine Liste von Songs, die wohl ebenfalls nicht gerade auf einer spontanen Idee beruht. Jedoch kann sich wirklich niemand beklagen, was die Ausstrahlung der Band und deren Fähigkeit betrifft, für großartige Stimmung zu sorgen. Dass man bei MOTÖRHEAD schon von vornherein weiß, was man bekommt, setzt die Qualität der Show an sich nicht herab. Dass es sich dabei ausdrücklich nicht um eine One-Man-Show handelt, wird wie immer durch ausgedehnte Soli des gewohnt bluesigen Phil Campbell an der Gitarre und des glänzend aufgelegten Mikkey Dee an den Drums unterstrichen und gehört zum ehrlichen Bild der Band, das auch dadurch erzeugt wird, dass Lemmy, sympathisch wie eh und je, ganz offen mit dem Publikum plaudert und z.B. nach einer etwas zögerlichen Publikumsreaktion nicht mit seiner Meinung darüber (spöttelnd: „U-huh“ oder auch: „Are you doing well?“ – Yeah! – „Aha.“…) hinterm Berg hält. Könnte ungeduldigeren Zuhörern ein Headliner-Set der Band auf einem anderen Festival zu lang werden, so ist hier bereits nach deutlich unter eineinhalb Stunden allen gedient. So oder so ist bei MOTÖRHEAD trotz vieler allzu vertrauter Elemente kein Platz für Langeweile. Nach dem üblichen „Ace Of Spades“ als letztem regulären Song und einem augenzwinkernden Kommentar Lemmys („We’re gonna leave the stage now, wait for you to scream a little, and after that we’re gonna come back and play one more“) beendet die Gruppe, die nach über 35 Jahren Bandgeschichte bewundernswert energiegeladen auftritt, ohne auch nur die geringste Spur einer Patina angesetzt zu haben, mit „Overkill“ als Zugabe das Konzert – die Fans quittieren es mit gebührenden Ovationen.

[Felix Indra]

Die Stärke des diesjährigen Billings offenbart sich bereits an diesem ersten Abend, gibt sich hier doch eine Szene-Größe nach der anderen die Klinke in die Hand: Kaum sind die legendären Motörhead gebührend abgefeiert, steht mit MORBID ANGEL bereits der nächste Hochkaräter auf den Bretter. Entsprechend voll ist es dann auch, als David Vincent und seine Truppe die Bühne betreten und dem Publikum mächtig einheizen – allein, nach vier Bands in Folge offenbart sich der Nachteil des umbaupausenfreien Bespielens beider Bühnen im Wechsel, muss man so doch auch einmal ein Konzert sausen lassen, um für das leibliche Wohl zu sorgen.

Nicht entgehen lassen kann ich mir hingegen SEPTICFLESH aus Griechenlands Hauptstadt Athen, deren Auftritt im Anschluss auf der Jägermeister-Stage ansteht. Doch so sehr mich die Band auch bislang auf Platte begeistern konnte, so wenig beeindruckend fand ich sie live auf ihrer Tour als Support von Cradle Of Filth – nicht zuletzt aber wohl, weil die Bühne damals mit abgehängten Drumsets und Keyboards nicht eben ein sonderlich atmosphärisches Setting bot.Zumindest diesbezüglich kann man sich heute nicht beschweren, verspricht der Slot um kurz vor halb eins doch in Verbindung mit einem äußerst geschmackvollen, schlichten Bühnenbild quasi perfekte Rahmenbedinungen. Dass SEPTICFLESH mich jedoch auch dieses Mal nur in einzelnen Momenten wirklich überzeugen können, liegt allein an der Darbietung selbst – ist das, was die Athener hier auf die Bretter legen, doch fast schon treffender als „Band-Karaoke“ zu bezeichnen denn als Live-Auftritt: Wer die aufwändigen Orchester-Arrangements der Band kennt, weiß wohl, dass die Songs ohne den enormen Aufwand eines echten Orchesters live quasi nicht anders umsetzbar sind als durch ein quasi durchgängiges Sample-Fundament – allein bleibt dabei die Frage im Raum stehen, ob man derartige Musik dann wirklich auf die Bühne bringen muss. Wenn nämlich nicht nur Streicher-Arrangements und dergleichen, sondern auch einzelne Gitarrenspuren, Gesangspassagen und eine Frauenstimme eingesampelt werden, so dass sich die Live-Komponente am Ende auf begleitendes Drumming, Geschrei und Rhythmus-Gitarren beschränkt, fragt man sich mitunter doch, was das noch mit einem Konzert zu tun hat.Doch auch, wenn man darüber hinwegsieht, und lobend anerkennt, dass die Band unglaublich tight zusammenspielt, erstickt Sänger Spiros Antoniou jede aufkommende Atmosphäre gleich im Keim, indem er im Minutentakt Kommentare wie „Are you fuckin‘ ready?“, „Let’s fuckin‘ destroy!“ oder „Show me your Devilhorns!“, wie man sie sonst nur von stumpfen Thrash-Combos her kennt, raushaut und den Auftritt dadurch jedweder Epik beraubt. Spätestens, als der gute Mann schließlich gar eine Wall of Death fordert, ist klar: Zwischen der versuchten Selbstinszenierung der Band als Kick-Ass-Metal-Band und der epischen, elaborierten Musik, wie man sie auf Platte zu hören bekommt, klafft hier leider eine weite Lücke.

Die darauf folgenden Auftritte von EXHUMED, TÝR und TSJUDER fallen der Erschöpfung zum Opfer – ist für mich nach nun gut sechs Konzerten ohne nennenswerte Pause definitiv das Aufnahmefähigkeitspensum erschöpft.

[Moritz Grütz]

Freitag, 12.08.11


Bereits um 11:00 Uhr muss heute auf den Beinen sein, wer DORDEDUH, das Nachfolgeprojekt der dort ausgeschiedenen Negur? Bunget-Mitbegründer Hupogrammus und Sol Faur mitverfolgen will. Wie ärgerlich, dass man die bereits zweite interessante Band des Tages – die EXCREMENTORY GRINDFUCKERS, die noch eine Stunde früher spielten, wurden der Erschöpfung vom Vorabend wegen überschlafen – nicht in ordentlich ausgeruhtem Zustand sehen kann, denke ich mir und mache mich etwas mürrisch auf den Weg – zumal ich mir partout nicht vorstellen kann, wie die mystische Atmosphäre der Musik der Rumänen um diese Uhrzeit auch nur halbwegs zur Geltung kommen soll.
Umso mehr überrascht mich die Anzahl der Zuhörer, die sich trotz der frühen Stunde und der durchgehenden Bewölkung schon vor der Bühne versammelt haben. Wie erwartet ist auf der Bühne ein eher unkonventioneller Aufbau zu sehen: Neben dem schon von Negur? Bunget bekannten Semantron, einer freischwingend aufgehängten Holzplanke, die mit speziellen Hämmern bespielt wird, steht auch ein Hackbrett zusammen mit dem Keyboard am Bühnenrand. Die Bedienung dieser Instrumente teilen sich Gitarrist Sol Faur und eine Livemusikerin namens Gallalin, die das vierköpfige Rumpf-Lineup (git/voc, git, b, dr) ergänzt, schon ab dem Intro, derweil sich der wie immer etwas abwesend wirkende Hupogrammus auf das Gitarrenspiel und den gutturalen Gesang beschränkt. Insgesamt weicht die Musik von der Konzipierung her nicht allzu stark von Negur? Bunget ab, auch scheinen stellenweise Versatzstücke aus altbekannten Songs aufzutauchen, jedoch sind die neuen Stücke manchmal etwas rhythmusbetonter und die Songstrukturen klarer unterteilt. Die Wirkung der Musik an sich leidet erstaunlich wenig unter der Tageszeit, jedoch weist die Band auch manche Schwäche auf – so klingen viele der neuen Songs nicht so liebevoll durchkomponiert wie die alten, und Schlagzeuger Ovidiu Mih?i?? – streckenweise mit Filzschlegeln bewaffnet – macht vor allem bei höhreren Tempi nicht immer eine gute Figur. Daher bleibt die wirklich große Wirkung, die die Band potenziell erzielen könnte, aus; trotzdem wird eine gewisse Stimmung erzeugt, und so hätte der Auftritt auch deutlich schwächer geraten können. Interessant bleiben DORDEDUH allemal.

Nach den Thrash-Lokalmatadoren von DEBUSTROL stehen als nächstes um 13:55 RAM-ZET auf dem Programm. Weder bin ich mit dem Back-Katalog der zwei Norwegerinnen und drei Norweger vertraut, noch weiß ich, was ich von ihrem Auftritt zu erwarten habe, jedoch interessiert mich, was die Band dazu bewog, sich als Vertreter des „Avantgarde Metal“ zu titulieren.
Tatsächlich ist das Qunitett, soviel ist auf den ersten Blick zu erkennen, vor allem eines: Schräg. Zumindest lässt die Kombination aus dezenter Gesichtstünche, einer Fronterin, deren Auftreten (zum Glück mit Ausnahme der Stimme) getrost als „schrill“ bezeichnet werden kann sowie einer Menge sehr ungewohnter Samples keine Langeweile aufkommen.
Teilweise fühle ich mich ob des Belcanto der Sängerin, des Hintergrund-Screamings des Gitarristen sowie der Vorliebe, beide als Duett einzusetzen, etwas an das Diablo Swing Orchestra erinnert; allerdings beinhaltet die progressive Stilverschmelzung von RAM-ZET anders als die der Schweden weniger Elemente aus traditionelleren Musikgenres, als vielmehr einen deutlichen Industrial-Einschlag mit Tendenzen zu Gothic- und Symphonic- Anklängen irgendwo zwischen Arcturus und Lacuna Coil (!).
Zusammen mit weiteren Spielereien wie einem zeitweise für den Lead-Gesang verwendeten Ultra-Zerreffekt ergibt sich ein in dieser Form definitiv noch nicht gehörtes Klangbild, das die Musiker zu einem durchaus unterhaltsamen Auftritt verarbeiten – nach dem zwischen zwei Songs spontan formulierten Motto:
„As you can see, we’re a bit different… and difference is nice!“

[Felix Indra]

Für mich beginnt der heutige Konzerttag so richtig erst um 15:50, als es mit HAIL OF BULLETS nach Asphyx die zweite Band um Fonter Van Drunen zu bestaunen gibt. Allein, im Gegensatz zum Gig von Asphyx hat HAIL OF BULLETS heute in einigen Punkten klar die schlechteren Vorraussetzungen: Zwar ist der Sound zum einen bisweilen fast nur als Soundbrei zu bezeichnen (übrigens glücklicherweise eine Seltenheit auf dem Festival), das deutlich größere „Problem“ des Auftritts jedoch ist die Mittagshitze, die nicht eben zum steilgehen einläd. Denn auch, wenn man sich wohl bei einem Festival als allerletztes über strahlenden Sonnenschein beschweren sollte: Songs wie „General Winter“ verlieren an derartigen Witterungsverhältnissen doch etwas an Atmosphäre. Zwar geben sich auch HAIL OF BULLETS Mühe, und Songs wie „Tokyo Napalm Holocaust“ vom aktuellen Machwerk „On Divine Wings“ finden durchaus Anklang, an den schlichtweg beeindruckenden Gig auf dem letztjährigen Summer Breeze jedoch kann man der Umstände halber nicht ansatzweise heranreichen.

Nach den Deathern DECAPITATED wäre mit ATHEIST eigentlich ein weiterer Leckerbissen für den geneigten Death Metal-Fan an der Reihe – da diese ihre Tour jedoch aus persönlichen Gründen überraschend absagen mussten, stand nach der Doom/Sludge-Band KYPCK aus Finnland erst mit THE EXPLOITED ein absoluter Pflichttermin auf meinem Kalender:

Zwar steht das letzte Album der schottischen Hardcore-Punk-Legende, „Fuck The System“, mittlerweile ganze acht Jahre in den Regalen, zumindest live jedoch ist die Band um Leader Wattie Buchan nach wie vor voll dabei: Denn auch nach mittlerweile 27 Jahren Bandgeschichte und einem kaum mehr zu überblickenden Musikerverschleiß können sich Nachfolgebands wie die tags darauf auftretenden Blood for Blood immernoch eine Scheibe von der Energie des Mannes mit dem wohl bekanntesten Irokesenschnitt der Musik-Szene abschneiden:
Wie von der Terantel gestochen rennt Wattie von einem Ende der Bühne zum anderen und schreit sich dabei die Seele aus dem Leib, als gäbe es kein Morgen. Und so kann auch der zwischenzeitig einsetzende Regen die Freude an Hits wie „Fuck The USA“, „Holliday In The Sun“, „Fuck The System“, dem brachialen „Beat The Bastards“ oder dem Klassiker aus dem Jahre ’82, „Troops Of Tomorrow“ nicht trüben. Doch ein THE EXPLOITED-Gig wäre kein THE EXPLOITED-Gig ohne das so stumpfsinnige wie unterhaltsame „Sex & Violence“ – welches auch heute, trotz abgelaufener Spielzeit, natürlich nicht fehlen darf. Etwas besonderes ist dieser letzte Song heute dennoch, holt Wattie hier doch mehr oder minder spontan den bekennenden Hardcore-Fan und Exodus-Sänger Rob Dukes auf die Bühne, welcher mit den restlichen Jungs von Exodus sichtlich begeistert den gesamten Gig vom Bühnenrand aus verfolgt hatte.
Spätestens, als sich dann noch Garry Holt eine Gitarre umschnallt um die Bühne zu entern und EXPLOITED-Bassist Irish Rob sowie Wattie in den Pressegraben klettern und auf Tuchfühlung mit dem vollkommen hohldrehenden Publikum gehen, ist klar: „Punk’s not dead“.

Das Kontrastprogramm könnte krasser kaum ausfallen, ist nach dem brachialen Gig der Punker nun mit KATATONIA eher die sentimentale Seite der Metaller-Seele gefragt. Etwas verspätet beginnen die Schweden, welche früher auf dem Brutal Assault zu Gast waren, ihr Set mit „Day And Then The Shade“ vom aktuellen Langspieler „Night Is The New Day“. Nach einem etwas unkoordiniert wirkenden Einstieg finden sich Jonas Renkse und Band recht schnell in ihr Set, das mit Songs wie „For My Demons“, „The Future Of Speech“, „Ghost Of The Sun“ oder „July“nicht nur einen guten Überblick über die Diskographie der Band bietet, sondern eigentlich ein echtes Best-Off-Programm darstellt.
Dass der Funke bei mir dennoch nicht so ganz überspringen will, liegt wohl neben der aus dem kräftezehrenden Exploited-Auftritt resultierenden Erschöpfung vor allem daran, dass der Slot der Schweden denkbar unpassend ist: Zum einen wäre Dunkelheit der Atmosphäre doch sehr zuträglich gewesen, zum anderen ist das Umschalten von Hardcore-Punk auf den melodischen Death Rock der Band nicht ganz einfach, wenn man in Gedanken bereits beim darauf folgenden EXODUS-Auftritt ist. Nichtsdestotrotz: Das Publikum wie auch die Band scheinen ihren seinen Spass zu haben und spätestens beim finalen“Forsaker“ gibt es auch hier kein Halten mehr.

[Moritz Grütz]

Liefen die Skandinavier noch Gefahr, im heutigen high-tempo-lastigen Lineup etwas blass auszusehen, brauchen sich EXODUS diesbezüglich keine Sorgen zu machen: Die Bay-Area-Größe scheint ihrem Auftritt selbst mindestens im gleichen Maße entgegenfiebert zu haben wie die bereits ab dem ersten Ton kreisförmig moshenden Fans, zumindest zieht sie mit ihrem flotten Thrash dermaßen frei vom Leder, dass es eine wahre Freude ist. Auf der Bühne sind stets alle in Bewegung, weder der Saitenfraktion um Gary Holt noch Fronter Dukes scheint heute jemals eine Laufstrecke zu weit zu sein. Dass hier offensichtlich Spaß an der Sache besteht, korrespondiert auch aufs trefflichste mit dem Sound der Band, die auch bei hohen Tempi bemerkenswert tight zusammenspielt und mit ihrer Feierlaune ansteckt. Auch zeigen sich die fünf Musiker immer noch deutlich beeindruckt vom vorausgehenden Exploited-Gig: Zunächst verleiht Rob Dukes seiner Bewunderung für die Schotten nochmals verbal Ausdruck, bevor er im darauffolgenden Song zum Bühnenrand rennt, um den Gitarristen der zusehenden Punkband eine Strophe mitsingen zu lassen und sich so zumindest teilweise für seinen Gastauftritt am früheren Nachmittag zu revanchieren. Derweil ist der Elan der Amerikaner, die zügig einen Brecher nach dem anderen in die Dämmerung hinausknüppeln, sichtlich aufs Publikum übergegangen – die überaus textsicheren Fans fressen Dukes aus der Hand und lassen sich in der obligatorischen Wall of Death sogar bis zum Einsetzen der Musik mit dem Losrennen zurückhalten, was zumindest meinen Festival-Erfahrungen zufolge bei EXODUS-Auftritten ein Novum darstellt. So scheint, nachdem sich die Setlist gleichsam rückwärts durch die Bandgeschichte bewegt hat – ausgehend von „The Ballard Of Leonard And Charles“ vom aktuellen Machwerk „Exhibit B“ über „War Is My Shepherd“ vom ’04er Comeback-Album „Tempo Of The Damned“ und die Bandhymne „Bonded By Blood“ hin zu „Strike Of The Beast“, dem Schlusssong vom Debütalbum – die Zeit verflogen zu sein. Selten hat man solch einen energiegeladenen Auftritt gesehen, selten hat ein EXODUS-Set dermaßen Spaß gemacht – diesmal scheinen 50 Minuten Spielzeit fast zu kurz.

[Felix Indra]

Während auf der Nebenbühne Exodus das Festival auseinander nehmen gehen die Vorbereitungen für mein persönliches Festival Highlight voran. Dass THE DILLINGER ESCAPE PLAN trotz ihres stetig wachsenden Bekanntheitsgrades immer noch geerdet sind zeigt sich bereits daran, dass hier der Soundcheck auch wirklich von der Band und nicht von Roadies durchgeführt wird. Pünktlich um 21.20 ist es dann so weit, und ein drückender Beat wummert aus den Boxen, die Band entert die Bühne, und Greg Puciato springt beim einsetzenden Geballer von „Farewell Mona Lisa“ auch gleich in den Bühnengraben, welchen er im Laufe des Konzerts noch einige Male aufsucht, um auf Tauchfühlung mit den Fans zu gehen. Diese sind zwar enthusiastisch, was am großen und durchaus engagierten Moshpit ersichtlich wird, allerdings insgesamt nicht so zahlreich, wie der enorm prominente Slot erwarten lassen würde. Der Stimmung tut das nur bedingt Abbruch.
Das Set besteht zu einem großen Teil aus Songs des aktuellen „Option Paralysis“ Albums, doch auch die anderen drei Alben werden mit je mindestens zwei Songs ausreichend gewürdigt. Puciatos Wunsch auf dem Kamera-Arm zu surfen wird vom eindeutig nicht des englischen mächtigen Kameramanns leider verwehrt, was der Frontmann mit einem „Fucking Pussy“ quitiert – eine Beleidigung die an diesem Abend einige Male über seine Lippen kommt. Dies liegt wohl auch an den teilweise kaum vorhandenen Reaktionen des Publikums, was wiederum wohl auf die mangelnden Englischkenntnisse eben jenes zurückzuführen ist. Vor dem vierten Song „Panasonic Youth“ ist zwar Jubelgeschrei im Publikum zu vernehmen, doch Greg Puciato scheint die Beteiligung im Pit wohl noch wenig zu sein: „You motherfuckers have to go off so hard, that they have to call a fucking riot police in this motherfucker.“ Nach der ersten Strophe muss Puciato allerdings noch mit einem „Come On“ nachhelfen, und das Publikum scheint durch die enorme Aggressivität sowohl von Seiten der Band, als auch der DEP-Fans verschreckt zu sein.
Doch diese Widrigkeiten halten die Band nicht ab sich dennoch ihrem Ruf als Live-Exzentriker hinzugeben: Gitarrist Weinmann liegt während eines Songs auf den ersten Reihen und springt in schöner Regelmäßigkeit wie von der Tarantel gestochen über die Bühne und sogar mit beeindruckenden Sätzen in den Foto-Graben, Puciato lässt sich in einer Kiste über die Bühne schieben und klettert diverse Male auf Verstärker und Traversen, und auch Liam Wilson am Bass und Jeff Tuttle an der Gitarre sorgen durch wahnwitzige Kletterorgien und Sprünge für Unterhaltung und zeigen die unglaubliche Energie auf, welche diese Band live auszeichnet.
Bei dem abschließenden Duo „Sunshine The Werewolf“ und „43% Burnt“ kommt alles doch noch zu einem versöhnlichen Ende: im Publikum sind um sich fliegende Körperextremitäten zu sehen, die Fans stapeln sich vor der Bühne und Puciato selbst reißt sich am Ende seinen Verband am lädierten Finger ab und stiftet diesen in einem enormen Stage-Dive dem Publikum.
THE DILLINGER ESCAPE PLAN haben das wahrgemacht, was man erwarten konnte: vollkommene Zerstörung. Aus meiner Sicht mit weitem Abstand DAS Highlight des Festivals. Die angekündigte Zusammenartbeit zwischen Greg Puciato und Max Cavalera, sowie die derzeitigen Arbeiten an neuem DILLINGER Material lassen also optimistisch in die Zukunft blicken.

[Bernhard Landkammer]


Nach diesem denkwürdigen Auftritt der Mathcoreler sind mit den Black-Metal-„Rockstars“ SATYRICON wieder Pioniere des europäischen Extrem-Metal an der Reihe. Und diese wissen zu überraschen: Zum einen fehlt die kreisende blonde Mähne hinter dem Keyboard; da aber in letzter Zeit von einem Lineup-Wechsel seitens der Band nie die Rede war, ist davon auszugehen, dass Jonna Nikula nur ausnahmsweise von dem mir gänzlich unbekannten Herren an den Tasten vertreten wird. Zum anderen klingt der Opener seltsam fremd – es handelt sich hierbei um das sonst nur selten live gespielte „Walk The Path Of Sorrow“ vom Erstlingswerk „Dark Medieval Times“ – und auch sonst beweist man heute einiges an Experimentierfreudigkeit bei Zusammenstellung der Setlist: Während das vorletzte Studiowerk „Now, Diabolical“ gar vierfach zu Ehren kommt, wird noch ein weiteres Mal tief in der Mottenkiste gekramt und „Hvite Krists Død“ vom Medieval-Nachfolger „The Shadowthrone“ zutage gefördert – mit zweifelhafter Wirkung. Denn einerseits kann eine solche Varianz in der Songauswahl eine willkommene Abwechslung sein, andererseits lassen sich die alten Epen in all ihrer Trueness relativ schwer in die Reihe der neueren, „rockigen“ Songs eingliedern. Auch leidet die „Partystimmung“, die etwa durch das fast schon tanzbare „Fuel For Hatred“ aufkommt, doch merklich unter einem langsamen und komplexen Stück wie „To The Mountains“, welches direkt im Anschluss dargeboten wird – was wiederum auch dessen Atmosphäre abträglich ist. Auch sonst wirkt die Band um die charismatische Röhre Satyr und das Schlagzeugbiest Frost heute etwas gehemmt – zwar liefern diese und ihre Mitmusiker einen weiteren grundsoliden und durchaus gefälligen Auftritt, doch vergleicht man diesen Gig mit einigen, die man während der Tour zum aktuellen Album „The Age Of Nero“ zu sehen bekam, kommt einem der heutige eher verhalten vor. Zum Schluss allerdings wird dies durch die Black-Metal-Hymne „Mother North“ vergessen gemacht sowie alt und neu wieder geeint: Ein bisher auf diesem Festival noch nicht in diesem Umfang vernommener, die berühmte Kernmelodie rezitierender Fan-Chor weiß auch Satyr zu beeindrucken, sodass der Auftritt doch noch endet, wie es sich für SATYRICON gehört: Mit einem Ausrufezeichen.

[Felix Indra]

Nachdem kräftezehrenden Konzertmaraton sowie einer kurzen Verschnauf- und Essens-Pause während SOILWORK und den Doom Metallern von CATHEDRAL folgt eine Stunde nach Mitternacht mit MAYHEM das von mir wohl mit der größten Spannung erwartete Konzert des Festivals. Denn wo man bei den meisten Bands weiß, was einen erwartet, wenn man sie bereits ein oder gar mehrfach gesehen hat, weiß man bei der norwegischen Black Metal-Legende nie, woran man ist, und was auf einen zu kommt.


Und in der Tat – Attila und Konsorten schaffen es auch heute, zu überraschen – allein, leider nicht nur positiv. Fast schon spießig „normal“ gekleidet (zumindest, vergleicht man es mit seinen Kostümierungen bei anderen MAYHEM oder auch Sunn o)))-Auftritten mit Latexmasken und Innereien-Dekorierung) betritt der stämmige Fronter nach seiner Band die durch drei Backdrops sowie einen kleinen Altartisch geschmückte Bühne. „Normal“ ist das, was die Norweger als „Show“ abziehen, zwar dabei nicht – sonderlich unterhaltsam jedoch ebensowenig: Begleitet von einer ziemlich öden Lightshow widmet sich Attila schon recht bald gänzlich zwei menschlichen Schädeln, welche er geheimnisvoll vor sich durch die Lüfte schwingt, was ihn selbst ganz offensichtlich von allen anwesenden am meisten fasziniert.
Abgesehen von der kurzen Szene, in der er einen der Schädel ans Mikro hält und „singen“ lässt, entbehrt diese Darbietung zumindest im rauschfreien Zustand jedweden Unterhaltungswertes – ebenso wie eher lächerliche denn „böse“ Ansagen a lá „Next Song is ‚Time To Die‘ – And Yes, This Is A Message To The Pope“. Abgerundet wird dieses enttäuschgende Bild von der musikalischen Seite, ist der Sound doch derart schlecht, dass ausser Hellhammers penetranter Double Bass, viel zu laut getriggerten Tom-Wirbeln sowie einem monotonen Schnarren, das wohl die Saitenfraktion repräsentieren soll kaum etwas herauszuhören ist. Die zahlreich erschienenen Fans scheint das nicht weiter zu stören – sind bis zum Moshpit und Crowdsurfing hier doch quasi alle noch so unpassenden Begeisterungsbekundungen zu beobachten – was Satyr, welcher sich den Gig aus dem Cruebereich der Bühne ansieht, Frost zwischendrin zuruft, hätte ich dennoch gerne gehört…Etwas bergauf geht es mit dem Auftritt erst ab den Evergreens „Freezing Moon“ und „Deathcrush“, findet hier die Band doch irgendwie langsam in den Gig und lässt fast so etwas wie Spielfreude erkennen – zumindest spielen sich die Norweger derart in Rage, dass sie auch 20 Minuten nach dem offiziellen Ende ihrer Spielzeit nicht ans Aufhören denken. 25 Minuten nach dem offiziellen Ende (wobei eine unverschuldete Verzögerung des Auftrittbeginns von 10 Minuten fairerweise abgezogen werden muss) verlässt die Band schließlich die Bühne und entlässt das Publikum ratlos in die Nacht – denn war der Gig objektiv gesehen doch einer der schlechtesten des gesamten Festivals, macht die Faszination MAYHEM doch irgendwie trotzdem einiges wett – frei nach dem Motto: „Die dürfen das.“

Samstag, 13.08.11

Der letzte Festivaltag beginnt für uns um 14.05, wenn sich planmäßig die Hardcore/Metal/Rock’n’Roller KVELERTAK der Aufgabe stellen ihrem Ruf als Party-tauglicher Liveband nachzukommen. Zu Verfügung steht ihnen hier eine halbe Stunde um das Material ihres, seit der Veröffentlichung überall gehypeten Debütalbums darzubieten. Mit drei Gitarren ausgestattet, deren tieferer Sinn über die gesamte Spielzeit nicht ersichtlich wird, legen die gutgelaunten Norweger auch gleich in der prallen Sonne los. Das Publikum ist zahlreich, aber doch überschaubar, und geht gleich zu Beginn gut mit.
Allgemein spielen KVELERTAK sicherlich einen soliden Auftritt, der durchaus Spaß macht. Das Problem ist lediglich: für mehr reicht es leider auch nicht. Zwar ist Frontwampe Erlend Hjelvik, wie gewohnt mit nacktem Oberkörper, enorm engagiert, klettert die Traversen nach oben, sucht den Körperkontakt mit dem Publikum und geht beim finalen Mjod auch auf Crowdsurf-Tour – alleine ist das alles eine Nummer zu brav, zu routiniert, und besitzt außer Feier-Tauglichkeit nicht den geringsten Tiefgang. Ja, Spaß macht der Auftritt schon – begeistern kann er allerdings nicht.
Vielleicht funktioniert dieses Konzept in einem schwitzigen Club-Ambiente besser als in der prallen Mittagssonne, wie im November auf der Tour zusammen mit Toxic Holocaust, Trap Them und den herausragenden Wolves Like Us überprüft werden kann. Vielleicht ja dann auch mit neuem Material


[Bernhard Landkammer]

Mehr zufällig denn geplant komme ich um halb sechs an den Bühnen vorbei, wo GENITORTURERS recht schnell meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen – kommt das Gespann um Gen, die Frau des Morbid Angel-Sängers David Vincent, doch recht extravagant daher: Neben der eher spärlich bekleideten Frontfrau sorgen die in Horror-Punk-Manier gekleideten Musiker durch Schminke und die beachtliche Größe des Bassisten Abbey Nex für Aufmerksamkeit, welchen man bereits als Gitarrist bei der letzten Combichrist-Tour bestaunen durfte. Auch sonst ist es vor allem die Show, die hier im Mittelpunkt steht, denn die Musik: Zu nett gemachtem, ansonsten aber recht unspektakulären Industrial-Rock, der ein wenig klingt, als hätten die Murderdolls/Wednesday13 Gefallen an Elektronic-Elementen gefunden, sorgt vor allem Sängerin Gen für Aufsehen: Ob sie sich nun ihr Höschen zu „Devil In A Bottle“, einer Homage an Jim Beam, mit ebendiesem einnässt, oder eine Babypuppe an einer Kordel herumwirbelt (bis diese witzigerweise reißt und die Puppe im Off verschwindet) – unterhaltsam ist das, was die GENITORTURERS hier abliefern, allemal.

Dass die Death Metal-Veteranen VADER bereits um 18:30 auf die Bretter müssen, verwundert (wie einige andere Running-Order-Plazierungen) doch etwas, gerade weil die Band hier, nahe der polnischen Grenze Tschechiens, ja fast noch als Lokalmatador durchgehen könnte.Entsprechend groß ist dafür dann auch der Andrang, als die Truppe um Fronter Peter zu den Klängen des – was könnte wohl passender sein – „Imperial March“ die Bühne betritt – welcher sich nicht nur musikalisch ob seiner Epik als Konzert-Intro ausserordenltich gut macht, sondern zudem, bedenkt man den Bandnamen, schlichtweg perfekt passt.
Hiervon erheitert, ist das Publikum sowieso schon auf der dunklen Seite der Macht, bevor es mit dem Konzert überhaupt erst losgeht – nicht jedoch, dass VADER es nötig hätten, das Publikum durch solch billige Tricks auf ihre Seite zu ziehen: Egal, von welchem Album, VADER demonstrieren heute wie gewohnt ihre Live-Stärke und lassen mit „Come And See My Sacrifice“ auch schonmal einen ersten Song vom neuen Album „Welcome To The Morbid Reich“ hören.Erstaunlich ist dabei nur, dass es im Publikum verhältnismäßig ruhig bleibt, bildet sich doch nichteinmal ein ausgeprägter Moshpit wie sonst so oft auf diesem Festival – dem Freund des ruhigen Musik-Genießens solls recht sein.
Dass VADER über ihre eigenen Stücke hinaus noch „Black Sabbath“ der gleichnamigen Rock-Legende, sowie, zu guter Letzt, „Reign in Blood“ covern, steigert die Sympathiewerte nochmals – denn statt sich komplett auf eigenes Material zu verlassen (und davon hätten VADER ja nun wirklich genug) nimmt man sich hier sogar bei einem zeitlich streng limitierten Festivalauftritt die Zeit für die ein oder andere Homage an die eigenen Szene-Helden.

Nach dem Death Metal-Lehrstück der Polen geht es mit TURISAS direkt im Anschluss mehr in Richtung Party-Metal – sind die rot-schwarz gestreiften Finnen doch für ihre unterhaltsamen Auftritte bekannt. Dass dies nicht eben typisch für das Brutal Assault ist, scheint auch Sänger Mathias „Warlord“ Nygård bewusst zu sein, welcher sich infolge dessen auch gleich augenzwinkernd dafür bedankt, dass TURISAS so herzlich begrüßt würden, obwohl sie im Vergleich zu all den harten Death Metal-Bands zugegebenermaßen „a bit gay“ wären. Dem Publikum scheint das ganz recht zu sein, bieten die Battle Metaller doch eine willkommene Abwechslung zum ansonsten recht harten Lineup. Ganz im Gegenteil, interpretiert man die Publikumsreaktionen richtig, sind TURISAS diesem heute nicht ansatzweise „gay“ genug – fordert dieses doch vehement das Boney M-Cover „Rasputin“, welches TURISAS für die gleichnamige EP 2007 aufgenommen hatten – in einer „Disco Battle Metal“-Version. Allein, obwohl es wohl geplant war, passt der Song heute nicht mehr in die Spielzeit – vielleicht sind 40 Minuten in Finnland einfach länger. Trotz dieser kleinen Enttäuschung feiert das Publikum die Sympathischen Skandinavier und dessen eloqenten Frontmann kräftig ab – spätestens beim Genre-definierenden, finalen „Battle Metal“ gibt es hier kein Halten mehr – und zurecht, ist der Auftritt doch mehr als Souverän und eine gelungene Auflockerung des Konzertnachmittags.


[Moritz Grütz]

Vor dem wahnsinnigen Endspurt des Festivals, welcher um 22.30 mit Sepultura beginnen sollte, geht es schon früher Richtung Festivalgelände, um sich eine der bekanntesten Vertreter des Metal-Core Genres zu Gemüte zu führen: AS I LAY DYING. Das Konzert stand für mich vor Beginn zunächst unter der Einstellung: Wenn man die Möglichkeit hat diese Band zu sehen, dann kann man das auch wahrnehmen, man hat ja schon einiges darüber gehört – genauer hatte ich mich mit der Band allerdings nie beschäftigt, und mir waren lediglich bekannt dass die Metalcore spielen und erklärte Christen sind. Im Vergleich zu Kreator, Exploited oder Motörhead ist der Zuspruch relativ gering: zwar ist der Platz vor der Bühne sehr voll, der Rest des Festivalgeländes allerdings entspricht von der Menge der Zuschauer nicht dem Headliner Status, den AS I LAY DYING inne haben.
Was die US-Amerikaner in ihren 45 Minuten Spielzeit dann allerdings abbrennen ist definitiv meine persönlich größte Überraschung des gesamten Festivals. Ein Riff jagt das nächste, unglaublich, pardon, geile Breakdowns brechen über den Hörer nieder, Hooklines treffen aufeinander, das tiefe Growlen des Fronters Tim Lambesis trifft immer wieder auf den packenden und ergreifenden Clean-Gesang von Phil Sgrosso an der Gitarre, und auf stumpfe Ansagen à la „Let me see your hands“ wird so gut wie vollständig verzichtet. Stattdessen sorgt Lambesis mit der Ansage „We are here to bring you a message of hope“ für Irritation beim Publikum, dass ironischerweise zu einem großen Teil aus eben jenen Leuten besteht, die bei Bands wie Mayhem oder anderen Black-Vertretern noch Anti-christliche Parolen geplärrt haben. AS I LAY DYING drängen ihren Glauben allerdings live nie in den Vordergrund, sondern wissen schlicht und ergreifend durch ein extrem tight gespieltes Set und tolle Melodien zu begeistern. Die religiösen Einstellungen sollten hier sowieso egal sein, und das Publikum setzt das Toleranz-Credo der Band auch um. Spätestens beim finalen „94 Hours“ kommt das Publikum auch ohne Aufforderung seiner Pflicht nach, und wie das ganze Konzert über machen Circle Pits und wehende Mähnen die Runde. Kein stumpfer Metalcore, sondern unglaublich sympathische, melodiöse und trotzdem treibende Rockmusik, dargeboten von einer enorm sympathischen Band – AS I LAY DYING wussten hier in allen Punkten zu überzeugen

[Bernhard Landkammer]

Nachdem ANATHEMA wiederum ausgelassen wurden, um in der Zwischenzeit Essen zu fassen, kann nun der aus 6 Bands am Stück bestehende Festival-Endspurt mit SEPULTURA beginnen. Bei den Brasilianern um das amerikanische Frontmonster Derrick Green handelt es sich um die Co-Headliner des heutigen Abends; dass der Gig ein Highlight darstellt, kann man auch deutlich aus den vorfreudigen Gesichtern der Menschen vor der Jägermeister Stage ablesen. Ebenfalls gut aufgelegt präsentieren sich die vier Herren auf der Bühne, die die Menge zu den Klängen von „Arise“ in ihr Set einführen. Scherzkeks Green („For this next song I want to hear you louder than me! Which is a difficult thing to do, I have a microphone…“) fordert viel vom Publikum und wird mit einer entsprechend starken Reaktion belohnt. Wie immer groovt die extrem konzertfreudige Band tadellos ihr Set durch, bis am Ende mit „Roots Bloody Roots“ offiziell die „Hüpfburg“ vor der Bühne eröffnet ist und alles den großen Klassiker aus Cavalera-Zeiten gröhlen darf. Abermals gibt es ein Lehrstück in Tightness zu bewundern; zwar fällt der Auftritt des Quartetts nicht übermäßig spektakular aus, unterhaltsam ist er dennoch.

[Felix Indra]

Nachdem mich TRIPTYKON auf dem Summer Breeze 2010 maßlos enttäuscht hatten, sind die Erwartungen an den heutigen Auftritt gelinde gesagt bescheiden… war das, was die um Celtic Frost-Fronter „Warrior“ Fischer neu formierte Truppe dort ablieferte, doch nichts anderes als ein schwacher Abklatsch der Schweizer Szene-Ikone. Und auch heute hat der Gig zunächst wenig zu bieten, ausser vielleicht dem unmotiviertesten „Uh!“ der Geschichte des „Uh!“-Schreis im Metal.


Zwar steigert sich die Begeisterung jenseits des Pressegrabens mit fortlaufender Spielzeit etwas, so dass auch die Fans davon angesteckt werden, und zugegebenermaßen sogar soetwas wie Atmosphäre aufkommt in der Festung von Jaromer, allein, eine Celtic Frost-Reinkarnation bleibt TRIPTYKON dennoch, ist die Setlist mit Stücken wie „Procreation Of The Wicked“ oder „Are You Morbid“ immernoch auf Celtic Frost fokussiert. Sicherlich, wer einmal eine Band so weit gebracht hat wie Thomas Gabriel Fischer, lässt nicht gerne von ihr ab – alleine TRIPTYKON beraubt sich dadurch jedweder Eigenständigkeit. Doch akzeptiert man, dass „Warrior“ Fischer TRIPTYKON lediglich als Celtic Frost-Reinkarnation geplant hat, ist das, was die Herren und die Dame heute abliefern, durchaus sehenswert, wenn auch in seiner Intensität nicht ansatzweise mit den echten Celtic Fronst vergleichbar.

Mag sein, dass die späte Stunde Schuld daran trägt, oder der eher fade Auftritt von Triptykon – begeistern können mich KATAKLYSM heute jedenfalls nicht. Dass du Jungs auch anders können, habe ich bereits in unzähligen Shows gesehen – allein heute springt zumindest bei mir der Funke nicht über: Der alles überdröhnende „Northern Hyperblast“ ragt aus einer Nebelbank verwaschener Gitarrenwände, zu der sich von irgendwo Mauric‘ Stimme gesellt… nicht eben die ideale Kombination für die im Großen und Ganzen eh schon recht stumpfen Kompositionen der Kanadier. Bevor es also zum letzten Band-Trio des Festivals geht, wird hier eine kleine Verschnaufpause eingelegt, bevor man voll frischer Energie vor der anderen Bühne Stellung bezieht, um 1349 willkommen zu heißen.

[Moritz Grütz]

In der Hoffnung, von 1349 nun wieder eine ansprechendere Show geboten zu bekommen, wird also bis Punkt Ein Uhr ausgeharrt. Doch als Ravn & Co., begleitet von einem Drummer, bei dem es sich eindeutig nicht um den scheinbar schon weitergereisten Frost handelt, mit „Riders Of The Apocalypse“ loslegen, sinken die Mundwinkel im Handumdrehen wieder nach unten: Beginnend mit dem Sound, der praktisch keine Unterscheidung einzelner Instrumente zulässt, hat hier einfach alles einen Pferdefuß. Als sei der für Auftritte nötige Kraftstoff für heute restlos verbraucht, schaffen es die Norweger gar, den bereits wirklich schwachen Kataklysm-Gig zu unterbieten: Allerhöchstens halb motiviert geht die Band zu Werke; kaum ist ein Stück zu Ende, wenden die Musiker der Menge den Rücken zu, um jeweils ein komplett unpassendes Interlude-Sampling erklingen zu lassen, bevor es mit dem nächsten, grauenhaft intonierten Song weitergeht. Angesichts des eher höflich applaudierenden Publikums scheint mir, dass ich nicht der einzige bin, der fast schon erleichtert ist, als das Set nach etwas über einer halben Stunde endet.

[Felix Indra]

Nach dieser herben Enttäuschung geht es mit den Norwegern KHOLD weiter, welche schon allein o ihres Raritäten-Bonus als Pflichttermin im Kalender notiert sind – sieht man die Herren um Sänger Gard doch eher selten auf der Bühne. Von den restlichen Konzerten des bisherigen Abends etwas demotiviert erwarte ich mir von der Black Thrash-Kombo jedoch nicht mehr all zu viel –und werde alsbald eines Besseren belehrt: Denn wie bereits im vergangenen Jahr Aura Noir auf einem vergleichbaren Slot im Billing, rocken auch KHOLD von der ersten Minute an amtlich:
Hier stimmt vom Sound über die sehr puristische Bühnenioptik bis hin zu Gards recht extravagantem Corpsepaint – hier stimmt einfach alles.
Die rar gesähten, verhuscht genäselten Ansagen Gards verleihen dem ganzen Szenario schließlich noch etwas Geheimnisvolles, so dass sich KHOLD zu einer echten Überraschung dieses Brutal Assaults avancieren.

[Moritz Grütz]

Auf diesen versöhnlich stimmenden Auftritt folgen schließlich die maritimen „Nautic Doomer“ AHAB, denen die Aufgabe obliegt, einen würdigen Schlusspunkt unter das Brutal Assault 2011 zu setzen. Nach Bekunden von Sänger und Gitarrist Daniel Droste handelt es sich dabei um den ersten Auftritt der Band in der Tschechischen Republik – musste der fürs Jahr zuvor geplante Auftritt auf eben diesem Festival ja leider kurzfristig abgesagt werden. Die Freude darüber, eine solche Gelegenheit noch einmal bekommen zu haben, sieht man den vieren auch allzu deutlich an, vor allem Corny Althammer hat vor lauter Elan beinahe Schwierigkeiten, sich auf seinem Drumschemel zu halten und füllt die zwischen seinen langsamen Schlägen vergehende Zeit aus, indem er teilweise wild gestikulierend mit dem Publikum Kontakt aufzunehmen sucht. Zwar mag man sich wieder einmal fragen, warum AHAB auf Festivals stets zu so späten Zeiten auf die Bretter müssen, da solch langsame Musik bei starker Ermattung extrem anstrengend werden kann. Jedoch schaffen es die Süddeutschen auf die ihnen eigene Art und Weise, auch einem solchen Auftritt eine bewundernswerte Intensität zu verleihen. Darauf wiederum reagiert das leider schon beträchtlich zusammengeschrumpfte Publikum wenn schon nicht hellauf begeistert, so doch sehr angetan. Schade also, dass in etwas über eine halbe Stunde Spielzeit mit „Old Thunder“, „The Divinity of Oceans“ und „The Hunt“ lediglich drei Songs passen. Diese gebührend zu zelebrieren lassen sich Droste und Band immerhin nicht nehmen, und so kommen diejenigen, die noch bis 2:25 Uhr plus die Länge des AHAB-Sets durchhalten, am Ende des Brutal Assault 2011 nochmals in den Genuss eines äußerst beeindruckenden Liveerlebnisses.

[Felix Indra]

Nachdem mich das Brutal Assault bereits im letzten Jahr zu überzeugen wusste, war die Vorfreude auf die 16. Ausgabe des Festivals entprechend hoch – und wurde nicht enttäuscht:
Schon die Location selbst ist Anlass genug, den zugegebenermaßen weiten Weg ans Ende der Tschechischen Republik anzutreten – bietet die alte Festungsruine doch nicht nur optisch eine der ansprechendsten Kulissen, die ich bei einem Festival bislang erlebt habe, sondern durch den Ummauerten Festungsinnenhof, in dem die Bühnen aufgebaut sind, zudem perfekte Bedingungen für einen guten Sound.
Abgesehen vom Wetter, welches dieses Jahr nochmal deutlich besser war als im Vergangenen, wurde auch von organisatorischer Seite aus deutlich nachgebessert: Sicherlich, die Schlange zum Erhalten des Festivalbändchens könnte durch einige zusätzlich eingeteilte Crewmitglieder merklich verkürzt werden – ansonsten jedoch verlief eigentlich alles, wie man es sich nur wünschen kann:Exemplarisch ist hierfür beispielsweise die Dixi-Toiletten-Situation zu nennen, die (im Vergleich zu vielen anderen Festivals) durch das „Viel hilft viel“-Prinzip und regelmäßiger Leerung deutlich besser als auf dem durchschnittlichen Festival gelöst ist: Stellt man beispielsweise hinreichend Urinal-Dixis auf, lässt sich erwiesenermaßen sogar der männliche Besucher davon abhalten, jeden zweiten Zaun zu markieren.
Generell ist der Besucher hier bei hochkarätig besetztem Billing deutlich besser umsorgt als auf so manchem anderen Festival – und das zu für deutsche Verhältnisse billigsten Preisen: Beim halben Liter Bier für 30CZK (~1€) oder ~3€ für Döner, Burger und dergleichen mehr (die Vielfalt sucht hier ihresgleichen) sich niemand über Festival-Wucher beschweren.
Gedankt wird der ganze Organisationsaufwand dem Veranstalter durch das anständigste Publikum, das ich einem Festival bislang gesehen habe: Hier wird weder nachts geplärrt noch tagsüber eine Müllhalde aufgetürmt – man könnte sich fast verleiten lassen, von zivilisierten Verhältnissen zu sprechen.

Fazit: Es gibt wenig, was dagegen spricht, auch 2012 wieder ins tschechische Jaromer zu pilgern – einzig die Überschneidung mit dem Party-San-Termin ist für den extremen Metaller etwas ungünstig und könnte, je nach Billing, dazwischenfunken.

[Moritz Grütz]

Publiziert am von , und Felix Indra (Gastredakteur)

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